Inflation: Keine Angst vor alten Bekannten!
Es ist wieder da, das Gespenst der Inflation. Just zum Jahresende 2016 zog die Teuerungsrate in der Eurozone kräftig an und stieg auf ein Dreijahreshoch.
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von Björn Jesch, Gastautor von Euro am Sonntag
Waren und Dienstleistungen kosteten im Euroraum im Dezember 2016 durchschnittlich 1,1 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. In Deutschland stiegen die Preise sogar um 1,7 Prozent. Die Teuerungsraten sind damit auf den höchsten Stand seit drei Jahren geklettert. Nur ein kurzfristiger Höhenflug? Oder kommt die Inflation, ein alter Bekannter, zurück? Droht zum Nullzins auch von dieser Seite wieder Gefahr für das Ersparte?
Nachdem lange Zeit das Gespenst der Deflation, also der Preisverfall für Waren und Dienstleistungen, herumgeisterte, hat sich nach 0,6 Prozent im November die Teuerung für die Eurozone im Dezember fast verdoppelt. Ursache hierfür ist vor allem der gestiegene Ölpreis. Seit der Einigung der OPEC-Staaten auf eine Förderkürzung Ende November kletterte die Ölnotierung deutlich - im Dezember waren es satte 13 Prozent. Ein Fass Öl der Sorte Brent notiert momentan bei rund 55 US-Dollar.
Der Teuerungseffekt durch den Ölpreis
sollte langsam auslaufen
Damit ist die höhere Teuerungsrate vor allem statistisch begründet. Da der Ölpreis vor einem Jahr aufgrund eines großen Überangebots einen enormen Sinkflug hingelegt hat - im Januar 2016 sahen wir sogar Preise um die 28 US-Dollar -, ist die Inflationsrate nun vergleichsweise hoch. Und dieser Effekt dürfte noch eine Weile anhalten; mit dem kontinuierlichen Anstieg der Ölnotierung 2016 sollte er in den kommenden Monaten aber allmählich auslaufen.
Auch in den Erwartungen der Marktteilnehmer spiegelt sich eine anziehende Teuerung: Die langfristigen Inflationserwartungen - konkret die Teuerungsrate, mit der die Investoren für die Zeit nach 2022 rechnen - sind seit September zunächst leicht gestiegen und dann seit November 2016 regelrecht in die Höhe geschnellt. Was Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), mit seiner äußerst expansiven Geldpolitik bisher nicht hinbekommen hat, scheint dem neuen US-Präsidenten Donald Trump gelungen zu sein. Die Marktteilnehmer rechnen seit seiner Wahl mit einer Reflation. Das bedeutet: höhere Wachstumsraten, höhere Inflationserwartungen und höhere Zinsen.
Die Märkte gehen davon aus, dass das von Trump in Aussicht gestellte Konjunkturpaket, bestehend aus Steuersenkungen, Infrastrukturprogrammen und weniger Regulierung, stimulierend auf das Wachstum in den USA wirkt. Bei gleichzeitig gut ausgelastetem Arbeitsmarkt würde das zu steigender Inflation führen, die wiederum das Zinsniveau anheben sollte.
Und das hat Abstrahlungseffekte auf den Euroraum. Auch hierzulande sind die langfristigen Teuerungserwartungen angestiegen. Sie liegen momentan bei 1,7 Prozent für die Zeit nach 2022. Doch es ist fraglich, ob diese Inflationserwartung nachhaltig ist und sie sich tatsächlich in höheren Preisen niederschlagen wird. Das Bild in Europa wirft nämlich mehr Fragezeichen auf: Mäßiges wirtschaftliches Wachstum unter Potenzial und vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit sprechen nicht gerade für eine stark ansteigende Inflation.
Der Fortgang des Brexit sowie die anstehenden Wahlen in wichtigen EU-Ländern wie Frankreich und Deutschland erzeugen zudem nicht gerade ein ungetrübtes Stimmungsbild in der Eurozone im laufenden Jahr. Während wir in den USA für 2017 mit einem Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent rechnen, sind es in der Eurozone gerade einmal 1,5 Prozent und damit sogar weniger als im Vorjahr.
Das Gespenst der Deflation
im Euroraum ist vertrieben
Die spannende Frage ist also: Sehen wir einen nachhaltigen Anstieg der Inflationsrate im Euroraum? Klar ist: Das Null-Inflations- bzw. Negativ-Inflations-Tal ist unserer Meinung nach durchschritten. Das Deflationsgespenst ist also vertrieben. Das begrüßen wir, da sinkende Preise verheerender sind als eine moderate Inflation. Aufgrund der Annahme, dass Waren und Dienstleistungen immer günstiger werden, verschieben die Bürger und Unternehmen in diesem Szenario ihre Investitionen. Und das wirkt sich sehr negativ auf das Wachstum aus. In die Höhe schnellende Preise sind jedoch auch nicht gerade beliebt. Darauf müssen wir uns aber auch erst einmal nicht einstellen.
Die Inflationsrate dürfte in den kommenden Monaten zwar weiter ansteigen - allein schon aufgrund des angezogenen Ölpreises -, aber nur sehr moderat. Der statistische Effekt beim Öl wird im Jahresverlauf abnehmen. Außerdem mangelt es hierzulande an ökonomischen Treibern - diese finden wir eher in den Vereinigten Staaten.
US-Anleihen kommen unter Druck,
der Dollar wird fester
Obwohl man hier einräumen muss: Was Donald Trump genau vorhat, ist unklar. Bisher handeln die Marktteilnehmer aufgrund seiner Ankündigungen - vieles fußt also auf Annahmen. Spekulationen in den USA treiben also die Inflationserwartungen der Eurozone an - eine äußerst wackelige Basis. Mittelfristig rechnen wir daher für die Eurozone mit einer moderaten Teuerung: Für das Jahr 2017 halten wir eine Teuerungsrate von 1,3 Prozent für wahrscheinlich, 2016 waren es noch rund 0,4 Prozent. 2018 könnten es bereits 1,6 Prozent sein, was dem langfristigen Inflationsziel der EZB von nahe zwei Prozent schon etwas näher käme.
Was bedeutet das für die Geldanlage? Eine steigende Teuerung ruft in der Regel die Notenbank auf den Plan. Bei anhaltender Inflation hebt sie den Leitzins moderat an und erhöht somit das Zinsniveau. Und das ist schlecht für Anleihen, deren Kurse dadurch sinken. Diesen Ablauf beobachten wir bereits in den USA, denn dort ist die Zinswende eingeläutet. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat im Dezember 2016 bereits zum zweiten Mal binnen eines Jahres den Leitzins angehoben. Dadurch kommen die US-Anleihekurse unter Druck.
Im Euroraum herrscht hingegen nach wie vor ein Leitzins von null Prozent. Zwischen beiden Regionen klafft ein sogenannter "Transatlantik-Spread", der zu einem festeren US-Dollar führt. Denn Anleger investieren dort, wo sie bei gleichem Risiko mehr Rendite erhalten. Die Aussichten sind also eher negativ für US-Staatsanleihen und eher positiv für den Greenback.
Diese beiden Effekte sind aber keine gute Nachricht für Gold. Das Edelmetall sinkt in der Investorengunst, da am Markt wieder mehr Zinsen zu vereinnahmen sind. Dem stehen unterstützende Faktoren - etwa die Versicherung gegen hohe Inflation oder politische Risiken - entgegen. In Summe sehen wir für das Edelmetall noch begrenztes Potenzial. Ende des Jahres rechnen wir mit einem Preis von rund 1.400 US-Dollar.
Steigende Teuerungsrate ist
gut für steigende Aktienkurse
Auch Aktien bieten Inflationsschutz, wenn die Unternehmen die Preiserhöhung an die Kunden weitergeben können. Sollte die Teuerungsrate aufgrund eines verbesserten Wachstumsumfelds steigen, ist das für Aktien ein ideales Terrain. Für Anleger bieten sich in einem moderaten Inflationsumfeld, wie wir es in den kommenden Monaten wohl sehen werden, also durchaus Chancen. Dagegen wird das Tagesgeldkonto, das im aktuellen Nullzinsumfeld sowieso kaum Erträge abwirft, mit steigender Inflation noch unattraktiver. Die Sorge vor einer rasanten Geldentwertung ist aber definitiv unbegründet. Also: keine Angst vor alten Bekannten.
Kurzvita
Björn Jesch, Leiter Portfoliomanagement
bei Union Investment
Der ausgebildete Bankkaufmann und Devisenhändler Jesch führt seit 2012 das Fondsmanagement-Team mit rund 250 Mitarbeitern. Er ist zudem Vorsitzendes "Union Investment Committee" (UIC), das die Kapitalmarktstrategie von Union Investment formuliert.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und managt mehr als 285 Milliarden Euro für private und institutionelle Anleger.
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