Drees & Sommer

"Die Nutzer und ihre Bedürfnisse im Blick haben"

22.10.21 16:01 Uhr

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"Die Nutzer und ihre Bedürfnisse im Blick haben" | finanzen.net

Die Corona-Pandemie hat unsere Art zu Arbeiten auf den Kopf gestellt. Das Büro wird weniger wichtig, genauso wie Dienstreisen. Dafür wachsen Wohnen und Arbeiten enger zusammen. Im Interview sprechen Daniel Seibert, Partner bei Drees & Sommer und Experte für New Work, und Mustafa Kösebay, Associate Partner bei Drees & Sommer im Bereich Real Estate Consulting, über die Zukunft von Stadtquartieren und die Herausforderungen für die Halter von Bestandsimmobilien.

Herr Seibert, Sie agieren als Experte für New Work branchen- und formatübergreifend und sehen stets den Nutzer im Fokus. Was bedeutet diese Betrachtungsweise für Bestandsimmobilien?

Seibert: Da müssen wir ein bisschen weiter ausholen, denn die kollektiven Erfahrungen während der Corona-Pandemie strahlen deutlich weiter aus. Wir haben alle gemerkt, dass mobiles Arbeiten möglich ist, und zwar über alle Branchen hinweg. Es ist während der langen Lockdown-Phasen zur neuen Normalität geworden. Dabei ist für die Unternehmen die effiziente Nutzung der vorhandenen Flächen ein großes Thema - und das kommt jetzt auf die Bestandsimmobilien zu. Einfach zusammengefasst: Wenn man zukünftig zwei von fünf Tagen in der Woche mobil arbeitet, kann sich für den Arbeitgeber ein rechnerisches Einsparpotential von 30 bis 40 Prozent der Fläche ergeben.

Aber es will doch nicht unbedingt jeder im Homeoffice arbeiten.

Seibert: Natürlich stellt man fest, dass das Homeoffice nicht immer geeignet ist, um effizient zu arbeiten. Aber das dezentrale Arbeiten wird an Bedeutung gewinnen. Es geht also darum, wohnfeldnahe Arbeitsflächen zu schaffen, weil die Mitarbeiter die kurzen Wege liebgewonnen haben, im Homeoffice lagen sie ja nahezu bei null. Zugleich haben wir alle in der Pandemie gemerkt, dass unser verändertes Verhalten direkt auf die Umwelt eingezahlt hat, etwa was Verkehrsbewegungen betrifft. Das hat jetzt für Bestandshalter besondere Herausforderungen, denn wenn ein großer Konzern über mobile Arbeit nachdenkt, hat das zur Folge, dass Abmietungen in einer Größenordnung von 300.000 bis 400.000 Quadratmetern keine Seltenheit sind. Diese Flächen kommen dann wieder auf den Markt.

Und was kann man da als Bestandshalter tun?

Seibert: Es geht darum, neue Ausrichtungen für die Bestandsgebäude zu finden. Und dabei ist es zum einen wichtig, das zu bieten, was das Homeoffice nicht bieten kann, also Raum für Austausch und Vernetzung mit den Kollegen. Und zugleich muss man eine Vernetzung ins umliegende Stadtquartier herstellen und dort Anknüpfungspunkte finden.

Herr Kösebay, die Quartiersentwicklung ist ja ihr Metier. Was heißt denn die von Ihrem Kollegen beschriebene Situation für die Entwicklung von Stadtquartieren?

Kösebay: Aus Sicht eines Investors haben sich die Voraussetzungen verändert, zum Beispiel im Bereich der Büroimmobilien. Früher ging es hier um die möglichst zentrale Lage. Jetzt geht es um die Nähe zwischen Wohnen und Arbeiten - das wird das Quartier der Zukunft prägen. Ein Büro-Bestandshalter muss sich jetzt Gedanken machen, was um seine Immobilie herum passiert, ob es genügend Wohnraum und andere Angebote wie Gastronomie, Kindergärten und vieles mehr im Umfeld gibt, damit die Immobilie ausreichend attraktiv ist. Es geht darum, multifunktionale Immobilien zu schaffen, die das hybride Arbeiten und Wohnen ermöglichen und Teil eines Gesamtsystems sind. So ein Quartier muss bereits in der Entwicklung professionell gemanagt werden, um alle Seiten zusammenzubringen.

Ein gewachsenes Stadtquartier zeichnet sich aber vor allem durch bestehende Strukturen aus. Da lässt sich doch nicht so viel verändern.

Kösebay: Das ist genau die Herausforderung. Da geht es um die Umnutzung von bestehenden Gebäuden und Flächen, um die komplette Revitalisierung und das Reaktivieren von bestimmten Nutzungen, vielleicht auch um Mischnutzungen. Da muss man investieren, und da muss man sich vorher genau Gedanken machen, wer die künftigen Nutzer eigentlich sein werden, welche Anforderungen sie haben und welchen Grad von Vernetzung man herstellen kann, sowohl unter den Nutzern als auch in technischer und energetischer sowie Infrastruktureller Hinsicht.

Seibert: Ich glaube auch, dass das kein singuläres Thema ist. Ein Bestandshalter kann alleine nicht viel ausrichten. Man muss es gesamtheitlich betrachten, um wirklich eine nachhaltige Quartiersentwicklung zu schaffen. Der Gesamtkontext spielt hier eine große Rolle, es geht um Mobilität, Erschließungsthemen, Digitalisierung - und alles bezogen auf die Bedürfnisse der Nutzer, die später in diesem Quartier leben und arbeiten sollen. Man muss die Stadtquartiere bezogen auf die Lebenssituation der Nutzer betrachten und sie müssen auch darauf ausgerichtet sein, dass dort generationsübergreifend gelebt und gearbeitet werden kann.

Was heißt das denn für einen Eigentümer, der sich mit der Bestandssanierung beschäftigt: was muss er konkret beachten?

Seibert: Es gibt kein allgemeingültiges Rezept. Man muss die Situation individuell betrachten, immer bezogen auf das Umfeld und auf die Zielgruppe, die man später in seine Gebäude bekommen möchte. Es geht also darum, eine klare Zielkunden-Perspektive zu entwickeln und sich daran auszurichten. Grundsätzlich wichtig sind die Aspekte Flexibilität, Vernetzung und Digitalisierung. Es geht immer um die Frage, was dem Nutzer eines Gebäudes das Leben leichter macht. Und dann spielt natürlich Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle: Da geht es einerseits um die Auswahl der Baumaterialien und eine gute Energiebilanz, aber auch um die Bedürfnisse der Nutzer, etwa was gesunde Ernährung und Sportmöglichkeiten betrifft. Aber auch da kommt es aber auf die Zielkunden an: Wenn man zwei Anwaltskanzleien hat, braucht man für seine Immobilie ein anderes Angebot als wenn sich dort Start-ups oder Grown-ups einmieten sollen.

Und was mache ich etwa als Eigentümer einer Hotelimmobilie, wenn Dienstreisen nach der Pandemie weniger nachgefragt sind, weil man vieles auch per Videokonferenz erledigen kann?

Seibert: Auch da ist der Blick ins Umfeld notwendig. Klar funktionieren Videokonferenzen gut, aber wenn sie reale Meetings dauerhaft ersetzen sollen, gibt es andere Anforderungen auch an die eigenen Räumlichkeiten, um die technischen Voraussetzungen zu optimieren. Der Konferenzraum wird zum Studio, was aber technisch aufwändig und damit kostenintensiv ist und damit nicht für jeden einzelnen Nutzer Sinn macht. Hier kommt dann der Sharing-Gedanke ins Spiel - und damit die Hotels, die diese Studios für die Unternehmen in der Umgebung bereitstellen könnten. Genauso könnten sie eine Art Quartiers-Kantine ins Leben rufen, denn wenn weniger Mitarbeiter im Büro sind, lohnt sich eine eigene Betriebskantine vielleicht nicht mehr - wohl aber eine gemeinsame Kantine für sämtliche Unternehmen des Quartiers. Daraus können sich neue Chancen und Nutzungsmöglichkeiten für Hotels ergeben.

Kösebay: Man muss sich als Hotelier darauf besinnen, was man besonders gut kann - und das große Gut eines Hotels ist der Service. Das gastronomische Angebot im Hotel kann ins Quartier abstrahlen, genauso wie vielleicht die Wäscherei oder Dienstleistungen innerhalb des Gebäudes, wie etwa die Bereitstellung von Kollaborationsflächen. Tagungsbereiche sind ja schon vorhanden, man muss sie dann eben anders ausstatten und vermarkten. Außerdem kann man einen Teil der Zimmer auch in Form von Serviced Apartments etwa für pflegebedürftige Personen umnutzen. Das würde den Aspekt des Mehrgenerationenwohnens im Quartier unterstützen.

Gehört solchen Mixed-Use-Modellen die Zukunft?

Kösebay: Mischnutzungen spielen zukünftig definitiv eine größere Rolle. Das kann die Kombination von Nahversorgung und Wohnen sein, wo sich im Erdgeschoss Verkaufsflächen befinden und darüber mehrere Geschosse an Wohnungen. Denkbar wäre das Konzept ebenso für verschiedene Dienstleister: Oben Wohnungen, unten Gastronomie, Arztpraxen, Friseure oder Co-Working-Spaces. Hier ist derzeit ein Wandel zu beobachten: Während in den letzten 25 Jahren Immobilienportfolios nach Assetklassen getrennt wurden, geht der Trend nun in die gegensätzliche Richtung - weg von reinen homogenen Nutzungen wie Bürosilos, Wohnhochhäusern und Einkaufsstraßen hin zu einer Stadt der kurzen Wege, in der Arbeiten, Wohnen und Nahversorgung in direkter Nachbarschaft liegen.

Das heißt, am Ende ist jeder Akteur im Quartier gefragt, selbst Ideen zu entwickeln.

Kösebay: Ja, aber man muss sich auch untereinander abstimmen. Man braucht einen gemeinsamen Plan, der aus vielen einzelnen Puzzleteilen besteht. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Verwaltungen, die ein echtes Quartiersmanagement betreiben müssen, das nicht nur die möglichen Nutzungen, sondern auch die Nutzer und ihre Bedürfnisse im Blick hat. Dazu gehört auch die möglichst attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums durch Freiflächen und Aufenthaltsmöglichkeiten. Denn wir haben ja in der Pandemie gesehen, dass es auch in Deutschland tatsächlich möglich ist, Ausgangssperren zu erlassen. Und wer da nur eine kleine Wohnung ohne Balkon hatte, der hatte es wirklich schwer. Wenn wir über Quartiere sprechen, geht es also nicht nur um Immobilien, sondern auch um die Flächen drumherum.

Seibert: Manchmal hilft es, zu Fuß oder mit dem Fahrrad das Quartier rund um seine Immobilie zu erkunden und dabei genau zu überlegen, welchen Bedarf es noch geben könnte und wo es Anknüpfungspunkte zu anderen Nutzern gibt. Und dann sollte man aktiv auf die Nachbarn zugehen und Kooperationsmöglichkeiten ausloten. Denn am Ende lebt jedes Quartier vom gelungenen Miteinander.

Das Gespräch führte Harald Czycholl-Hoch

Über die Autoren:

Mustafa Kösebay studierte Bauingenieurwesen an der Hochschule für Technik in Stuttgart. Bei Drees & Sommer betreut er als Associated Partner Flächenentwicklungen und Masterplanungen im In- und Ausland. Dabei spezialisierte er sich in der immobilienwirtschaftlichen Beratung für Grundstückseigentümer und Investoren. Darüber hinaus begleitet Herr Kösebay im Rahmen der Projektentwicklung auch die Umsetzung und die baurechtlichen Prozesse von Entwicklungen bis hin zur Transaktion. Seine Erfahrung in der Entwicklung von Quartieren kombiniert mit den Trends für Smart Cities hat er mit dem Ansatz Blue City bei Drees & Sommer weiterentwickelt. Seit 2016 ist Mustafa Kösebay Mitglied im Royal Institute for Chartered Surveyors. Darüber hinaus lehrt Herr Kösebay an der Hochschule für Technik in Stuttgart die Fächer Projektentwicklung und Immobilienwirtschaft in den Masterstudiengängen Architektur und Stadtplanung.

Daniel Seibert zeichnet verantwortlich für den Bereich New Work User Centric Consulting & Design innerhalb der Drees & Sommer Gruppe. Die Bedürfnisse des Nutzers stehen im Mittelpunkt. Individuell und maßgeschneidert ist der Schlüssel für zukunftsfähige Arbeitswelten. Dabei ist die passgenaue Integration der Nutzeranforderungen in den Planungs- und Realisierungsprozess eine der größten Herausforderungen. Daniel Seibert kann auf über 25 Jahre Erfahrung bei der Planung und Umsetzung von großen Nutzer- und Bauprojekten zurückblicken

Drees & Sommer: Innovativer Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben.

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an. In interdisziplinären Teams unterstützen die rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an weltweit 46 Standorten Auftraggeber unterschiedlichster Branchen. Alle Leistungen erbringt das partnergeführte Unternehmen unter der Prämisse, Ökonomie und Ökologie zu vereinen. Diese ganzheitliche Herangehensweise heißt bei Drees & Sommer „the blue way“.


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