Lebensversicherer: Wer hat stabile Erträge?
Das Zinstief bereitet den Versicherern heftige Kopfschmerzen. €uro hat ermittelt, welche Gesellschaften auch in Zukunft noch stabile Erträge erzielen werden.
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von Markus Hinterberger, €uro Magazin
Christoph Jurecka ist nicht zu beneiden. „Wir haben früher gegenüber den Kunden mehr über Renditen als über Garantien gesprochen“, sagt der schlanke Mittdreißiger selbstkritisch. Wir, damit meint er nicht nur sein Haus, die Ergo Lebensversicherung, sondern die gesamte Lebensversicherungsbranche. Jurecka muss als Risikovorstand der gesamten Ergo-Gruppe darauf achten, dass die Altersvorsorge von gut fünf Millionen Menschen nicht aus dem Ruder läuft und die Versicherten nicht weniger bekommen, als ihnen bei Abschluss ihrer Verträge versprochen wurde.
Wenn die Gesellschaften ihre Überschussbeteiligungen — also das, was den Kunden jedes Jahr gutgeschrieben wird — bekannt geben, waren vor zehn Jahren sechs, sieben Prozent die Regel. Heute sind es im Schnitt 3,6 Prozent. Viele Versicherer bieten noch weniger. Bereits 2006, als der heute 36-jährige Jurecka seine Prüfung zum Versicherungsmathematiker ablegte, betrug der Garantiezins für Lebensversicherungen lediglich 2,25 Prozent — zur Jahrtausendwende waren es noch vier Prozent gewesen. Heute liegt er bei 1,75 Prozent.
Der Garantiezins, das Fundament, auf dem die Rendite jeder Lebens- und Rentenversicherungspolice in Deutschland ruht, gibt eigentlich an, wie viel Versicherer ihren Kunden, die einen Vertrag abschließen, höchstens garantieren dürfen. Er wurde eingeführt, damit die Assekuranz keine Versprechen abgibt, die sich später als unhaltbar erweisen. Durch den harten Wettbewerb — immerhin buhlen bundesweit gut 80 Anbieter um Kunden — ist er zur Untergrenze geworden. Wer weniger garantiert, kann sich gleich vom Markt verabschieden.
Das macht das Geschäft der Versicherer und ihrer Risikomanager schwierig. Denn derzeit sind die Zinsen für sichere Anleihen sehr niedrig. Während Vermögensverwalter mit Aktien große Gewinne einfahren können, müssen Versicherer zuschauen. Sie sind zum großen Teil auf festverzinsliche und vor allem sichere Anlagen angewiesen. Nur so lassen sich berechenbare Garantien geben, und so wollen es Gesetzgeber und Finanzaufsicht. Hinzu kommt, dass Vorschriften die Branche mehr oder minder zwingen, in niedrig verzinste Anleihen mit hoher Bonität zu investieren — denn hierfür muss sie keine Risikopuffer bilden.
Christoph Jurecka und seine Kollegen wissen, dass die Schuldenkrise die Herausforderung für ihre Unternehmen ist. Wie sollen sie es schaffen, einerseits mit den niedrigen Zinsen fertig zu werden und andererseits die Kunden bei der Stange zu halten? „Die Garantie ist das Pfund, mit dem die Branche wuchern kann“, sagt Jurecka.
Zumal die Garantie eine weitere Seite hat: „Niemand sonst garantiert Ihnen eine lebenslange Rente“, sagt Peter Stockhorst, Vorstandschef der CosmosDirekt. Aber wie verkauft sich ein Produkt mit niedriger Rendite? Und wie soll eine Versicherungsgesellschaft millionenfach Renten finanzieren? In Deutschland bestehen über 90 Millionen Verträge, in denen die Bundesbürger mehr als 750 Milliarden Euro angelegt haben, in der Hoffnung, dass sich das Geld rasch vermehrt.
Blick in die Zahlen.
Für €uro Grund genug, den Versicherungsgesellschaften in die Zahlen zu schauen. Auf Basis der Daten, die Versicherer der Finanzaufsicht Bafin mitteilen müssen, wurde die gesamte Branche untersucht: Dabei wurde die Finanzkraft der jeweiligen Gesellschaft mit 30 Prozent gewichtet. Die Leistungen, mit denen Kunden des Versicherers rechnen können, zählten ebenfalls mit 30 Prozent.
Unter dem Oberbegriff „Kundenzufriedenheit“ wurden Frühstornoquoten und Beschwerden mit zehn Prozent gewichtet. Die Bestandssicherheit — hierzu gehört unter anderem das Wachstum der Versicherungsbestände — wurde ebenfalls mit 30 Prozent gewichtet. Hinzu kamen Zahlen zu den Garantiezinsen, die jede der 63 Gesellschaften im Schnitt für ihre Kunden erwirtschaften muss. Diese stellte die Versicherungsratingagentur Assekurata bereit. Auf dieser Datengrundlage konnten 63 Gesellschaften — sie entsprechen nach Anzahl der Verträge rund 95 Prozent des Marktes — untersucht werden.
Unterm Strich schaffte es Branchenprimus Allianz auf den ersten Rang. Das Unternehmen hat eine sehr gute Finanzkraft, liefert gute Ergebnisse, hat wenig Beschwerden, und auch die Bestände gelten als stabil. Das bedeutet in allen Teildisziplinen eine glatte Eins. Schon der Zweitplatzierte, die R + V Versicherung, patzt bei der Kundenzufriedenheit und bekommt hier nur ein Befriedigend. Der Direktversicherer Europa wiederum kassierte bei der Bestandssicherheit eine Drei, konnte sich dank der sehr guten Ergebnisse in den übrigen Kategorien jedoch vor der Debeka auf Platz 3 positionieren. Während bei den 14 mit „sehr gut“ bewerteten Versicherern zwölf keine gänzlich weiße Weste haben, sind selbst die Schlusslichter unseres Tests nicht wirklich schlecht. Unterm Strich hat keine Gesellschaft eine schlechtere €uro-Versicherungsnote als „befriedigend“.
Also alles in Butter bei den Lebensversicherern? Mitnichten, denn die Überschussbeteiligungen sind dieses Jahr so stark gesunken wie selten. Die Allianz zahlt 2013 nur noch 3,6 Prozent statt wie im vergangenen Jahr vier Prozent. „Wenn der Branchenprimus so stark senkt, hat das Signalwirkung“, sagt Lars Heermann von Assekurata. Die Allianz lag mit ihren beiden Werten 2012 wie 2013 ziemlich genau im Schnitt der Überschussbeteiligungen.
Mit Anleihen kaum was zu holen.
Bei den Kunden, die ihre Beiträge gut verzinst angelegt sehen wollen, kommen solche Nachrichten als Katastrophenmeldungen an. Sinken die Überschüsse auf Dauer, kostet das kräftig Rente. Wer dann noch lesen muss, dass Deutschland für Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit etwa 1,5 Prozent Zinsen im Jahr zahlt, merkt schnell: Am Anleihemarkt ist für Versicherer nicht mehr viel zu holen.
Doch voreilige Panik ist ein schlechter Ratgeber, denn die Überschüsse einer Gesellschaft werden nicht nur aus Kapitalanlageergebnissen, sondern auch aus Risikogewinnen und Kostenüberschüssen gespeist. Gerade Letztere werden laut Heermann künftig wichtiger: „Hier haben die Gesellschaften noch Luft.“ Die Kostenüberschüsse sind von 2006 bis 2011 von 950 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro gestiegen. Das Kapitalanlageergebnis, das übrig bleibt, nachdem die Garantien bedient wurden, ist von neun auf 4,5 Milliarden Euro gesunken.
Hinzu kommt, dass einige Versicherer inzwischen weniger Überschüsse auszahlen, als sie den Kunden unter Umständen garantiert haben. Dennoch werden die Versicherer nicht fallen, dafür seien die Sicherungsmechanismen zu streng und die Frühwarnsysteme zu ausgefeilt, heißt es bei der Bafin.
Auch Axel Kleinlein, Chef des Bunds der Versicherten (BdV) und traditionell ein Kritiker der Branche, beruhigt: „Unseres Erachtens steht momentan kein Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Die Garantieverzinsung ist sicher.“ Er warnt Kunden davor, ihre Verträge vorschnell zu kündigen. Dass der sonst so kritische BdV-Chef fast wie ein Vertreter der Versicherungsbranche spricht, zeigt den Ernst der Lage. Denn eine Massenflucht der Kunden würde die Situation erst wirklich verschärfen.
Dass etwas geschehen muss, darin sind sich Versicherer und Verbraucherschützer einig. „Es ist völlig unverständlich, wenn nun einzelne Gesellschaften in die Öffentlichkeit treten und von temporären Garantien oder sogar deren Ende sprechen“, sagt Joachim Geiberger, Geschäftsführer und Gesellschafter der Versicherungsvergleichsagentur Morgen und Morgen. Seine Kritik zielt auf Fritz Horst Melsheimer. Der Vorstandsvorsitzende der HanseMerkur hatte vorgeschlagen, den Kunden künftig nur Garantien auf Zeit auszusprechen.
Die Branche hingegen sollte erst dann in der Öffentlichkeit über Garantien diskutieren, wenn es adäquate und verlässliche Alternativen dazu gibt, meint Geiberger. Denkbar wären etwa Garantien, die an ein Zinsumfeld gekoppelt sind. „Im Kreditwesen gibt es beispielsweise Darlehen, die an den Euribor gekoppelt sind, und auf diesen Referenzzins wird dann eine feste Marge vereinbart.“.
Nur wer durchhält, wird belohnt.
Fakt ist: Renten- und Lebensversicherungen haben viel von ihrem Charme eingebüßt. Zum einen wegen der stark gesunkenen Zinsen, zum anderen weil die Erträge auf kapitalbildende Lebensversicherungsverträge, die nach 2005 abgeschlossen wurden, nicht mehr komplett steuerfrei sind. Andererseits wäre es zu kurz gedacht, die ganze Branche über einen Kamm zu scheren. Es gibt Gesellschaften, die auch in Zinstiefs stabile Erträge über dem Marktschnitt erzielen und dies auch in Zukunft schaffen werden.
Zudem sind branchenweit die Kosten gesunken, und viele Versicherer arbeiten daran, die Verträge verständlicher zu machen. Unterm Strich bleiben Lebens- und Rentenversicherungen Produkte, die sich erst lohnen, wenn man bis zum Ende durchhält. Dann winkt eine steuerbegünstigte Einmalzahlung oder garantierte Rente bis zum Tod, egal, ob der Inhaber der Police drei Jahre nach Fälligkeit stirbt oder 40 Jahre davon lebt. Das bietet derzeit kein anderes Produkt.
Alternativen zur Kündigung
Wer mit seiner Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung unzufrieden ist, kann den Vertrag kündigen, doch das ist nicht immer der beste Weg. Daumenregel: Je länger der Vertrag bereits läuft, desto höher sind
nominal die Verluste. Wer ganz sicher sein will, sollte einen Versicherungsmathematiker auf seinen Vertrag schauen lassen. Das kostet rund 150 Euro Honorar die Stunde, kann aber vor noch teureren Fehlern bewahren. Für Mitglieder des Bundes der Versicherten ist dieser Service kostenlos. Wer nach der Begutachtung – oder von sich aus – beschließt, nicht zu kündigen, dem bleiben Alternativen:
Vertrag beitragsfrei stellen
Sie zahlen keine Beiträge mehr, der Vertrag bleibt jedoch bestehen, und das, was bislang angespart wurde, wird weiter verzinst. Vorsicht: Ein an den Vertrag gekoppelter Berufsunfähigkeitsschutz (in Form einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) entfällt in diesem Fall.
Teilkündigung
Sie reduzieren Ihren Beitrag und damit auch den Versicherungsschutz. Der Vertrag wird aber auf einem deutlich höheren Niveau als bei einer kompletten Beitragsfreistellung weitergeführt.
Vertrag billiger machen
Zahlen Sie jährlich statt monatlich, das spart den sogenannten Ratenzuschlag. Kündigen Sie eine eventuelle Unfalltod-Zusatzversicherung, das führt bei gleichen Beiträgen zu höherer Auszahlung im Erlebensfall. Stoppen Sie die Dynamisierung, denn bei jedem neuen Schritt nach oben werden zusätzliche Abschlusskosten fällig.
Vertrag beleihen
Laut einer Untersuchung des Finanzinformationsdienstes FMH bieten manche Versicherer relativ günstige Zinsen, wenn der Kunde einen Kredit auf seinen Vertrag aufnimmt. Eine Anfrage kann sich durchaus lohnen.
Im Zweitmarkt verkaufen
Einige unabhängige Finanzdienstleister übernehmen Policen zu einem höheren Preis, als die Versicherer selbst bieten. So ist ein Aufschlag von drei bis acht Prozent auf den sogenannten Rückkaufswert durchaus realistisch. Doch Achtung: Hier tummeln sich viele unseriöse Anbieter. Der Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) hat eine Reihe von Kriterien aufgestellt, anhand derer Kunden einen seriösen Anbieter erkennen können (www.bvzl.de).
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