Mietrecht aktuell: Immer wieder Wohnungszoff
Mit kaum einer anderen Materie muss sich der Bundesgerichtshof so häufig befassen wie mit Klagen von Mietern und Vermietern. Zwölf aktuelle Entscheidungen zum Mietrecht.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Wird Wohnraum vermietet, ist Streit programmiert: Sieben Millionen privaten Vermietern stehen hierzulande 35 Millionen Mieter gegenüber. Deutsche Gerichte entscheiden jedes Jahr rund 260.000 Mal über Mietrechtsklagen. Nahezu jeder sechste Zivilprozess dreht sich um Mietvertragsverletzungen, Betriebskostenabrechnungen, Mieterhöhungen, Kautionen und Ähnliches. Oft wird der Rechtsweg bis zum Bundesgerichtshof (BGH) beschritten.
Streitigkeiten in Sachen Mietpreisbremse haben das oberste deutsche Zivilgericht dagegen noch nicht erreicht. Sie soll seit Juni 2015 in Metropolen und Gegenden mit knappem Wohnraum verhindern, dass Vermieter bei einem Mieterwechsel den Preis kräftig erhöhen.
Bei der Auslegung des maßgeblichen Mietrechtsnovellierungsgesetzes sind zunächst die unteren Instanzen am Zug. So hat das Amtsgericht Neukölln in Berlin entschieden, dass ein Mieter das Absenken auf das ortsübliche Preisniveau verlangen und zu viel bezahltes Geld zurückfordern kann (Az. 11 C 414/15). Geklagt hatte ein Mieter, der monatlich 9,40 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zahlen sollte. Die Vormieterin hatte 5,49 Euro gezahlt. 6,60 Euro sind die Höchstmarke für den Mietzins. Mehr als zehn Prozent Zuschlag auf die ortsübliche Vergleichsmiete verstoße gegen die Mietpreisbremse, befand das Gericht.
Auch in München wehrte sich eine Mieterin erfolgreich gegen einen Preisaufschlag. Sie bezahlte bei ortsüblicher Vergleichsmiete von 910 Euro für eine Drei-Zimmer-Dachgeschosswohnung 1.300 Euro warm, ihr Vorgänger hatte 200 Euro weniger gelöhnt. Der Vermieter sei gesetzlich zwar nicht gezwungen, den Preis bei einem Mieterwechsel zu senken, hätte die Miete aber nicht nochmals erhöhen dürfen, urteilte das Amtsgericht München (Az. 422 C 6013/16).
Urteile Zugunsten der Mieter
Betriebskosten für Grünanlagen
Sind Garten- und Parkflächen einer Wohnanlage öffentlich nutzbar, können Vermieter Kosten für deren Pflege nicht als Betriebskosten auf Mieter umlegen. Letztere müssen die Kosten für die Pflege des Parks nicht schon deshalb tragen, weil der Park im Eigentum des Vermieters steht. Nur wenn die Gartenpflege umlagefähig ist, zählen dazu auch Kosten für die Beseitigung fremden Unrats, befand der BGH (Az. VIII ZR 33/15).
Eigenbedarfskündigung
Täuscht ein Vermieter Eigenbedarf vor, steht dem Mieter bei einer Kündigung Schadenersatz zu. Im entschiedenen Fall machte ein Vermieter Eigenbedarf für seine pflegebedürftige Mutter geltend, ließ die Wohnung nach der Räumung aber zwei Jahre leer stehen und nutzte sie nur als Abstellraum. Eine Vorratskündigung ist nicht ausreichend: Hat der Vermieter kein konkretes Interesse an baldiger Nutzung, muss er plausibel darlegen, warum der Eigenbedarf nachträglich entfallen ist, befand der BGH (Az. VIII ZR 300/15).
Mietkautionsverrechnung
Vermieter dürfen sich wegen bereits verjährter Betriebskostennachforderungen nicht aus der Mietkaution bedienen. Zwar können sie diese grundsätzlich auch mit verjährten Forderungen verrechnen, aber nicht bei Ansprüchen auf Zinsen und anderen wiederkehrenden Leistungen wie Mietzahlungen und Betriebskostenvorauszahlungen. Letztere muss der Vermieter jährlich abrechnen. Ansprüche aus der Betriebskostenabrechnung verjähren nach drei Jahren. Danach dürfen sich Vermieter nicht mehr aus der Kaution bedienen, so der BGH (Az. VIII ZR 263/14).
Mietzahlung bis zum Dritten des Monats
Für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung ist die Anweisung des Geldes durch den Mieter maßgeblich - und nicht der tatsächliche Geldeingang beim Vermieter. Mieter, die bislang am dritten Werktag ihre Miete überwiesen haben, können dies auch künftig tun, ohne in Zahlungsverzug zu geraten. Der Vermieter ist nicht berechtigt, durch eine Klausel im Mietvertrag zu regeln, dass die Miete bis zum dritten Werktag bei ihm eingegangen sein muss. Eine solche Klausel benachteilige den Mieter unangemessen und sei daher unwirksam, entschied der BGH (Az. VIII ZR 222/15).
Nebenkosten
Mieter müssen Nebenkosten in der Regel nicht zahlen, wenn die Abrechnung nach mehr als zwölf Monaten kommt. Vermieter dürfen nur ausnahmsweise nach Ablauf eines Jahres Nebenkosten nachfordern - etwa wenn die Grundsteuer erst nach Ablauf der Frist festgesetzt wurde, der Immobilienverwalter nachweislich krank geworden ist oder Belege bei einem Brand vernichtet worden sind, befand der BGH (Az. VIII ZR 249/15).
Wohnfläche im Vertrag Bei der Berechnung einer Mieterhöhung ist entscheidend, wie groß die Wohnung tatsächlich ist - und nicht, was im Mietvertrag steht, entschied der BGH. Vermieter können auf dieser Basis Miete und Betriebskosten neu berechnen. Mieter sollten umgekehrt verlangen, die Miete nach unten zu korrigieren, wenn Wohnflächen im Mietvertrag zu groß angesetzt sind (Az.VIII ZR 266/14).
Urteile Zugunsten der VerMieter
Betriebskosten I
Gravierende Fehler in der Betriebskostenabrechnung muss der Mieter binnen zwölf Monaten reklamieren, sonst bleibt er auf den Kosten sitzen, urteilte der BGH. Erfolgreich geklagt hat ein Vermieter, der 700 Euro Nebenkostenvorauszahlungen nicht berücksichtigt und 789 Euro für Instandhaltung und Wartung berechnet hatte, die laut Abrechnung des Hausverwalters nicht umlagefähig sind (Az. VIII ZR 209/15).
Betriebskosten II
Vermieter haben künftig mehr Spielraum bei der Gestaltung der jährlichen Nebenkostenabrechnung. Legen sie etwa Kosten für Wasser,
Abwasser und Müllabfuhr auf mehrere Gebäude um, müssen einzelne Rechenschritte nicht mehr aus der Abrechnung ersichtlich sein, befanden die Richter: An die Nebenkostenabrechnungen dürften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, der Aufwand für die Vermieter müsse sich in Grenzen
halten (Az. VIII ZR 93/15).
Eigenbedarfskündigung von Gesellschaften
Auch Personengesellschaften dürfen wegen Eigenbedarfs kündigen. Das hat der BGH zugunsten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entschieden: Diese unterscheide sich nicht von privaten Hauseigentümer- oder Erbengemeinschaften, die ebenfalls aus Personen mit Anspruch auf Eigenbedarf bestehen können. Eigenbedarfskündigungen von Gesellschaften sind damit künftig wirksam, Mieter haben allenfalls Anspruch auf Schadenersatz, etwa für Umzugskosten (Az. VIII ZR 232/15).
Mietminderungsklagen
Klagt ein Mieter auf Feststellung einer Mietminderung, liegt der Streitwert einheitlich beim dreieinhalbfachen Jahresbetrag der geltend gemachten Mietminderung und nicht wie bisher beim einfachen Jahresbetrag, entschied der BGH. Damit steigt das Prozesskostenrisiko für den Mieter: Die Höhe der Anwaltsgebühren und der Gerichtskosten errechnet sich aus Gegenstands- oder Verfahrenswert
(Az. VIII ZR 43/15).
Verspäteter Auszug
Wird eine Wohnung verspätet zurückgegeben, richtet sich die Nutzungsentschädigung für Vermieter nach der üblichen Miethöhe bei Neuvermietung, stellte der BGH nun klar. Wird ein Objekt trotz wirksamer Kündigung nicht geräumt, können Vermieter auch dann Nachzahlungen verlangen, wenn die vertraglich vereinbarte Miete weiterhin fließt (Az. VIII ZR 17/16).
Zahlungsrückstände
Ein Vermieter kann auch fast acht Monate nach dem Zahlungsrückstand für ein Wohnraumobjekt fristlos kündigen. Selbst wenn Mietrückstände länger zurückliegen, können Vermieter grundsätzlich fristlos kündigen, befand der BGH. Damit haben die obersten Zivilrichter für Vermieter Rechtssicherheit bei fristlosen Kündigungen geschaffen
(Az. VIII ZR 296/15).
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