Verbraucherschutz-Interview

Unlautere Gebühren: Notfalls klagen wir

18.06.13 17:00 Uhr

Verbraucherschützerin Annabel Oelmann fordert, dass Fondsgesellschaften geringere und transparentere Gebühren erheben.

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von A. Zehbe und A. Höß, Euro am Sonntag

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat Deka und Union Investment abgemahnt. Der Vorwurf: Die Fondshäuser der Sparkassen und der Volks- und Raiffeisenbanken erheben bei einigen ihrer Produkte unlautere Gebühren.

€uro am Sonntag: Frau Oelmann, Sie haben den Fondsgesellschaften Deka und Union Investment Abmahnungen geschickt. Was kritisieren Sie?
Annabel Oelmann:
Wir kritisieren vor allem die erfolgsabhängigen Prämien, die diese Gesellschaften erheben — die sogenannten Performance Fees. Die Bedingungen, an die diese Prämien geknüpft sind, sind oft unklar. So profitiert die Investmentgesellschaft über die Erfolgsprämie zum Beispiel auch dann, wenn der Fonds Verluste gemacht hat, diese aber geringer waren als die Verluste eines Vergleichs­index. Ist zum Beispiel der DAX zehn Prozent im Minus, der Fonds jedoch nur sechs Prozent, lässt sich das die Investmentgesellschaft vergüten.

Fondshäuser argumentieren oft, die Erfolgsprämien würden den Anreiz für Fondsmanager erhöhen, eine möglichst gute Leistung abzuliefern. Davon würden am Ende auch die Anleger profitieren. Wie ­sehen Sie das?
Aus unserer Sicht ist eine Erfolgsgebühr überflüssig. Es ist eine zusätzliche Gebühr, die im Zweifel die Rendite des Verbrauchers schmälert. Ein Fondsmanager sollte per se ein Interesse daran haben, eine bessere Wertentwicklung als der Index zu erreichen. Wenn das nicht das Ziel ist, wären für den Verbraucher ETFs die kostengünstigere Wahl.

Wie wollen Sie gegen diese Gebühren vorgehen?
Wir haben von Deka und Union Investment eine Unterlassungserklärung gefordert. Geben sie diese nicht ab, reichen wir Klage ein.

Haben sich die Fondsgesellschaften schon zu den Vorwürfen geäußert?
Nein, bisher noch nicht.

Wo sehen Sie den juristischen Angriffspunkt?
Die betreffenden Klauseln in den Geschäftsbedingungen sind oft für den Durchschnittskunden schwer zu verstehen oder sogar unverständlich. Hier können wir ansetzen. Laut Paragraf 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches müssen die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar wie möglich formuliert werden. Wir sind der Meinung, dass die betroffenen Klauseln dieses Transparenzgebot nicht erfüllen.

Geht es nur um die Fonds der beiden Gesellschaften?
Laut Schätzungen des BVI erhebt jeder vierte deutsche Investmentfonds Performance Fees. Es handelt sich dabei um ein Fondsvermögen von rund 60 Milliarden Euro. Wir haben zahlreiche Beschwerden von Verbrauchern vorliegen und deshalb vor zwei Jahren die Kosten vieler volumenstarker Fonds ausgewertet. Dabei haben wir mehr als 60 verschiedene Gebührenarten gefunden. Es stehen also nicht nur andere Häuser, sondern auch andere Kosten auf dem Prüfstand. Vor Landgerichten haben wir schon mehrere Verfahren gewonnen, zum Beispiel gegen Kosten für Verkaufsprospekte und Jahresberichte.

In Deutschland sind die Gebühren für Fonds zuletzt gestiegen, in anderen Ländern dagegen leicht gesunken: Wie erklären Sie sich das?
Wir befürchten, dass durch Zusatzgebühren die gesunkenen Einnahmen aufgefangen werden sollen. Die Verkaufszahlen sind bei den aktiv gemanagten Fonds zurückgegangen. Zudem landen Ausgabeaufschläge und Verwaltungsgebühren oft beim Vertrieb und nicht bei der Fondsgesellschaft.

Haben Anleger bei Erfolg Ihrer Klage Chancen, zu Unrecht gezahlte Gebühren zurückzubekommen?
Wenn wir ein höchstrichterliches Urteil wegen intransparenter Klauseln erzielen, dann können Verbraucher zu Unrecht gezahlte Gebühren zurückfordern, solange noch keine Verjährung eingetreten ist. Bis wir hierzu jedoch eine höchstrichterliche Entscheidung haben, werden Jahre vergehen.

Müssen Anleger jetzt schon ­Einspruch einlegen, um eine Verjährung zu verhindern?
Sie können die von uns abgemahnten Anbieter anschreiben und sie bitten, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Das ist der kostengünstigste und einfachste Weg, der allerdings auf die Kulanz der Anbieter setzt. Ansonsten wird die Verjährung unter anderem dadurch gehemmt, dass eine Klage eingereicht oder eine Schlichtungsstelle angerufen wird.

Ab Juli gelten neue Regelungen für die Performance Fees. Was sind die nennenswertesten Änderungen?
Der wichtigste Punkt ist die verbindliche Einführung eines Verlustvortrags bei der Performance Fee. Der Verlustvortrag muss fünf Jahre berücksichtigt werden. Erst danach darf die Gebühr erneut berechnet werden. Bisher durften Fondsmanager Anlegern die Performance Fee jedes Jahr aufs Neue in Rechnung stellen, unabhängig davon, ob der Fonds zuvor gut, unterdurchschnittlich oder schlecht gelaufen ist. Positiv zu bewerten ist außerdem, dass deutsche Fonds künftig ihre Performance Fee erst nach Abzug der jährlichen Fixkosten berechnen dürfen.

Wo muss die Bafin bei den Änderungen Ihrer Meinung nach noch nachbessern?
Der Verlustvortrag sollte nicht auf fünf Jahre begrenzt werden. Die bestehende Praxis, dass Erfolgsgebühren willkürlich festgelegt und Klauseln uneinheitlich gestaltet werden, wird seitens der Aufsicht leider überhaupt nicht geregelt. Nicht erfasst von den Änderungen ist außerdem die Möglichkeit der Anbieter, auch bei einer negativen Performance eine Erfolgsgebühr erheben zu dürfen. Fondsgesellschaften können also auch dann immer noch Erfolgsgebühren verlangen, wenn sie Verluste gemacht haben. Außerdem ist die neue Regelung auf deutsche Fonds begrenzt.

Man kann sie also umgehen, indem man die Fonds im Ausland auflegt?
Diese Begrenzung auf Deutschland finden wir problematisch. Wir werden sehen, ob deutsche Fondsgesellschaften künftig Fonds mit Performance Fees nur noch im Ausland auflegen werden.

Gelten die neuen Regeln auch für Fondsanteile, die Anleger bereits im Depot haben oder nur für jene, die sie in Zukunft kaufen?
Sie gelten für die Performance Fee deutscher Fonds — unserem Verständnis nach auch für Fonds, die sich bereits im Depot der Verbraucher befinden.

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Fondsgebühren
Wie teuer ist mein Fonds?

Mehr als 60 verschiedene Gebühren hat die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen entdeckt, als sie die Flaggschiffe der deutschen Fondsgesellschaften durchleuchtet hat. Relativ transparent sind etwa die Verwaltungsgebühr oder der Ausgabeaufschlag, der beim Kauf eines Fonds berechnet wird. Andere Gebühren verstecken sich dagegen oft im Kleingedruckten oder hinter schwer verständlichen Klauseln. Einen Orientierungspunkt bietet die TER (Total Expense Ratio), in die zum Beispiel Depotgebühren mit einfließen. Doch auch dort werden etwa Transaktionsgebühren und erfolgsabhängige Gebühren nicht erfasst. Die Verbraucherzentrale NRW bietet deshalb im Internet einen Rechner an, mit dem Fondsgebühren ermittelt werden.

Performance Fee light
Ab Juli gelten neue Regeln

Laut Verbraucherschützern können Fondshäuser trotz neuer Bafin-Regeln immer noch Verluste mit Erfolgsgebühren belegen. Allerdings soll das nur noch möglich sein, wenn dies im Prospekt ausdrücklich ausgewiesen ist. Grundlage für die Performance Fee ist dann nicht ein absoluter Gewinn, sondern das „Besser als der Index“. Die gängige Praxis der Fondsgesellschaften, im Absturz keine Zusatzgebühren zu erheben, in der Aufholjagd dafür sofort zuzuschlagen, wird dagegen mit einem fünfjährigen Verlustvortrag ausgehebelt.

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