Immobilien-Fonds: Wie die Motten zum Licht
Die Anbieter haben ihre liebe Not, frisches Geld der Anleger unterzubringen. Viele nehmen deshalb momentan keine Neukunden mehr an.
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von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Für eine Überraschung ist die Branche der Offenen Immobilienfonds immer gut: So hat die Gesellschaft UBS ihren UBS Euroinvest Immobilien wieder geöffnet. Seit Juli 2014 konnten Anleger ihre Anteile nicht mehr zurückgeben, seit Mittwoch ist das wieder möglich. Der Fonds musste damals dichtmachen, weil er nicht alle Ausstiegswilligen auszahlen konnte und es zu einem Liquiditätsengpass kam. Mittlerweile wurden Gebäude im Wert von 790 Millionen Euro verkauft, sodass genügend Geld vorhanden ist, um den Rückgabewünschen nachzukommen.
Liquiditätsengpass - das ist für die Anbieter der aktuell verfügbaren Fonds ein Fremdwort. Viele von ihnen haben ein Problem, das vor einigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte: Sie bekommen zu viel Kapital aufgedrängt. Knapp 4,6 Milliarden Euro sind Offenen Immobilienfonds in den ersten drei Quartalen zugeflossen und wenn man die Anleger gewähren ließe, würde das wohl so weitergehen. Doch die Fondsgesellschaften treten nun vermehrt auf die Bremse und geben keine neuen Anteile aus.
Getrübte Freude
Normalerweise freuen sich Anbieter, wenn ihre Produkte wachsen. Doch hier wird das zum Problem: Frisches Geld muss investiert werden und das ist derzeit nicht problemlos möglich. Die jahrelange Niedrigzinspolitik hat Anleger weltweit in Immobilien getrieben. Andere stabile Anlageformen werfen keine Zinsen mehr ab, Darlehen sind billig und Liquidität ist im Überfluss vorhanden. Das hat die Gebäudepreise in die Höhe geschraubt. Wer jetzt neue Objekte erwirbt, muss sich dringender denn je die Frage stellen, ob der Preis nicht zu hoch ist.Von den 13 Offenen Immobilienfonds für Privatanleger geben sechs aktuell keine neuen Anteile aus: alle drei Produkte von Union Investment, zwei Fonds der Deutschen Bank und der Wertgrund WohnSelect D. Verfügbar sind die drei Fonds der Deka, dazu der grundbesitz global, der hausInvest, der KanAm Leading Cities Invest und der Fokus Wohnen Deutschland.
Die Gesellschaften verfolgen unterschiedliche Strategien, um die Mittelzuflüsse zu steuern. Die Deutsche Bank hat die Ausgabe von Anteilen ausgesetzt, bis die hohe Liquidität in ihren Fonds grundbesitz europa und grundbesitz Fokus Deutschland abgebaut ist. Wann die Produkte wieder öffnen, kann der Anbieter nicht sagen.
Deka und Union Investment stellen den angeschlossenen Sparkassen und genossenschaftlichen Banken Kontingente zur Verfügung, welche die Berater in den Filialen an die Kunden bringen dürfen. Sind diese Kontingente - wie aktuell bei den Union-Investment-Fonds - erschöpft, kann es eine Weile dauern, bis neue verfügbar sind. Auch Union Investment kann keine Termine nennen, wann wieder neue Anteile ausgegeben werden.
Mit einem Cash-Call-Verfahren arbeiten der Wertgrund WohnSelect D, der KanAm Leading Cities Invest und der Fokus Wohnen Deutschland: Wenn sie neue Immobilien kaufen wollen, öffnen sie die Pforten, bis genügend Geld eingesammelt wurde. Derzeit befinden sich die beiden letztgenannten Produkte in einer solchen Phase.
Der hausInvest hat bisher auf besondere Konzepte zur Steuerung von Mittelzuflüssen verzichtet. Er schützt sich vor hohen Zuflüssen, indem er keine größeren Beträge annimmt. "Außerdem sind wir 2016 erstmals ohne Anreize für den Vertrieb des Fonds unterwegs", sagt Andreas Muschter, Chef der Commerz Real.
Berechtigtes Interesse?
Bei der Frage, ob der Ansturm auf die Fonds gerechtfertigt ist, scheiden sich die Geister. Wenn alles gut läuft, erwirtschaften die Produkte Renditen von meist zwei bis drei Prozent. Manchen ist das zu wenig angesichts zweier drohender Gefahren: Auf der einen Seite würde eine anhaltende Abwertung auf den Immobilienmärkten den Anteilswert belasten - was angesichts der in den vergangenen Jahren deutlich gestiegenen Preise nicht überraschen würde. Auf der anderen Seite kann im Falle einer neuen Finanzkrise nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass erneut einige Produkte in Schieflage geraten.Der zweiten Sorge treten die Befürworter Offener Immobilienfonds mit dem Hinweis auf die geänderten Regeln für die Produkte entgegen. Seit Juli 2013 müssen neue Anleger ihre Anteile mindestens zwei Jahre halten, hinzu kommt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. So soll verhindert werden, dass überraschend viele Anleger zugleich ihr Geld aus den Fonds abziehen.
Die zuletzt hohen Zuflüsse in die Fondsklassiker haben deshalb auch ihr Gutes: Sie erhöhen den Anteil der Anleger, die unter die neuen Regeln fallen. Die bisherigen Anleger, denen es noch immer erlaubt ist, bis zu 30.000 Euro pro Halbjahr zurückzufordern, geraten zunehmend in die Minderheit. "Jeder neue Euro dient der Stabilität des Produkts", sagt Muschter.
Zudem verweisen die Fans Offener Immobilienfonds auf den stabilen Wertzuwachs der vergangenen Jahre. Zwei bis drei Prozent mit kaum merklichen Schwankungen sind angesichts der Nullzinsen von Tagesgeld und Co vor allem für konservative Anleger verlockend.
Clever kaufen
Investoren, die in Offene Immobilienfonds einsteigen möchten, können bei der Produktauswahl nicht viel falsch machen. Allen untersuchten Fonds bescheinigen die Ratingagenturen Scope und Feri eine hohe bis sehr hohe Qualität. Wer Anteile kaufen will, sollte sich bemühen, den Ausgabeaufschlag zu reduzieren. Das gelingt über Rabattaktionen bei Direktbanken und Fondsdiscountern oder über den Kauf an der Börse. Alle Immobilienfonds - auch die derzeit geschlossenen - können dort ohne Ausgabeaufschlag gehandelt werden.Anleger müssen aber aufpassen, dass sie sich das Agio nicht durch die Hintertür ins Haus holen: Gelegentlich beträgt der Abstand zwischen Börsenkurs und Anteilswert der Fondsgesellschaft mehrere Prozent. Käufer sollten deshalb mit Limits arbeiten und ein paar Tage Geduld mitbringen, bis ihre Order ausgeführt wird.
Investor-Info
Immobilienfonds
Funktionsweise und Arten
Wem Geld oder Zeit fehlen, um selbst eine Immobilie zu kaufen, der kann das Anlagesegment über Fonds aufgreifen. Das gängigste Produkt für indirekte Betongoldinvestments sind Offene Immobilienfonds. Ihnen gehören zahlreiche Gebäude, vor allem Bürohäuser und Einkaufszentren, aber auch Hotels und Lagerhallen. Die Vermietung sorgt für regelmäßige Erträge. Der Wert der Gebäude wird von Gutachtern bestimmt und schwankt daher im Regelfall kaum. Ein Anteil kostet meist weniger als 100 Euro. Neu gekaufte Anteile müssen mindestens zwei Jahre gehalten werden, zudem gilt eine einjährige Kündigungsfrist. Geschlossene Immobilienfonds erwerben dagegen nur wenige Gebäude. Anleger müssen mehrere Tausend Euro mitbringen und sind für viele Jahre als Mitunternehmer an die Beteiligung gebunden. Immobilienaktienfonds kaufen Aktien börsennotierter Unternehmen, die als Halter oder Händler von Immobilien Geld verdienen.
UniImmo: Deutschland
Ausgewogen verteilt
Von den Ratingagenturen Scope und Feri erhält der UniImmo: Deutschland Spitzenbewertungen. Pluspunkte sind die geringe Verschuldung und die ausgewogene Verteilung der Nutzungsarten. Zudem sind seine Gebäude vollständig vermietet. Schwerpunkt ist Deutschland, Objekte aus dem übrigen Europa werden beigemischt. Momentan ist der Fonds nur über die Börse erhältlich.
grundbesitz europa
Langfristig vermietet
Auch der grundbesitz europa wird von den Ratingagenturen bestens bewertet. Besonders positiv fallen die langfristigen Mietverträge und die hohe Qualität der Immobilien und Standorte auf. Mehr als die Hälfte des Vermögens steckt in Bürogebäuden, doch der Anteil an Einzelhandelsobjekten soll wachsen. Der Fonds kann zurzeit ebenfalls nur über die Börse gekauft werden.Weitere News
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