Das Bürgergeld kommt: Lohnt es sich noch arbeiten zu gehen?
Am 1. Januar 2023 startet das neue Bürgergeld. Kritiker befürchten, dass sich dadurch Arbeit nicht mehr lohnen wird.
Was ist das Bürgergeld?
Ab dem kommenden Jahr wird das Hartz-IV-System durch das neue Bürgergeld abgelöst. Dieses soll laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in zwei Stufen eingeführt werden, einmal zum 1. Januar 2023, bis es dann am 1. Juli 2023 endgültig in Kraft tritt.
Neue Chancen, mehr Schutz: Ab 1. Januar 2023 kommt das #Bürgergeld - und bringt deutliche Verbesserungen für Arbeitsuchende. ⬇️
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick: https://t.co/hTqouR03rE pic.twitter.com/m31ANpaBBJ- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (@BMAS_Bund) December 7, 2022
Das Bürgergeld stelle eine sozialpolitische Reform dar, so der "Verein Für soziales Leben e.V.", und soll Schwächen des bisherigen Hartz-IV-Systems beheben. Menschen sollen durch das Bürgergeld die Möglichkeit bekommen, sich mehr auf Qualifizierung, Weiterbildung und die Arbeitssuche zu fokussieren. Damit einher gehen höhere Zahlungssätze und auch ein unbürokratischerer Zugang zur Antragsstellung. Die Antragsstellung soll nämlich, laut Bundesministerium, digital zugänglich gemacht werden. Der "Verein Für soziales Leben e.V." betont, dass es sich bei dem Bürgergeld nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen handele, da die Zahlung an gewisse Bedingungen geknüpft sei, vor allem der Punkt der Bedürftigkeit spiele eine wichtige Rolle. Kritiker befürchten allerdings genau das Gegenteil, nämlich dass mehr Leute Zugang zu staatlichen Hilfen bekommen, auch wenn sie diese nicht nötig hätten.
Viel Kritik von der Opposition
Vor allem seitens der Opposition kam viel Kritik am Bürgergeld auf. Leistung müsse sich lohnen, twitterte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder.
Das #Bürgergeld der #Ampel ist ein vollkommen falsches Signal. Es ist sozial ungerecht und benachteiligt diejenigen, die hart arbeiten. Für uns ist klar: Leistung muss sich lohnen! pic.twitter.com/hxCX09Dz1u
- Markus Söder (@Markus_Soeder) October 31, 2022
Es war besonders die CDU, die Gerhard Schröders Agenda von 2010 verletzt sah. Die Agenda verteidigt das Prinzip des "Fördern und Fordern", das bedeutet, dass der Sozialstaat zwar Hilfsbedürftige unterstützt, von ihnen aber auch eine Mitwirkungspflicht verlangt, schreibt BR24. Ein weiterer großer Streitpunkt der Union war zudem das Schonvermögen, welches bei einer vierköpfigen Familie bis zu 150.000 Euro betragen hätte, schreibt die CDU auf ihrer Webseite. Die Ampelkoalition und die Union haben sich im Endeffekt darauf geeinigt, die Vermögensgrenze zu senken. Trotzdem kursieren im Internet noch viele Beispielrechnungen, dafür, dass das Bürgergeld Anreiz geben könnte, nicht arbeiten zu gehen.
Lohnt sich Arbeit noch?
Vor allem im konservativen Spektrum wird immer wieder auf Italien verwiesen, wo das Bürgergeld nun bereits wieder abgeschafft werden soll, berichtet die tagesschau. Das sogenannte "reddito di cittadinanza" wurde 2019 unter dem Ministerpräsidenten Giuseppe Conte eingeführt und soll jetzt im Rahmen eines neuen Haushaltsgesetzes für das Jahr 2023 abgeschafft werden. Der Gesetzesentwurf muss allerdings noch vom Parlament bestätigt werden. Die Abschaffung des "reddito di cittadinanza" war eines der Wahlversprechen von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. In Italien betrug die durchschnittliche Hilfszahlung 780 Euro für Singles und 1.280 Euro für Familien, berichtet die Berliner Morgenpost in Berufung auf Zahlen der OECD. Die durchschnittliche Sozialleistung in Deutschland hingegen beträgt für Singles 858 Euro und für Familien 1.714 Euro. Die Berliner Morgenpost verweist darauf, dass hierbei noch mit Daten aus dem Hartz-IV-System gerechnet wurde, durch die erhöhten Hilfsgelder beim Bürgergeld, dürfte sich dies also noch etwas erhöhen. Lohnt sich Arbeit also wirklich nicht mehr?
Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen, erklärte, dass ein Alleinverdiener mit einem Bruttolohn von 2.500 Euro nach Inkrafttreten des Bürgergelds weniger verdiene als ein Arbeitsloser mit Bürgergeld, berichtete der MDR. Oftmals werden dabei allerdings staatliche Leistungen nicht mit einberechnet, die Arbeitnehmern aus dem Niedriglohnsektor zustehen. Dazu gehören Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschläge, Unterhaltsleistungen oder Freibeträge, bringt Focus Online die Aussagen in Relation. Solche Berechnungen lassen sich meist nur in individuellen Fällen vergleichen, denn ob staatliche Leistungen gezahlt werden, hängt von konkreten Faktoren wie Größe und Kosten der Wohnung ab, ebenso spielen der Wohnort und die Anzahl der Familienmitglieder eine Rolle. Man könne grundsätzlich also nicht mit Sicherheit sagen, dass arbeitenden Menschen mehr Geld zur Verfügung stünde als Bürgergeldempfängern, so Focus Online.
Ein weiteres Argument von Bürgergeldkritikern ist, dass Bürgergeldempfänger die Stromkosten vom Amt bezahlt bekommen. Betrachte man die aktuellen Strompreise, würden Arbeitnehmer dementsprechend benachteiligt. Verena Bentele vom Sozialverband VdK erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass das Problem jedoch bei den Löhnen liege und nicht beim Bürgergeld. In Branchen, in denen ein zu geringer Abstand zwischen Bürgergeld und Gehalt liege, müsse "dringend nachgebessert werden."
Statista berichtet unter Berufung auf Aussagen des VdK, dass hohe Sozialleistungen trotz geringer Arbeitslosigkeit ein Hinweis auf viele schlecht bezahlte Jobs seien. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände warne zudem bereits, dass Deutschland sich keinen weiteren Ausbau des Sozialstaats leisten könne. Statista zeigt, dass das Sozialbudget Deutschlands im Jahr 2019 bereits die Billionen-Grenze geknackt hat. Das Sozialbudget lag in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahre 2019 bei knapp über 30 Prozent. Der Sozialstaat wächst somit stärker als die Wirtschaft, so Statista.
Redaktion finanzen.net
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