Zinsjagd: Wo Ihr Geld am besten aufgehoben ist
Tages- und Festgeld: Die Deutschen sparen fleißig, bunkern ihr Geld aber auf kaum verzinsten Konten. Wer etwas mehr will, muss aktiv werden.
von Simone Gröneweg, €uro am Sonntag
Ob markige Sprüche helfen? "Tritt deinem Geld in den Hintern", wirbt ein Zinsportal hierzulande, um Anleger anzulocken. Deren Frust dürfte mittlerweile recht groß sein. Wo Banken einst mit üppigen Konditionen lockten, herrscht seit Jahren Tristesse. Die Zinslandschaft ähnelt einer Wüstenregion. "Das ist zwar bitter, aber kein Grund, das Sparen einzustellen", meint Max Herbst, Chef der FMH- Finanzberatung. "Trotz der extremen Niedrigzinsphase lohnt es, regelmäßig Geld zur Seite zu legen", betont er. Schließlich könne man sich nur so ein Vermögen aufbauen.
Das haben die deutschen Anleger längst erkannt. Sie häuften mehr als 2,3 Billionen Euro in Bargeld und Einlagen an, wie Zahlen der Bundesbank zeigen. Das Problem: Ihr Erspartes wird so gut wie nicht verzinst. "Durchschnittlich gibt es im Markt etwa 0,02 Prozent für Tagesgeld", sagt Peter Barkow, Gründer des auf den Finanzsektor spezialisierten Analyse- und Beratungshauses Barkow Consulting. Zuletzt stampfte selbst die Direktbank ING-DiBa - eigentlich einer der Top-Anbieter - den Zinssatz auf 0,01 Prozent für Bestandskunden ein.
Berücksichtigt man die Inflationsrate, die zuletzt bei 1,6 Prozent lag, steht fest: Das Vermögen schrumpft, denn das Ersparte verliert an Kaufkraft. "Das ist ein schleichender Prozess, der den Kunden nicht unbedingt auffällt", erklärt Barkow. Der Kontostand verändere sich nicht. Im ersten Quartal 2018 hätten deutsche Sparer etwa 7,1 Milliarden Euro durch schlecht verzinste Geldanlagen verloren, rechnete die Onlinebank Comdirect kürzlich vor. Aufs Jahr hochgerechnet würde der Wertverlust bei 28,4 Milliarden Euro liegen.
Nur noch wenige Lockangebote
Selbst Zinsjäger, die gezielt nach sogenannten Neukunden-Angeboten Ausschau halten, haben es schwer. Lockangebote für Neulinge haben sich drastisch reduziert. Bei der Consorsbank erhalten Neukunden fürs Tagesgeld sechs Monate lang noch 0,6 Prozent, die ING-DiBa bietet in den ersten vier Monaten 0,75 Prozent. Vor zwei Jahren gab es nicht nur mehr Offerten dieser Art, sondern auch höhere Zinsen.
Die Ursache der Zinsdürre: Die Geldinstitute müssen einen negativen Zinssatz in Höhe von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie überzählige Spareinlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Wenig verwunderlich, dass die Sparer eine Zinswende herbeisehnen. Während die US-Notenbank die Zinsen schon mehrmals leicht angehoben hat, hält sich die EZB noch zurück.
Allerdings: Die Euro-Wächter reduzierten bereits ihre Anleihekäufe, im Herbst könnten sie das Programm komplett einstellen. Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH, warnt jedoch vor verfrühter Euphorie: "Für Sparer bleibt die Zinswende Zukunftsmusik. Erst wenn die EZB den Leitzins anhebt und ihre Strafzinsen auf Bankeinlagen zurückfährt, dürften auch die Sparzinsen wieder steigen. Damit ist frühestens im nächsten Jahr zu rechnen." Jedoch seien die Sparer den Nullzinsen nicht hilflos ausgeliefert, ergänzt er und verweist auf einzelne Top-Anbieter, mit denen man die Kaufkraftverluste durch die Inflation zumindest begrenzen könne.
Risiken in Kauf nehmen
"Der Leidensdruck der deutschen Sparer wird größer", sagt Michael Huber vom VZ Vermögenszentrum mit Blick auf die Billionen, die auf den Konten herumliegen. "Das Vermögen wächst nicht so, wie es wachsen könnte", meint er. Die von €uro am Sonntag befragten Finanzberater und Zinsexperten sind sich einig: Die deutschen Anleger müssten eigentlich verstärkt zu Fonds und Aktien greifen, um den Vermögensaufbau voranzutreiben. "Wer eine höhere Rendite will, muss mehr Risiko eingehen", betont Barkow. Ähnlich argumentiert Max Herbst. "Wer so viel gespart hat, dass er auf einen Teil des Geldes nicht angewiesen ist, muss auch mal etwas riskieren." Schwankungen an den Finanzmärkten könne man aussitzen, sagt er.
Verluste minimieren
Wer dem Auf und Ab an der Börse nervlich überhaupt nicht gewachsen ist, kann derzeit lediglich darauf achten, dass das Ersparte nur zu einem kleinen Teil der Inflation anheimfällt. Das sei die zweitbeste Variante, urteilt Huber. Die Fachleute raten dazu, einen Teil des Geldes - also zwei bis drei Monatsgehälter - für unvorhergesehene Ereignisse auf einem leidlich verzinsten Tagesgeldkonto zu halten. Ansonsten sollten sich Sparer verschiedene Offerten für Festgeldkonten anschauen.
Um eine gewisse Flexibilität zu wahren, können sie ihr Geld auf unterschiedliche Laufzeiten verteilen. "Ein Betrag wird beispielsweise für drei Monate angelegt, und wenn das Geld zwischenzeitlich nicht gebraucht wird, kann es immer wieder fest geparkt werden", meint Herbst. Einen anderen Betrag könnte man auf ein Festgeldkonto für zwei Jahre anlegen. "In diesem Zeitraum wird nichts Großartiges bei den angebotenen Zinsen der verschiedenen Tagesgeld- und Festgeldanbieter passieren", so der Experte.
Ein Beispiel: Die Ziraat Bank zahlt Kunden, die ihr Geld zwei Jahre fest anlegen, 0,90 Prozent. Das Institut - die deutsche Tochter einer türkischen Bank - ist der Sicherungseinrichtung des Bundesverbands deutscher Banken angeschlossen. Andere Institute zahlen sogar bis zu einem Prozent für diesen Zeitraum (siehe Tabelle unten). Allerdings minimiere man auf diese Weise nur die Verluste angesichts der derzeitigen Inflationsrate, betonen die Fachleute.
Einige konservative Anleger orientieren sich beim Thema Sparen mittlerweile komplett ins Ausland. Während die deutschen Geldhäuser ausreichend mit Einlagen versorgt sind, fehlt es den Instituten dort mitunter daran. Sie zahlen darum etwas höhere Zinsen (siehe Tabelle unten). Internetplattformen wie Zinspilot und Savedo ermöglichen das. Genauso wie das Portal Weltsparen, das derzeit mit seinen markigen Werbesprüchen Kunden anlockt.
Normalerweise registriert sich der Kunde einmal bei einer Plattform und kann danach auf Angebote von verschiedenen Instituten zugreifen. In der Regel wird dazu ein Referenzkonto bei einer deutschen Partnerbank des Vermittlers eröffnet. Von diesem Konto fließt über die Anlagemaske des Vermittlers der gewünschte Betrag zu einer ausländischen Bank der Wahl. Der Vorteil: Man kann die Angebote unbürokratisch wechseln.
Allerdings sollten Sparer die Risiken im Blick behalten. Verbraucherschützer sehen insbesondere Offerten aus wirtschaftlich kriselnden Ländern kritisch. Grundsätzlich gilt in Europa: Geht eine Bank pleite, haben alle Kontoinhaber einen Rechtsanspruch, ihr Geld bis zu 100 000 Euro zurückbekommen. Die Einlagensicherung obliegt allerdings den jeweiligen Ländern, in denen das Geld angelegt ist. Die Bonität des Landes ist also von Bedeutung. Heißt: Ein Institut sollte aus einem Land stammen, das wirtschaftlich stark genug ist, um unter Umständen für die Einlagen der Sparer selbst einzuspringen, raten Verbraucherschützer. Zudem sollte man darauf achten, dass die gewählte Bank von den großen Ratingagenturen als solide bewertet wird.
Dass man den Rat der Verbraucherschützer ernst nehmen sollte, zeigt das Beispiel der Versobank in Estland. Die Europäische Zentralbank entzog dem Institut die Banklizenz, da es gegen geltendes Recht verstoßen hatte. Über das Portal Savedo konnte man Einlagen bei der Bank tätigen. Mehr als 1100 deutsche Anleger waren betroffen. "Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden der Situation um die Versobank proaktiv alle Kunden informiert", erklärt Christian Tiessen, Geschäftsführer von Savedo. Innerhalb weniger Tage hätten die Kunden die Rückerstattung ihrer Einlagen inklusive Zinsen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhalten.
"Momentan stehen wir denjenigen unterstützend zur Seite, deren Anlage inklusive Zinsen die 100.000 Euro übersteigen", so Tiessen. Selbst wenn in dem Fall die Einlagensicherung funktioniert hat, war das Ganze für die Anleger vermutlich keine angenehme Erfahrung. Schließlich wollen sie vor allem sichere Zinsen.
Im Überblick: Festgeldangebote der Zinsportale (PDF)
Wo Tages- und Festgeld am meisten bringt (PDF)
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