Großbritannien: Sieg mit Abstrichen
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Theresa May wird wohl Premierministerin bleiben, doch das Wahlergebnis könnte ihre Position bei den Brexit-Verhandlungen schwächen.
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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag
Als Theresa May im April überraschend Neuwahlen ausrief, war die Welt für die konservativen Tories noch in Ordnung. Die Regierungschefin erfreute sich einer breiten Mehrheit im Parlament und wurde selbst von Teilen der sozialdemokratischen Opposition unterstützt. In Umfragen lag sie zwischenzeitlich mehr als 20 Prozentpunkte vor der oppositionellen Labour-Partei, die innerparteilich stark zerstritten ist und vor allem ein Problem hat: ihren als Querulanten geltenden Parteichef Jeremy Corbyn. Mit Sympathien für die RAF und Antipathien für die Monarchie ist er für viele Briten unwählbar - und rollt nun das Feld von hinten auf.
Vorsprung schmilzt
In einigen Umfragen ist der Vorsprung von Mays konservativer Partei auf nur noch fünf Prozentpunkte zusammengeschmolzen. Eine Wahlniederlage halten viele zwar für äußerst unwahrscheinlich, doch auch ein Verlust der absoluten Mehrheit wäre ein Desaster. Denn dann droht das, was May mit den vorgezogenen Neuwahlen eigentlich verhindern wollte: schwierige Brexit-Verhandlungen, bei denen Großbritannien am Ende womöglich das Nachsehen hat.
Schon jetzt hat May mit EU-Gegnern aus den eigenen Reihen zu kämpfen, die lieber heute als morgen und notfalls auch ohne Einigung die EU verlassen würden. Könnte May bei dem Urnengang ihre absolute Mehrheit ausbauen, würde sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen wäre ihre Verhandlungsposition bei den EU-Austrittsgesprächen stärker, zum anderen würden mehr gemäßigte Konservative ins Parlament einziehen, sodass May bei Entscheidungen nicht auf die Stimmen der Hardliner angewiesen ist. Zwar betont auch die Regierungschefin immer wieder, dass kein Abkommen besser sei als ein schlechtes. Doch ist die Regierungschefin an einer gütlichen Einigung mit der EU interessiert, um Großbritannien einen möglichst freien Handel mit der Staatengemeinschaft zu ermöglichen. Dafür muss das Parlament jedoch hinter ihr stehen.
Die aus ökonomischer Sicht wünschenswerteste und auch von der Labour-Partei favorisierte Option, nämlich ein Verbleib des Landes im EU-Binnenmarkt und der Zollunion, schließen die Tories in ihrem Wahlprogramm aus. Zu groß wären die Kompromisse, welche das Land eingehen müsste, damit die EU-Verhandlungspartner da mitspielen. Ein Freihandelsabkommen mit der EU ist darum die angestrebte Alternative.
Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien sind eng verwoben. Für viele Mitgliedsländer ist das Vereinigte Königreich einer ihrer wichtigsten Handelspartner. Deutschland exportierte 2016 beispielsweise mehr Güter auf die Insel als nach China. Handelsbarrieren würden den Exportsektor empfindlich treffen, auf beiden Seiten des Ärmelkanals: Großbritannien exportiert mehr als 40 Prozent seiner Waren in die EU.
Banken ziehen sich zurück
Besonders stark trifft der EU-Ausstieg die Finanzbranche. Ein Drittel des EU-Großkundengeschäfts wird in Großbritannien abgewickelt. Weil fraglich ist, ob Banken ihre Geschäfte mit europäischen Kunden weiterführen können, haben viele Geldhäuser einen Teilrückzug aus London angekündigt.
Auch wenn Finanzdienstleistungen made in Britain rund sieben Prozent der Bruttowertschöpfung ausmachen, halten EU-Gegner den Abzug von Banken für verkraftbar. Entsprechend gering ist ihre Bereitschaft, bei den Verhandlungen, etwa für ein Freihandelsabkommen, große Zugeständnisse zu machen. Ihre Rechnung ist einfach: Scheitern die Verhandlungen, würden beide Partner wohl unter dem sogenannten Meistbegünstigungsprinzip der Welthandelsorganisation (WTO) miteinander handeln. Die Tarife lägen dann bei rund vier Prozent.
Dafür fielen die EU-Haushaltsbeiträge weg, was Zöllen von etwa sieben Prozent entspräche.
Die Schlussfolgerung, dass Großbritannien dabei Plus macht, ist allerdings kurzsichtig. Mit den zollbedingten Preissteigerungen dürfte die Nachfrage nach Gütern und damit das Handelsvolumen sinken, sodass am Ende womöglich ein viel größeres Minus steht. Einzig das schwache Pfund kann diesem Effekt entgegenwirken.
Rally dank Exportboom
Da die Währung seit dem EU-Referendum vor einem Jahr um rund 15 Prozent abgewertet hat, sind britische Güter im Ausland billiger geworden. Das hat das Exportvolumen in der zweiten Jahreshälfte um rund sieben Prozent erhöht. Gleichzeitig steigen die Importpreise und damit die Inflation. Im April lag sie mit 2,7 Prozent deutlich über der von der Notenbank angepeilten Marke von zwei Prozent. Das hat die Folge, dass die Kauflaune bei den Bürgern sinkt. Neben geringeren Investitionen ist darum der zurückgehende Konsum das größte Problem der britischen Wirtschaft. Laut der Ratingagentur Moody’s muss das Land mit einer spürbaren Abschwächung seiner Konjunktur rechnen - vor allem dann, wenn die Brexit-Gespräche scheitern.
Den britischen Aktienmarkt kümmert das alles recht wenig. Von dem brummenden Exportsektor profitiert vor allem der Aktienindex FTSE 100, der in den vergangenen zwölf Monaten um 20 Prozent zugelegt hat. Mehr als zwei Drittel seiner Erträge erwirtschaften die dort abgebildeten Unternehmen im Ausland. Die Rally vieler britischer Aktien dürfte sich dank weltweit guter Wachstumsaussichten also fortsetzen.
Investor-Info
FTSE 100
Fast unabhängig
Trotz der jüngsten Terroranschläge in Manchester und London sowie der steigenden Spannung im Wahlkampf hat der britische Aktienindex FTSE 100 seine Rally im Mai fortgesetzt und deutsche sowie französische Aktien abgehängt. Das Börsenbarometer profitiert von der Exportstärke seiner abgebildeten Unternehmen. Weil diese den Großteil ihrer Umsätze in den USA und in Schwellenländern erwirtschaften, sind sie vergleichsweise unabhängig von den Brexit-Verhandlungen.
db x-trackers FTSE 100
Auf Exportstärke setzen
Mit einem ETF auf den FTSE 100 können Anleger von der Exportstärke britischer Unternehmen profitieren. Viele abgebildete Titel, etwa BP oder British American Tobacco, bieten attraktive Dividenden, die der ETF direkt an Investoren ausschüttet. Die hohe Gewichtung von Bankentiteln mit rund 20 Prozent birgt allerdings ein gewisses Risiko.
Invesco Europa Core
Grenzenlos attraktiv
Das Beste aus Europa und Großbritannien bietet der Invesco Europa Core Fonds, der zuletzt rund ein Viertel seines Vermögens in britische Aktien, den Rest in Europa - vor allem in der Schweiz und Deutschland - investiert. Mithilfe von Computer-Algorithmen werden die lukrativsten Titel ausgewählt. Das hält die Gebühren gering und reduziert das Risiko bei gleichzeitig attraktiver Rendite. In den vergangenen zwölf Monaten hat der Fonds um mehr als 14 Prozent zugelegt.
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