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Wohnriester: "Verbesserungsbedarf bleibt"

17.11.15 17:30 Uhr

Wohnriester: "Verbesserungsbedarf bleibt" | finanzen.net

Die Eigenheim-Rente ist der Renner unter den Riester-Produkten. Ende des Jahres wird die Marke von 1,5 Millionen Wohnriester-Verträgen überschritten. Finanzexpertin Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW zu den Chancen und Fallen.

von Stefan Rullkötter, Euro Magazin

Euro Magazin: Seit 2014 ist der Wohnriester noch flexibler. Haben sich die Neuregelungen in der Praxis bewährt?
Dr. Annabel Oelmann: Der Wohnriester bleibt nach wie vor ein kompliziertes Produkt. Wer die staatliche Förderung bekommen möchte, muss zahlreiche Voraussetzungen und Bedingungen über viele Jahre bis zur vollständigen Abwicklung des Vertrags erfüllen.

Wohnriester-Kunden können ihr Eigenheim wegen berufsbedingten Umzugs vorrübergehend oder ganz aufgeben, ohne die Förderung zu verlieren. Gleiches gilt, wenn sie mit dem angesparten Geld altersgerechte Umbauten durchführen wollen. Gibt es hier weiteren Nachbesserungsbedarf?
Bei den barrierefreien Umbaumöglichkeiten, für die man Wohnriester-Kapital einsetzen kann, bekommen wir als Verbraucherzentrale kaum Rückmeldungen von Verbrauchern. Dafür kann es mehrere Gründe geben: Wohnriester kennen diese Vertrags-Options entweder gar nicht - oder die Anforderungen, die sie dafür erfüllen müssen, sind zu kompliziert. Das gilt zum Beispiel hinsichtlich der DIN-Normen für barrierefreies Bauen. Hier gibt es sicher noch Nachbesserungspotenzial für den Gesetzgeber.

Wo haben Wohnriester-Interessenten den größten Beratungsbedarf?
Bei den Verbraucherzentralen ist Wohnriester vor allem ein Thema, wenn es um die Finanzierung der Immobilie selbst geht.

Bei Musterrechnungen unterstellen Wohnriester-Anbieter häufig, dass der Steuervorteil direkt in den Bausparvertrag eingebracht wird. In der Praxis verwenden Wohnriester-Sparer erstattete Abgaben dagegen häufig für Ihre Lebenshaltungskosten. Sehen sie die Gefahr, dass sich Kunden dadurch bei der Immobilien-Finanzierung insgesamt verkalkulieren?
In der Tat fließen zwar die staatlichen Zulagen direkt in den Vertrag, nicht aber mögliche Steuererstattungen. Diese bekommt der Verbraucher über die Einkommenssteuererklärung letztlich auf sein Girokonto gutgeschrieben - und es hängt von seinen dann gültigen finanziellen Rahmenbedingungen, aber auch von seiner Selbstdisziplin ab, ob er die Erstattung für eine Sondertilgung des Darlehens nutzt.


Was sind die konkreten Folgen?
Nutzt der Wohnriester-Kunde die Steuererstattung zur Sondertilgung, ist das Darlehen noch eher zurückgezahlt und er kann die dadurch ersparten Raten für die kommende Auflösung des Wohnförderkontos zurücklegen. Hat er dagegen die nicht Selbstdisziplin für die Sondertilgung, stellt sich die berechtigte Frage, ob er dann die Disziplin hat, die ersparten Raten an die Seite zu legen, damit es keine böse Überraschung gibt, wenn das Wohnförderkonto aufgelöst wird. Wer beides nicht tut - Steuererstattungen als Sondertilgung zu nutzen und die ersparten Raten auf die Seite zu legen - der kann in der Tat ein Problem bekommen.

Wohnriester-Sparer werden bei der späteren Auflösung ihres Wohnförderkontos oft einem beträchtlichen Steuerschuldenberg gegenüberstehen. Wie sollte man in der Situation vorgehen, um die individuell beste Strategie für die Rückzahlung der Steuerschuld zu finden?
Das Wohnförderkonto wird spätestens mit dem Erreichen des 68. Lebensjahr aufgelöst. Es bestehen zwei Möglichkeiten für die Besteuerung des Kapitals. Erstens: Die Besteuerung auf einen Schlag und zweitens: die Verteilung der Steuerschuld auf 17 Jahre. Beide Varianten haben Ihre Vor- und Nachteile. Bei der einmaligen Besteuerung gibt es einen Rabatt von 30 Prozent auf das zu besteuernde Kapital, kann aber bei einem sonst eher niedrigen Steuersatz nachteilig sein. Bei der Verteilung auf 17 Jahre besteht der Vorteil, dass das Kapital nicht mehr verzinst werden muss und außerdem kann das gesparte Kapital aus der einmaligen Besteuerung zinsbringend angelegt werden. Nachteil: es gibt keinen Rabatt. Welche Variante für den einzelnen vorteilhaft ist hängt unter anderem vom individuellen Steuersatz ab und sollte deshalb von einem Steuerberater geprüft werden.

Sollten Wohnriester-Sparer besser über die mögliche Fallen beim Wohnförderkonto aufgeklärt werden?
Wer das Wohnförderkonto vorzeitig auflöst, muss zwar nicht wie bei der schädlichen Auflösung eines klassischen Riester-Vertrags die Zulagen und die Steuererstattungen zurückzahlen, dafür aber den Stand des Wohnförderkontos sofort voll versteuern. Gerade wenn jemand noch mitten im Erwerbsleben steckt, kommt er schnell in den höchsten Grenzsteuersatz und hat eine entsprechend hohe Steuerpflicht. Wer dann keine entsprechend hohen Rücklagen hat, kann ein finanzielles Problem entstehen. Tatsächlich werden die Vorteile von Wohnriester oft deutlich herausgestellt, während die Nachteile oft nebulös bleiben oder gleich ganz unter den Tisch gekehrt werden. Das ist aber keine Besonderheit von Wohnriester, dies erleben wir als Verbraucherschützer regelmäßig bei vielen Produktklassen.

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Bildquellen: Verbraucherzentrale NRW, Sergey Nivens / Shutterstock.com