Gold lief 2014 deutlich besser als der DAX
Die Rohstoffexperten Folker Hellmeyer und Ronald Stöferle äußern sich im Interview zu Öl, Minenaktien, Gold und Silber.
von Benjamin Summa
Der wichtigste Energierohstoff der Welt ist innerhalb von sechs Monaten um 45 Prozent gefallen. Die einen sehen darin einen Stimulus für die Weltwirtschaft. Viele Anleger sorgen sich jedoch um die Konjunktur, denn die niedrigen Ölpreise werden als Vorboten schlechterer Wirtschaftsdaten interpretiert. Welche Lesart haben Sie und wie wird sich der Ölpreis aus Ihrer Sicht im kommenden Jahr entwickeln?
Folker Hellmeyer: Ich halte die Interpretation, dass die fallenden Ölpreise Ausdruck dessen sind, dass wir global in eine konjunkturelle Baisse eintreten, für absolut unzulässig. Der Mangel an ökonomischer Aktivität ist nicht der Grund für die Talfahrt beim Öl. Es gibt drei andere Einflussgrößen: Zum einen sehen wir eine deutliche Hinwendung zu alternativen Energien, fossile Brennstoffträger werden also durch alternative Energien ersetzt. Zweitens haben wir durch Fracking und durch neue Funde weltweit eine ganz andere Wahrnehmung zukünftiger Angebotsflüsse - das Thema peak oil ist vom Tisch. Die dritte Einflussgröße ist die geopolitische Auseinandersetzung mit Russland. Um die operativen Kosten beim Fracking zu decken, wird ein Preis von 75 Dollar benötigt. Die OPEC-Länder kommen mit Preisen unter 40 Dollar klar. Russland benötigt bis zu 45 Dollar, um kostendeckend zu arbeiten. Wir werden uns demzufolge in einer Kernbandbreite zwischen 60 und 80 Dollar für die Marke Brent im kommenden Jahr bewegen. Damit wird auch wieder eine Stabilisierung Russlands einhergehen.
Ronald Stöferle: Generell fallen seit Sommer praktisch alle Commodities, egal, ob Agrarrohstoffe, Industriemetalle, Edelmetalle und natürlich auch die Ölnotierungen. Gleichzeitig sehen wir einen enorm festen Dollar, sinkende Inflationserwartungen und konjunkturell schwächelnde Emerging Markets, geldpolitische Verzweiflungsakte in Japan und weiterhin ein schwaches Europa. Dies sind klare Indizien für die enormen disinflationären Kräfte, die wir derzeit beobachten können. Im Moment scheint die "deflationäre monetäre Platte" ganz klar das Rennen der monetären Tektonik zu gewinnen. Eine Preisdeflation kann in unserem überschuldeten System jedoch nicht dauerhaft zugelassen werden. Daher werden Maßnahmen getroffen, die die Teuerungsraten brachial nach oben treiben sollen. Sobald wir hier neue Maßnahmen seitens der Notenbanken sehen, denke ich, dass der Abwärtstrend des Ölpreises beendet sein wird. Aktuell ins fallende Messer zu greifen ist jedoch wenig empfehlenswert.
Die USA werden zum großen Energieexporteur, dem Fracking-Boom sei Dank. Der Dollar wird vor diesem Hintergrund immer stärker. Um bis zu 40 Prozent hat er seit seinem Tiefststand im April 2011 gegenüber anderen wichtigen Währungen im Schnitt zugelegt. Die Währungen der ölexportierenden Länder wie Russland wurden hingegen stark abgewertet. Welche Auswirkungen werden solche Ungleichgewichte aus Ihrer Sicht haben und welche Entwicklungen erwarten Sie bei den Hauptwährungen?
Folker Hellmeyer: Ich gehe davon aus, dass wir bei den Hauptwährungen in überschaubaren Bandbreiten laufen. Wenn wir eines gelernt haben in der Krise, dann doch, dass es sich hier um systemisch relevante Finanzmärkte handelt, die durchaus kontrolliert sind. Der US-Dollar wird 2015 stabil bis leicht freundlich tendieren. Wir sehen in unserem Basisszenario aber auch nicht viel Raum für den Euro auf der Unterseite. Die Euro-Basis sehen wir bei 1,16 bis 1,18 Dollar und oben sind wir gedeckelt bei 1,32 Dollar. Die EZB und die Länder der Eurozone haben kein Interesse daran, den Euro zu stark aufzuwerten. Beim Yen liegt die große Abwertungsphase gegenüber dem Dollar aus meiner Sicht hinter uns. Ich rechne mit einer Bandbreite zwischen 115 und 125 Yen. Das britische Pfund sehe ich unter leichtem Abgabedruck - auch vor dem Hintergrund der Diskussionen rund um einen möglichen EU-Austritt des Landes.
Den Rubel erwarte ich übrigens wieder stabiler. Es ist schon unerhört, was sich die Märkte unter fundamentalen Gesichtspunkten bei der russischen Währung erlaubt haben. Wir haben im laufenden Jahr in Russland trotz der maladen Konjunktursituation einen Haushaltsüberschuss in der Größenordnung von einem Prozent der Wirtschaftsleistung - in den USA haben wir ein Minus von 5,5 Prozent. Russland hat Devisenreserven von mehr als 400 Milliarden Dollar - die USA haben gerade mal 120 Milliarden Dollar. Auch jetzt hat Russland noch Handelsüberschüsse von 12 Milliarden Dollar gegenüber minus 43 Milliarden Dollar in den USA. Vor dem Hintergrund der aktuell verfügbaren Daten muss ich also konstatieren, dass das alles kein Drama für Russland ist. Ich sehe große Chancen für Investments in Russland.
Ronald Stöferle: Aufgrund der Fragilität des Systems besteht im Zuge der erwähnten deflationären Symptome definitiv Crash-Potenzial. Die CDS - also die Kreditversicherungsprämien - für Venezuela, Russland etc. sind bereits massiv angestiegen. Auch zahlreiche Emerging-Market-Währungen haben durch diese jüngsten Turbulenzen heftig reagiert. Der brasilianische Real handelt auf dem tiefsten Stand gegenüber dem Dollar seit 10 Jahren, die indonesische Rupie auf einem 16-Jahres-Tief und der südafrikanische Rand gar auf einem Allzeittief zum Dollar.
Nachdem ein Großteil des Fracking-Booms in den USA durch die Ausgabe von Junk-Anleihen finanziert wurde, wird der Ölpreiseinbruch auch massiv negative Auswirkungen auf den High-Yield-Markt haben, ein weiteres anschauliches Beispiel für einen klassischen Boom/Bust-Zyklus gemäß der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Allerdings sind wir - entgegen dem Konsens - nicht der Meinung, dass der Dollar im kommenden Jahr gegenüber dem Euro stark aufwerten wird. Ich denke, dass die Zinserhöhung in den USA, mit der die Marktteilnehmer im Moment rechnen, infolge der Disinflation sukzessive ausgepreist wird. So fielen die US-Inflationserwartungen zuletzt auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Fed in diesem disinflationären Umfeld die Zinsen erhöhen wird. Dies könnte eine positive Überraschung des Euros gegen den Dollar einläuten.
Überall auf der Welt schwelen geopolitische Krisen, und die Staatsschuldenkrise ist alles andere als gelöst - das traditionelle Kriseninvestment Gold kommt dennoch seit eineinhalb Jahren nicht vom Fleck. Hat das Edelmetall seinen Nimbus als Krisenmetall verloren?
Ronald Stöferle: Den Nimbus als Krisenmetall hat Gold sicherlich nicht verloren. Man sehe sich beispielsweise den Goldpreis im russischen Rubel oder im japanischen Yen an. Wir haben hier zuletzt neue Allzeithochs notiert. Hier hat sich eindrucksvoll bewiesen, dass Gold die Kaufkraft für die lokale Bevölkerung sichern kann.
Zudem sollte man sich vor Augen halten, dass der Goldpreis in Euro seit Jahresbeginn knapp 10 Prozent im Plus liegt - also besser als der DAX. Meiner Meinung nicht gerade eine schlechte Entwicklung. Auch auf Dollarbasis war allen Unkenrufen zum Trotz die Entwicklung nicht so tragisch.
Wenn ich mir eine einzige Kennzahl für die Goldpreisprognose aussuchen müsste, so wäre es sicherlich die Inflationstendenz. Ich habe in unseren Studien stets betont, dass Disinflation - also rückläufige Preisinflation im positiven Terrain - das denkbar schlechteste Umfeld für den Goldpreis darstellt. Nachdem auch die Realzinsen im Zuge dessen angestiegen sind, ist es naheliegend, dass der Goldpreis auf dieses widrige Umfeld schwach reagieren würde. Deshalb haben wir das Incrementum Inflationssignal entwickelt, das uns möglichst präzise die generelle Inflationstendenz anzeigt. Dabei vertrauen wir auf Marktdaten und nicht auf Inflationsstatistiken basierend auf Warenkörben, welche von Bürokraten schön gerechnet werden. Konkret sehen wir seit August Disinflation und sind in unserem Fonds deshalb im Moment auch nicht in inflationssensitiven Anlageklassen wie z. B. Minen, Energietitel und Rohstoffe investiert. Dies hat uns viel Ärger und Kursverluste erspart und wir freuen uns schon, wenn das Signal wieder dreht, weil wir auf den deutlich niedrigeren Preisniveaus hervorragende Einstiegsopportunitäten sehen.
Folker Hellmeyer: Meiner Meinung nach will man aufseiten der westlichen Finanzmärkte erreichen, dass die Edelmetalle nicht mehr als Krisenbarometer wahrgenommen werden. Das konnte man auch zu Hochzeiten der Finanzkrise beobachten - damals fiel der Goldkurs von etwas über 1.000 Dollar auf 600 Dollar. Der Nimbus wurde damals bereits angegriffen.
Aber an meiner Sichtweise hat sich überhaupt nichts verändert. Ich bleibe absolut bullish für Edelmetalle. In den kommenden zwei bis drei Jahren erwarte ich einen Anstieg, der auch über die historischen Höchstkurse hinausgehen wird. Gold und Silber gehören in jedes Depot, weil die Metalle einfach klasse Track-Records von über 5000 Jahren haben. Die Preisbewegung nach unten wurde über Papiergold organisiert, langfristig wird sich hier aber die physische Ware durchsetzen.
Die Emerging Markets, und hier insbesondere China und Indien, sind die treibenden Faktoren auf der Nachfrageseite. Welche Bedeutung wird der Goldhunger der Asiaten künftig für die Kurse haben?
Folker Hellmeyer: Eine Tendenz spricht mittel- bis langfristig massiv für Edelmetalle: Laut dem letzten IWF-Bericht haben die aufstrebenden Länder - u. a. die Shanghai Corporation - einen Anteil an der Weltwirtschaft von 56 Prozent und 85 Prozent an der Weltbevölkerung. Russland, Indien und China bauen kontinuierlich ihre physischen Goldbestände auf. Wer glaubt denn ernsthaft, dass 44 Prozent der Weltwirtschaft und knapp 15 Prozent der Weltbevölkerung mit ihren Manipulationen auf den Papiermärkten dauerhaft erfolgreich sein werden? Mittel- bis langfristig heißt das, dass die Edelmetallpreise sehr viel höher notieren werden, als wir uns das heute überhaupt vorstellen können.
Ronald Stöferle: Die langjährige Historie eines instabilen Geldwesens und der damit verbundene Kaufkraftverlust sind - abgesehen von kulturellen und religiösen Aspekten - die ausschlaggebenden Faktoren für die ausgeprägte Goldaffinität der Schwellenländer. Zudem gibt es oftmals einen Mangel an Anlagealternativen. In Indien genießt das Edelmetall traditionsbedingt seit vielen Jahrhunderten einen enorm hohen Stellenwert, kein anderes Land hat ein solches Faible für Gold, weshalb es in Indien beispielsweise auch 21 verschiedene Wörter für "Gold" gibt. Die Kaufmotivation entsteht hierbei also nicht aus der Angst, sondern in erster Linie aus der Affinität zum Metall heraus und wird daher häufig auch als "Love Trade" bezeichnet.
Wesentliche Faktoren sind hier der steigende Wohlstand und die sukzessive wachsende Sparquote innerhalb der Schwellenländer. In China stieg die Sparquote von 40 Prozent in den 90er-Jahren auf 50 Prozent im Jahr 2012. In Indien stieg sie im gleichen Zeitraum von 22,4 Prozent auf 33 Prozent. Laut Studien stiegen die Gesamtersparnisse in dieser Zeit von 557 Milliarden Dollar auf 3.800 Milliarden in 2013. Insofern ist es kaum verwunderlich, dass mittlerweile China und Indien die mit Abstand wichtigsten Goldkonsumenten sind. Die hohe traditionelle Goldaffinität und der steigende Wohlstand werden die Nachfrage unserer Meinung nach auch zukünftig unterstützen.
Derzeit spielt der Silberpreis verrückt: Kürzlich ging er auf fast 14 US-Dollar runter, das war das niedrigste Niveau seit Mitte 2009. Anschließend schoss er dann wieder rasant nach oben. Welche Erklärung haben Sie für diese Kurskapriolen?
Ronald Stöferle: Silber spielt bei unserem Investmentprozess eine wichtige Rolle. Über das relative Preisverhältnis von Gold zu Silber, der Gold-Silber-Ratio, lassen sich interessante Erkenntnisse gewinnen. Der ökonomische Hintergrund ist plausibel: Silber hat einen Hybridcharakter mit einerseits monetären Eigenschaften und andererseits industrieller Nachfrage. Zudem wird es auch häufig in frühzyklischen Sektoren verwendet, sodass es verlässliche "Konjunkturdiagnosen" liefern kann und akkurat steigende Inflationstendenzen signalisiert. Die industrielle Verwendung von Gold ist hingegen recht gering, die Nachfrage ist in erster Linie monetärer Natur. Insofern kann man das Gold-Silber-Ratio auch als Deflations-Reflations-Verhältnis bezeichnen.
Im Moment befindet sich das Verhältnis weiterhin in einem Aufwärtstrend, d. h., die relative Schwäche von Silber hält an. Gemäß unserer statistischen Auswertungen ist ein nachhaltiger Goldpreisanstieg bei einer gleichzeitig steigenden Gold-Silber-Ratio sehr unwahrscheinlich. Die aktuelle Situation bei der Gold-Silber-Ratio beobachten wir deshalb gerade besonders aufmerksam: Sobald sich ein Abwärtstrend der Ratio abzeichnet, dürften inflationssensitive Assetklassen generell wieder besser performen.
Folker Hellmeyer: Ich habe keine sinnvollen Erklärungen, außer die, dass diese Kursbewegungen nichts mit dem physischen Silbermarkt zu tun haben, sondern mit den Papiermärkten. Fakt ist beim Silber, dass Zentralbanken keine großen Silberreserven halten, und Fakt ist auch, dass wir im Hinblick auf den Silberverbrauch in Defizitlagen treten werden - die Rede ist von 18 Millionen Unzen. Silber wird immer volatiler sein als Gold, am Ende wird es aus meiner Sicht aber Gold deutlich outperformen. Ich betrachte den momentanen Kurs als klare Kaufgelegenheit - nicht für Spekulanten, aber für Investoren.
Minenunternehmen haben zuletzt mit starken Gewinnen und geringeren Förderkosten auf sich aufmerksam gemacht. Würden Sie schon von einer echten Trendwende bei den Minenaktien sprechen?
Folker Hellmeyer: Ich bin in Bezug auf Minenaktien grundsätzlich optimistisch. Ich glaube, dass dieser Markt sehr stark ausgebombt worden ist. Natürlich geht es um Unternehmensrisiken, die Erholung der Werte muss nicht immer eins zu eins mit den Edelmetallkursen einhergehen. Aber die Preise sind attraktiv - die Minen liegen jetzt auf dem Niveau vom Anfang des Jahrtausends, damals hatten wir aber viel niedrigere Edelmetallpreise.
Ronald Stöferle: Wenn es nach meinem Bauchgefühl geht, hätte ich den Tiefpunkt der Minenaktien im vergangenen Jahr schon einige Male vermutet. Wir sind überzeugt, dass eine Umkehr der Inflationstendenz nötig ist, bevor die Kurse in diesem Bereich wieder nachhaltig ansteigen können. Dies ist allerdings noch nicht der Fall.
Generell bin ich der festen Überzeugung, dass Minenaktien "top down" getrieben sind und aktiv verwaltet werden müssen. Was nützen mir der tollste Erzkörper und das beste Management, wenn aufgrund der disinflationären Kräfte der Goldpreis um 30 Prozent korrigiert und die Goldaktien um 70 Prozent verlieren?
Das jetzige Kursniveau der Minenaktien ist sicherlich historisch günstig: Der älteste verfügbare Goldindex, der Barrons Gold Mining Index notiert derzeit relativ zu Gold auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 70 Jahren. Zudem gibt es derzeit keinen Sektor, dem seitens der Investoren größere Skepsis entgegengebracht wird.
Kurzvitae:
Folker Hellmeyer
Ronald Stöferle ist Managing Partner und Fondsmanager der Incrementum AG. Er verwaltet den ersten Investmentfonds, der auf den Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie beruht. Zuvor war er sieben Jahre lang im Research-Team der Erste Group in Wien. Bereits 2006 begann er seine jährlich erscheinenden "In GOLD we TRUST" Studien zu veröffentlichen. Kürzlich hat er das Buch "Österreichische Schule für Anleger - Austrian Investing zwischen Inflation und Deflation" veröffentlicht.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München.
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Bildquellen: Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, ErsteGroup