Euro am Sonntag-Interview

Fondsmanager Harting: "Größere Unabhängigkeit"

22.01.17 14:00 Uhr

Fondsmanager Harting: "Größere Unabhängigkeit" | finanzen.net

Emerging Markets: Fondsmanager Morgan Harting über die verbesserte Situation vieler Schwellenländer auf dem Weltmarkt und Investmentchancen.

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€uro am Sonntag: Herr Harting, die Aktienmärkte in vielen Emerging Markets sind 2016 sehr gut gelaufen. Wo sehen Sie 2017 Chancen für Schwellenländerinvestments?
Morgan Harting:
Es gibt viele Aktien mit niedrigen Bewertungen, die jahrelang von Anlegern vernachlässigt wurden. Dazu gehören zum Beispiel russische Rohstoffunternehmen, die von niedrigen Herstellungskosten profitieren und gut für eine heimische und globale Erholung positioniert sind. Koreanische Finanzdienstleister erscheinen auch extrem günstig bewertet, angesichts der verbesserten Vermögensqualität und steileren Zinskurven. Insgesamt ist eine selektive Auswahl von Unternehmen aus den Emerging Markets, die gegenüber möglichen Sturmböen aus Washington relativ unempfindlich sind, wichtig.



Zum Beispiel Firmen, die stark vom Heimatmarkt profitieren?
Genau, es kann sehr lohnend sein, stabile Qualitätsunternehmen auf ihre Bewertung hin zu analysieren. Beispiele wären Verbrauchsgüterhersteller in den Schwellenländern mit starken Marken, die auf eine treue und wachsende Käuferschicht in ihren Heimatmärkten zählen können.

Mit den erwähnten Sturmböen aus Washington meinen Sie steigende Zinsen und die Aufwertung des Dollar. Wie problematisch ist das für die Schwellenländer?
Beides hat den Emerging Markets seit der US-Wahl zugesetzt. Tatsächlich sind die langfristigen Aussichten unserer Meinung nach jedoch robuster als von vielen erwartet. Die Auswirkungen eines steigenden US-Dollar werden unseres Erachtens zum Beispiel überschätzt. Denn für zahlreiche exportorientierte Unternehmen ist eine schwächere Heimatwährung profitsteigernd, da ihre Produkte und Dienstleistungen im Ausland wettbewerbsfähiger werden.


Zählen zu den weiteren Risiken auch mögliche Handelseinschränkungen durch die USA?
Man muss diese Risiken im Kontext sehen. Zum einen können positive inländische Entwicklungen in den Schwellenländern den potenziellen Schaden durch US-Protektionismus begrenzen - zumal es ohnehin zahlreiche Unternehmen in den Emerging Markets gibt, die relativ immun gegenüber den Entwicklungen in den USA sind. Zum anderen mindert die sich verändernde geopolitische Ordnung den Einfluss der USA auf Entwicklungsländer.

Inwiefern?
Die Schwellenländer befinden sich auch auf dem Weg zu größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Viele Länder verdanken ihr steigendes Wirtschaftswachstum nicht mehr den Industrieländern. Vielmehr wird das Wachstum durch inländische Trends gestützt.


Ist die Entwicklung auch Grund für die überschaubaren Kapitalabflüsse nach der US-Wahl?
Die Abflüsse aus den Schwellenländern waren in der Tat nicht so hoch wie von einigen vorhergesagt. Die Gründe sind die im historischen Vergleich niedrigeren Fundamentalrisiken: Die Emerging Markets haben - in der Gesamtheit - ihre Außenbilanzen verbessert und sind weniger abhängig von externen Krediten. Zudem haben sich die globalen Wachstumsaussichten seit der US-Wahl verbessert, was auch den Schwellenländern zugute kommen sollte.

Welches Land ist momentan ein attraktives Investmentziel?
Ein Beispiel wäre Brasilien. Die Anleihen des Landes werfen derzeit eine Rendite von zwölf Prozent ab. Wenn die Inflation - wie erwartet - bald wieder unter Kontrolle ist, könnten die Kurse der Papiere anziehen.

Interview: Astrid Zehbe

Vita:

Morgan Harting ist der leitende Portfoliomanager für alle Multi-Asset-Strategien der Vermögensverwaltung AllianceBernstein, wo er seit 2007 arbeitet. Er verantwortet zudem den 2011 aufgelegten Emerging Markets Multi-Asset (siehe "Fonds im Fokus").

Investor-Info

Fonds im Fokus
AB Emerg. Mkts. Multi-Asset

Die Aktienmärkte vieler Schwellenländer haben sich im vergangenen Jahr besser entwickelt als die der Industriestaaten. Morgan Harting, Fondsmanager des Emerging Markets Multi-Asset von AllianceBernstein, hält aktuell rund zwei Drittel des Portfoliovermögens in Aktien von Firmen, die entweder in Schwellenländern niedergelassen sind oder dort den Großteil ihrer Geschäfte betreiben. Dass der Fonds in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 20 Prozent zugelegt und damit seinen Vergleichsindex hinter sich gelassen hat, ist vor allem der Übergewichtung brasilianischer Aktien sowie den Investments in US-Dollar zu verdanken. Letztere machen auch derzeit rund die Hälfte des Fondsportfolios aus.
Fazit: Guter und flexibel gemanagter Fonds zur Depot-Beimischung.

Bildquellen: Alliance Bernstein LP, mindscanner / Shutterstock.com