Verlockung aus dem Reich der Mitte: China-Kracher fürs Depot
Nach 20 Prozent Kursrückgang sind Chinas Aktien so günstig wie lange nicht mehr. Dabei sind die Perspektiven viel besser, als es scheint.
von Uli Kühn, Euro am Sonntag
Selten waren die Lieblinge der Anleger so klar zu erkennen wie jetzt. Seit Monaten ziehen Investoren rund um den Globus Geld aus Schwellenländeraktien ab und investieren es an den US-Börsen. Das zeigen die Statistiken der Fondsgesellschaften. Umfragen unter Fondsmanagern, etwa der monatliche Fondsmanager-Survey der Bank of America Merrill Lynch, zeichnen ein ähnliches Bild. China und die Emerging Markets sind out. US-Aktien bleiben dagegen ganz oben auf der Favoritenliste - und werden so stark übergewichtet wie seit Januar 2015 nicht mehr.
Antizyklische Investoren sehen darin eine Riesenchance. "Chinesische Aktien sind derzeit ein klarer Kauf", sagt etwa James Morton, Manager des CIM Dividend Income Fund, der ausschließlich in asiatische Dividendenaktien außerhalb Japans investiert. Mortons Wort hat Gewicht: Sein im Jahr 2001 aufgelegter Fonds notiert heute etwa dreimal so hoch wie dessen Vergleichsindex.
Vor allem die niedrige Bewertung der chinesischen Aktien begeistert den Erfolgsfondsmanager. Nach Kursrückgängen von mehr als 20 Prozent seit Jahresbeginn seien chinesische Aktien jetzt "so billig wie nie seit 2008", begründet Morton. Derzeit werden die an den Börsen in Shanghai und Shenzhen notierten Aktiengesellschaften nur noch mit dem Elffachen ihrer im nächsten Jahr erwarteten Gewinne bewertet. Zum Vergleich: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktien im amerikanischen S & P 500-Index beträgt derzeit rund 18, Standardwerte der Eurozone kommen auf 14.
Die niedrige Bewertung der chinesischen Aktien und die hohe der US-Aktien stehen in krassem Gegensatz zur Entwicklung der Unternehmensgewinne. Analysten gehen davon aus, dass die Gewinne der chinesischen Gesellschaften ungefähr doppelt so stark wachsen werden wie die der amerikanischen Konzerne. "Wir erwarten für 2019 ein Gewinnwachstum von sechs Prozent für US-Aktien und von 14 Prozent bei den chinesischen Titeln", sagt Maximilian Kunkel, Chef-Anlagestratege der UBS Deutschland.
Milliarden gegen den Abschwung
Dennoch sind chinesische Aktien natürlich nicht ohne Grund so günstig zu haben. Internationale Anleger fürchten die Folgen des Handelskriegs mit den Vereinigten Staaten, nachlassendes Wirtschaftswachstum in China und sorgen sich angesichts der oft hohen Verschuldung chinesischer Unternehmen.
Die Sorgen sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Im zweiten Quartal stieg Chinas Wirtschaftsleistung so gering wie seit zwei Jahren nicht mehr: Die Wachstumsrate lag bei "nur" 6,7 Prozent. Auch der chinesischen Führung scheint das nicht zu gefallen, deshalb öffnet Peking wieder einmal die Finanzschleusen. Umgerechnet 63 Milliarden Euro werden an die Banken gehen, die damit Anleihen chinesischer Unternehmen kaufen sollen. Dadurch soll die Finanzierungssituation der Unternehmen verbessert werden.
Umgerechnet 170 Milliarden Euro stellt die Regierung in Form einer Sonderanleihe für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung. Mit dem Geld sollen vor allem Projekte der Lokalregierungen unterstützt werden. "Die Geldspritzen sind konkrete und koordinierte Anreize. Sie richten sich gegen Schlüsselfaktoren, die auf den chinesischen Märkten gelastet haben", erläutert Aidan Yab, Volkswirt bei AXA Investment Asia in Hongkong.
Doch dabei allein bleibt es nicht. Hinzu kommen Steuererleichterungen für den Mittelstand und für Privathaushalte. Im Oktober wird beispielsweise die Freigrenze für private Einkommen von umgerechnet 5.400 Euro auf 7.750 Euro angehoben. Zudem sollen Ausgaben für einige Güter und Dienstleistungen wie die Ausbildung der Kinder, Mieten und Hypothekenzinsen sowie die Behandlung von schweren Erkrankungen zumindest teilweise von der Steuer abgezogen werden können. Dadurch soll der Konsum im Inland gestärkt werden.
Mögliche Belastungen durch den Handelsstreit mit den USA dürften dadurch zu großen Teilen kompensiert werden. Ohnehin ist die chinesische Wirtschaft heute nicht mehr so abhängig von US-Exporten wie noch vor zehn Jahren. Die chinesische Binnenwirtschaft ist heute schon für etwa 60 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes verantwortlich. "Chinas Wirtschaft wandelt sich derzeit von einer exportorientierten Volkswirtschaft zu einer, in der der Binnenkonsum eine immer größere Rolle spielt", erklärt Simon Lee vom Assetmanager CSOP in Hongkong die Entwicklung.
Kampf gegen die Verschuldung
Die bereits eingeführten und die geplanten neuen US-Zölle dürften deshalb die Wachstumsraten des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nur um etwa 0,2 Prozentpunkte reduzieren, schätzt das Münchner Ifo-Institut.
Selbst wenn die Zölle, wie zuletzt angedroht, auf 200 Milliarden Dollar angehoben werden sollten, wären die Belastungen überschaubar. "Wir schätzen, dass ein solcher Schritt das chinesische BIP um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte reduzieren würde", sagt Andrew Keirle, Portfoliomanager für Emerging-Markets-Anleihen bei der US-Fondsgesellschaft T. Rowe Price.
Im Kampf gegen die Verschuldung könne die chinesische Führung inzwischen ebenfalls einige Erfolge verbuchen, berichtet Erik Lueth, Volkswirt und Schwellenländer-Spezialist bei Legal & General Investment Management (LGIM). So gehe die Bedeutung der Schattenbanken langsam, aber sicher zurück. Auch die Forderungen von Banken an Finanzinstitute und Vermögensverwalter ohne Bankenstatus würden abnehmen.
Doch der Kampf gegen die Verschuldung beschränke sich nicht nur auf die Schattenbanken, auch die Staatskredite würden immer langsamer wachsen, ebenso wie das Gewicht der Firmenkredite, "der eigentliche wunde Punkt der chinesischen Schuldenlast", erklärt Lueth.
Investor-Info
Fidelity Greater China
Chinakracher fürs Depot
Privatanleger investieren in den chinesischen Aktienmarkt am besten mit einem Investmentfonds oder einem ETF. Auch wenn China ausländischen Anlegern den Zugang zu Aktien in Shanghai und Shenzhen langsam freigibt, gelten noch einige Restriktionen für Nichtchinesen. Empfehlenswert ist der Fidelity Greater China Fund. Fondsmanager Raymond Ma ist ein ausgewiesener Kenner der chinesischen Börsen. Ma investiert sowohl in Aktien, die in Shanghai notieren, als auch in Titel der Börsen Hongkong und Taiwan. In den vergangenen fünf Jahren erwirtschaftete er ein Plus von im Schnitt zwölf Prozent p. a.
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