Schwellenländer: Hier wird auf erneuerbare Energien gesetzt!

Viel unabhängiger von politischen Strategien als im Westen setzen Schwellenländer beim Aufbau neuer Infrastruktur gleich auf erneuerbare Energien.
Werte in diesem Artikel
von Andrew Harmstone, Gastautor von Euro am Sonntag
Die Kapitalbasis für die Energieerzeugung beginnt sich spürbar in Richtung klimafreundlicherer Ressourcen zu verschieben. Diese Verschiebung eröffnet Möglichkeiten für langfristige Investitionen, die zu erheblichem Steigerungspotenzial im Bruttoinlandsprodukt (BIP) führen könnten.
Das Ausmaß der globalen CO2-Emissionen hat sich in den letzten Jahren verlangsamt, mit einem sichtbaren Rückgang in den meisten Regionen. Weltweit hat sich der jährliche Kohlendioxidausstoß von mehr als fünf Prozent im Jahr 2010 auf -0,1 Prozent im Jahr 2015 reduziert, während das globale BIP-Wachstum bei rund drei Prozent blieb. Ab 2015 zeigte sich, dass der rückläufige Trend des CO2-Ausstoßes seinen ganz eigenen Antrieb hat und immer weniger mit dem BIP-Wachstum in Verbindung steht. Diese erkennbare Abkopplung des Wirtschaftswachstums von den CO2-Emissionen ist neu.
Die allgemeine Stabilisierung der Emissionen ist über die Regionen hinweg durch verschiedene Faktoren getrieben. Es gibt Bedenken, dass in den USA eine klimafreundliche Politik und ihre Maßnahmen von der neuen Regierung rückgängig gemacht werden könnten. Allerdings ist ein Großteil des jüngsten Rückgangs von US-Emissionen eine Folge niedriger Erdgaspreise, hervorgerufen durch eine Umstellung von Kohle auf Erdgas und nicht die Folge eines Politikwandels. Dennoch werden auch in den USA große Fortschritte gemacht. Im Sektor der erneuerbaren Energien steigt die Zahl der Arbeitsplätze seit mehreren Jahren in einem gesunden Tempo, während sie in der fossilen Brennstoffgewinnung gesunken ist.
In Europa dämmt das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) seit fast einem Jahrzehnt Emissionen ein. Die EU setzt Obergrenzen für Treibhausgase von Unternehmen, und das EHS fördert den Handel von Emissionsrechten zwischen Unternehmen.
Die Emerging Markets (EM) gehen das Thema erneuerbare Energien als Teil des Industrialisierungsprozesses an. Im Jahr 2015 übertrafen sie die entwickelten Länder in Bezug auf Investitionen in erneuerbare Energien. Wie sie in der Telefonie die Festnetzphase übersprungen haben, so scheinen viele Schwellenländer auch den Sprung von einer begrenzten Energieinfrastruktur direkt hin zu erneuerbaren Energien zu machen. Die EMs müssen nicht erst vorhandene Infrastrukturen beseitigen, um auf erneuerbare Energien umzustellen, sie können diesen Schritt überspringen und mit der erneuerbaren Infrastruktur einen Neuanfang machen. Daher übernehmen Schwellenländer in Bezug auf Initiativen für saubere Energie in vielerlei Hinsicht die Führung.
Energiesektor wird durch
neue Technologien revolutioniert
Unternehmen beginnen wieder zu investieren und tragen so bedeutend zum BIP-Wachstum bei. Ein Schwerpunkt ist der Energiesektor mit der Verlagerung von alten Produktionsmethoden auf neue. Obwohl dies ein längerfristiger Investitionsschwerpunkt ist, kann man den Einfluss der schöpferischen Zerstörung bereits spüren - von der Umstellung auf Erdgas in den USA bis hin zum globalen Anstieg an Arbeitsplätzen im Bereich erneuerbare Energien.
Mit Blick auf die Zukunft sind die zu erwartenden BIP-Beiträge konkreter Initiativen beeindruckend, sowohl in Industrie- als auch in Schwellenländern. So erwartet die Internationale Organisation für erneuerbare Energien, dass die CO2-Reduzierung in den USA auf einer jährlichen Basis bis 2030 0,6 Prozent zum BIP beiträgt.
Interessanterweise sollen erneuerbare Energien das BIP in Saudi-Arabien um voraussichtlich vier Prozent vergrößern.
Es scheint, dass wir uns am Rande eines neuen Paradigmas der Energieproduktion befinden. Wenn solche technologischen Veränderungen auftreten, können sie schnell und heftig verlaufen, wie das Beispiel des Übergangs von der Kutsche zum Automobil zeigt.
Wir glauben, dass wir derzeit nur die anfänglichen Windstöße eines sich ansammelnden Wirbelsturms der schöpferischen Zerstörung sehen, der wahrscheinlich den Energiesektor revolutionieren wird. Die Geschichte hat gezeigt, dass solche Übergänge auf lange Sicht in der Regel gut für die Wirtschaft sind.
Kurzvita
Andrew Harmstone,
Fondsmanager für das
Global Multi-
Asset-Team bei Morgan Stanley
Harmstone hat einen M. A. in Business Economics der University of Pennsylvania (USA) und einen B. A. in Ökonomie der University of Wisconsin. Er hat 36 Jahre relevante Industrieerfahrung und kam 2008 zu Morgan Stanley.
Die US-Investmentbank bietet seit 1987 von Frankfurt privaten und institutionellen Kunden in Deutschland und Österreich eine breite Palette von Anlagemöglichkeiten.
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Bildquellen: Claudia Otte/Fotolia, Morgan Stanley