Euro am Sonntag

Geldpolitik: Marios Machtverlust

08.03.16 15:00 Uhr

Geldpolitik: Marios Machtverlust | finanzen.net

EZB-Chef Mario Draghi will die Geldpolitik weiter lockern. Spannend wird, ob das eher die Kurse anschiebt - oder die Zweifel nährt.

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von Andreas Höß, Euro am Sonntag

Kommenden Donnerstag werden Anleger wieder gebannt nach Frankfurt blicken, da ­Europas Zentralbank (EZB) die Geldpolitik weiter lockern könnte. Früher haben solche Finanzspritzen ­einer Notenbank für Euphorie an der Börse gesorgt und die Kurse angeschoben. Doch ob das auch dieses Mal der Fall sein wird, ist längst nicht sicher.



Großinvestoren hadern im Moment mit den Notenbankern, die ihnen bis vor Kurzem mit billigem Geld alle Sorgen ­genommen haben. Dabei schlagen oft zwei Herzen in ihrer Brust: Finanzspritzen finden viele Anleger nach wie vor toll, besonders wenn sie groß ausfallen. Gleichzeitig wachsen die Zweifel an deren Wirksamkeit. Die Währungshüter hätten es nicht einmal mit dem Einsatz extremster Mittel wie Minuszinsen geschafft, für Inflation und Wachstum zu sorgen, so der Tenor vieler Kommentare von Analysten und Ökonomen. "Es gibt einen wachsenden Vertrauensverlust in die Fähigkeit der Notenbanker, Wachstum zu generieren", konstatiert etwa der Hedgefondsanbieter Man.

Draghi unter Druck

Das Vertrauen in die Geldpolitik bröckelt gleich an mehreren Stellen. In den USA kann sich die Federal Reserve nicht entscheiden, ob sie Zinsen weiter anhebt, niedrig lässt oder vielleicht sogar wieder senkt. Die Bank of Japan stemmt sich immer verzweifelter gegen Deflation und Stagnation. Auch die EZB greift immer tiefer in die geldpolitische Waffenkiste - mit abnehmendem Erfolg.

2012 beendete EZB-Chef Mario Draghi noch mit wenigen Worten und einem geschickt gestrickten, aber nie eingesetzten Rettungsnetz die Spekulationen um Pleiten großer Eurostaaten, was ihm den Spitznamen "Super-Mario" brachte. Mitte 2014 führte die EZB Strafzinsen für Banken ein, außerdem pumpt sie seit einem Jahr 60 Milliarden Euro pro Monat über Anleihekäufe in die Finanzmärkte. Das soll den Euro schwächen, die Kreditvergabe anheizen und so Wirtschaft und Inflation ankurbeln.


Doch trotz der Notmaßnahmen droht die Konjunktur wieder zu kränkeln. Chinas Schwäche schlägt langsam auf Eurostaaten wie Deutschland durch, und die Verbraucherpreise in der Eurozone lagen im Februar 0,2 Prozent niedriger als vor einem Jahr. Das liegt größtenteils am abgestürzten Ölpreis. Bedenklich ist aber, dass die wenigsten Experten erwarten, dass die Teuerungsrate bald auf die Marke von zwei Prozent steigt, bei der die EZB von stabilen Preisen spricht. Statt Inflation herrscht erneut Angst vor einer gefährlichen Spirale aus sinkenden Preisen und Investitionszurückhaltung, die der Wirtschaft schadet und die Draghi eigentlich mit seinen QE genannten Anleihekäufen schon ­beseitigt haben wollte. So wächst der Druck auf die EZB, bei der Sitzung am Donnerstag ordentlich nachzulegen.

Doch wie könnte dieses Nachlegen aussehen? Spekulationen gibt es viele. Zu den wildesten gehört, dass die EZB bald direkt Gelder an Staaten oder EU-Bürger überweisen könnte, um Konsum und Wirtschaft zu stützen. Dieses sogenannte Helikoptergeld sei "keine Option", dementierte EZB-Vize Vítor Constâncio - was übersetzt so viel bedeutet wie: Das ist völliger Blödsinn.

Strafzinsen oder QE-Ausweitung?

Als ausgemacht gilt unter Beobachtern hingegen eine weitere Senkung des "Strafzins" genannten Einlagezinses für Banken von minus 0,3 auf mindestens minus 0,4 Prozent. Auch die Noten­banken in der Schweiz, Schweden und Däne­mark verlangen Gebühren, wenn Banken ihr Geld bei ihnen parken, statt es zu verleihen. Jüngst zogen auch die Japaner nach. Banker wehren sich gegen diese Strafen, da sie die Profite der Geldhäuser schmälern. Auch deshalb stürzten in Japan und Europa unlängst Bankaktien ab. Um die sinkenden Margen zu kompensieren, müssten die Banken höhere Zinsen verlangen, was die gewünschte Kreditvergabe eher bremse als fördere, schimpft zum Beispiel ­Deutsche-Bank-Chef John Cryan. Die EZB könnte dem Rechnung tragen, indem sie von Banken mit sehr hohen Einlagen höhere Strafzinsen verlangt als von solchen mit niedrigeren Einlagen.


Diskutiert wird in der EZB auch eine Ausweitung des QE-Programms. Möglich wäre, die Laufzeit des Programms über März 2017 hinaus zu verlängern oder das monatliche Kaufvolumen zu erhöhen, das derzeit bei 60 Milliarden Euro liegt. Anleger bevorzugen Letzteres. Das sei aber schon aus technischen Gründen schwierig, glauben etwa die Analysten der Commerzbank. Im Moment dürfen maximal 33 Prozent der Anleihen eines Landes durch die Notenbanker gekauft werden. Je mehr Geld die EZB monatlich für ihre Anleihekäufe ausgibt, desto schneller wird diese Grenze erreicht. Eine Anhebung der Obergrenze oder andere Änderungen wie ein neuer Verteilungsschlüssel für die Käufe oder das Hinzuziehen neuer Anlageklassen wie Unternehmensanleihen sind denkbar, aber umstritten.

Überrascht der Magier die Märkte?

Viele Fragen sind also ungeklärt. Was aber klar ist: Die Erwartungen sind hoch. Und wie Anleger reagieren, wenn ihre Erwartungen enttäuscht werden, das konnte Draghi im Dezember er­leben. Nach zahlreichen Hinweisen auf neue Finanzspritzen senkte der geld­politische Rat damals den Einlagezins auf minus 0,3 Prozent und verlängerte das QE-Programm bis März 2017. Viel zu wenig, urteilten die Börsen, die lieber eine Erhöhung des Kaufvolumens ge­sehen hätten. Der DAX stürzte daraufhin ab, und der Euro wertete auf.

Eine erneute Ernüchterung will die EZB vermeiden. Um die Märkte zu beeindrucken, muss Draghi am Donnerstag aber wohl ein Kaninchen aus dem Hut zaubern. Die Spekulationen um ein großes Maßnahmenpaket treiben derzeit die Kurse der Eurozonen-Staatsanleihen, das deutsche Anleihebarometer Bund Future erreichte ein neues Hoch nach dem anderen. Der Euro wertete seit Mitte Februar zum US-Dollar über vier Prozent ab, auch Aktien erholten sich.

Ob die Kursanstiege nachhaltig sind, fragen sich aber selbst hartgesottene Optimisten. Vor allem am Anleihemarkt nimmt die Situation immer absurdere Züge an - und das fast weltweit. An­leger zahlen längst Zinsen, um Staaten wie der Schweiz oder Deutschland Geld leihen zu dürfen. Als auch das hoch verschuldete Japan vor Kurzem Strafzinsen für Banken einführte, kippten dort sogar die Renditen zehnjähriger Staats­papiere ins Negative.

Das erhöht die Bedenken hinsichtlich der Konjunktur und der Stabilität des Finanzsystems. Die Wirtschaft werde irgendwann durch zu niedrige Zinsen nicht mehr angeregt, sondern gebremst, warnt der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters ­Assenagon, Martin Hüfner, der höhere Strafzinsen erwartet: "Je länger der Zustand anhält und je tiefer die Zinsen sinken, umso mehr werden auch an den Märkten negative Nebenwirkungen spürbar."

Investor-Info

EZB-Anleihekäufe
Bereits verlängert

Im Januar 2015 hat die EZB beschlossen, monatlich für 60 Milliarden Euro Anleihen aus der Eurozone zu kaufen. Der größte Teil dieser Summe wandert in Staatsanleihen. Ursprünglich sollte das Programm im September 2016 auslaufen, es wurde aber bereits bis März 2017 verlängert. Insgesamt will die EZB fast 1,5 Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpen. Im Moment hoffen viele Anleger, dass das Programm nochmals verlängert oder das monatliche Kaufvolumen erhöht wird.

Anlagestrategie
Fonds für Langfristanleger

Was verkündet die EZB am Donnerstag? Und wie werden die Märkte es aufnehmen? Langfristanleger müssen sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie sollten derzeit aber eher auf defensive Produkte setzen, die auf lange Sicht von Kurssteigerungen bei Aktien profitieren, dabei jedoch versuchen, Schwankungen und Crashs zumindest etwas abzu­federn. Gut gelingt das dem MSCI Europe Minimum Volatility ETF (ISIN: FR 001 071 376 8) von Amundi, der in als besonders stabil geltende Aktien aus Europa investiert. Er lieferte in den vergangenen fünf Jahren mit 65 Prozent fast die doppelte Rendite wie die im MSCI Europe versammelten Aktien, und das bei geringeren Schwankungen. Wer im deutschen Heimatmarkt bleiben und sowohl in Aktien als auch in Anleihen investieren möchte, findet im Deutsche Aktien Total Return einen spannenden Fonds. Derzeit sind etwa die Hälfte des Portfolios in deutsche Aktien investiert, die oft aus MDAX und SDAX stammen, 30 Prozent stecken in deutschen Wandel- und Unternehmensanleihen, der Rest in Cash und Gold. Mit dieser Strategie war der Mischfonds für deutsche Wertpapiere mit rund 45 Prozent Plus in fünf Jahren besser als der DAX.

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Bildquellen: Jorg Hackemann / Shutterstock.com, miqu77 / Shutterstock.com

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