Hedgefonds: Comeback auf den Caymans
2008 war für Hedgefonds das schlechteste Jahr ihrer Geschichte. Doch ganz allmählich beginnt die Branche, sich zu erholen.
von Carsten Lootze, Euro am Sonntag
„Nichts gebrochen, keine bleibenden Schmerzen“, japste Benoît „Tornado“ Descourtieux, als er aus dem Ring stieg. Gemeinsam mit elf Branchenkollegen hatte sich der 46-jährige Manager des Calypso Asia Fund einen Schlagabtausch bei der „Hedge Fund Fight Nite 2009“ am 29. Oktober in Hongkong geliefert.
Nicht nur die Teilnehmer dieses Boxspektakels für Amateure erholen sich gerade von ihren Blessuren. Die gesamte Hedgefondsbranche ist dabei, die Folgen der Finanzkrise zu kurieren. „Dieser Prozess wird noch Jahre andauern“, sagt Stefan Keller, Hedgefondsstratege bei Lyxor Asset Management. 2008 war das schlechteste Jahr der Branche in ihrer Geschichte mit Wertverlusten und Mittelabflüssen in Rekordhöhe. Doch 2009 läuft es wieder besser: Im dritten Quartal haben Anleger erstmals seit Sommer 2008 mehr Geld in Hedgefonds investiert als abgezogen. Und die Erträge sind im Schnitt so hoch wie seit zehn Jahren nicht.
Von 1,93 auf 1,33 Billionen Dollar war das weltweite Vermögen in Hedgefonds während der Finanzkrise gesunken, zeigen Zahlen des US-Datenanbieters Hedge Fund Research. Die Gründe: Zum einen waren die Wertverluste mit rund 20 Prozent so hoch wie nie zuvor in der 50-jährigen Branchengeschichte. Ein weiterer Grund: Die verunsicherten Anleger zogen ihr Geld aus den intransparenten und illiquiden Fonds ab, die häufig in den unregulierten Finanzoasen wie den Cayman Islands sitzen.
Seit dem Tiefpunkt mit 1,33 Billionen US-Dollar im März ist das verwaltete Vermögen der Branche wieder auf 1,53 Billionen Ende September gestiegen. Das liegt auch an der guten Wertentwicklung vieler Fonds. Der Index Credit Suisse/Tremont Hedge Fund zeigt, dass Hedgefonds von Anfang Januar bis Ende Oktober einen durchschnittlichen Wertzuwachs von 15 Prozent erzielt haben. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Strategien (siehe Investor-Info unten) sind jedoch enorm. Besonders ertragreich war die Strategie Convertible Arbitrage, deren verantwortlichen Manager in Wandelanleihen investieren: Diese bringt es wegen der Kursrally bei Unternehmensanleihen auf 46 Prozent Wertzuwachs. Der Ansatz Fixed Income Arbitrage kommt dank anhaltend niedriger Zinssätze, hoher Renditeunterschiede zwischen unterschiedlichen Staatsanleihen und Währungsgewinnen auf ein Plus von 22 Prozent. Event-Driven-Fonds profitierten von Rekapitalisierungsmaßnahmen und kommen auf 15 Prozent Plus.
Dagegen liegt die Strategie Dedicated Short Bias, die auf fallende Aktienkurse setzt, wegen der fulminanten Börsenrally seit Jahresanfang 19 Prozent im Minus. Managed Futures — 2008 mit 18 Prozent Rendite die beste Strategie — brachte in diesem Jahr bislang durchschnittlich sechs Prozent Verlust. „Denn die zugrunde liegenden Trendfolgemodelle rieten häufig bis Anfang August dazu, auf fallende Aktienkurse und steigende Staatsanleihenotierungen zu setzen“, sagt Keller.
Steigende Mittelzuflüsse sind eine Folge der überwiegend guten Wertzuwächse. Hedge Fund Research zufolge investierten Anleger im dritten Quartal 2009 rund 28 Milliarden US-Dollar frisches Kapital in Hedgefonds. Damit überwogen die Zuflüsse erstmals seit Sommer 2008 wieder die Abflüsse, die sich auf 37 Milliarden Dollar beliefen. „Zu sagen, dass Anleger in Bezug auf illiquide Vermögenswerte spürbar risikofreudiger geworden sind, wäre aber übertrieben“, sagt Beatrix Purchart. Sie ist Produktchefin und Vertriebsleiterin bei der Schweizer Vermögensverwaltung Rising Star.
Zuflüsse hat es Hedge Fund Research zufolge zuletzt bei Produkten mit Arbitrage-Strategien sowie marktneutralen und Event-Driven-Ansätzen gegeben. Managed-Futures-Fonds und Produkte, die mehrere Strategien kombinieren, seien dagegen verkauft worden. Das gilt laut Keller und Purchart auch für Dachfonds: „Deren Ruf hat darunter gelitten, dass viele von ihnen in Skandalfonds wie die des Betrügers Bernard Madoff investiert waren.“
Illiquidität und Intransparenz sowie hohe Gebühren sind die Hauptgründe dafür, dass die meisten Investoren gegenüber Hedgefonds noch immer vorsichtig sind. Eine Umfrage der New Yorker Unternehmensberatung TABB Group unter 62 US-Hedgefondsmanagern hat ergeben: 77 Prozent von deren Anlegern sorgen sich um operative Risiken, die Sicherheit der Anlagestrategien und Liquiditätsrisiken. Schließlich haben 2008 zahlreiche Hedgefonds Rücknahmesperren über ihre Investoren verhängt, sodass diese teils bis heute auf ihren Anteilen festsitzen.
Die Anbieter steuern dagegen. Damit wollen sie schärferen Regulierungsvorschriften zuvorkommen, die weltweit im Gespräch sind. „Sie reagieren bislang vor allem, indem sie ihre Produkte zunehmend über Managed Accounts anbieten“, sagt Purchart. Das sind Handelsplattformen von Kapitalanlagegesellschaften (KAG), die Strategien einzelner Hedgefonds unter Lizenz nachbilden. Dabei gewährleisten die KAG, dass Investoren die Portfolios jederzeit einsehen und Anteile in der Regel wöchentlich verkaufen können — ohne Voranmeldung. Bei klassischen Hedgefonds müssen Anleger meist einen Monat im Voraus anmelden, dass sie Anteile verkaufen wollen. Zudem ist die Rückgabe häufig nur einmal pro Quartal möglich.
Auf niedrigere Gebühren sollten sich Investoren jedoch nicht einstellen. In der Branche sind zwei Prozent als jährliche Managementgebühr plus 20 Prozent vom Wertzuwachs als Erfolgsprämie (Performance Fee) üblich. „Sonderangebote wird es höchstens bei den Anbietern geben, die sich damit für irgendetwas entschuldigen müssen“, sagt Stefan Keller. „Die guten Anbieter können es sich nach wie vor leisten, die üblichen Konditionen zu verlangen.“ In der TABB-Umfrage gaben 15 Prozent der Anbieter an, dass sie in den kommenden zwei Jahren geringere Performance Fees erwarten. Rund 25 Prozent rechnen mit niedrigeren Managementgebühren.
Die aussichtsreichsten Strategien für die kommenden Monate sind nicht unbedingt jene, die 2009 bisher gut gelaufen sind. „Bei Convertible Arbitrage ist die Luft erst mal raus“, sagt Keller. Die Wertentwicklung sei zwar noch positiv. „Allerdings brauchen die Manager zunehmend Fremdkapital, um die Renditen aufrechtzuerhalten.“ Während die Fonds im vergangenen Winter meist gar keine Fremdkapitalhebel (auf Englisch: Leverages) nutzten, um ihre Renditen zu steigern, kommen inzwischen auf einen Euro Eigenkapital schon wieder bis zu zwei Euro Fremdkapital, schätzt Keller. Vor der Krise seien es bis zu sechs Euro gewesen. Managed-Futures-Fonds dürften weiter darunter leiden, dass den Märkten klare Richtungen fehlen. Da eine deutliche Korrektur nicht in Sicht ist, erscheinen auch Short-Produkte unattraktiv.
Dagegen wird der Ansatz Fixed-Income-Arbitrage weiterhin von niedrigen Zinsen und umfangreichen Neuemissionen bei Staatsanleihen profitieren. Event-Driven-Fonds erscheinen attraktiv, da Restrukturierungsmaßnahmen anhalten und der Markt für Fusionen und Übernahmen in den kommenden Wochen wieder erwacht ist.
Für Hedgefondszertifikate gilt: Viele Anbieter stellen seit Herbst 2008 keine Kurse mehr oder mussten Produkte vom Markt nehmen, weil es Probleme mit den zugrunde liegenden Fonds gab. Im Investor-Info findet sich eine Auswahl empfehlenswerter Zertifikate. Damit sollten Anlegern blaue Augen wie bei der „Hedge Fund Fight Nite“ erspart bleiben.
Weiter zur Investor-Info
Investor-Info
Strategien: Unterschiedlichste Ansätze
Der Oberbegriff Hedgefonds vereint eine Vielzahl von Investmentstrategien. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Anlageklassen, Chancen und Risiken. €uro am Sonntag erklärt die wichtigsten Investmentansätze:
Einer der ältesten ist die Dedicated-Short-Strategie, deren Manager auf fallende Aktienkurse setzen. Long-Short-Equity kombiniert Wetten auf steigende und fallende Kurse. Market-Neutral-Manager gewichten Wetten auf steigende und fallende Kurse so, dass sie unterm Strich kein Marktrisiko eingehen. Volkswirtschaftliche Trends wie Zinsentwicklungen stehen bei der Strategie Global Macro im Fokus. Managed-Futures-Fonds (auch CTA) setzen über computergesteuerte Trendfolgesysteme auf verschiedene Anlageklassen. Event Driven investiert in Aktien von Unternehmen, die in Fusionen und Übernahmen stecken, vor Managerwechseln stehen oder ihr Geschäft neu ausrichten. Bei Distressed-Managern stehen Wertpapiere von Unternehmen im Vordergrund, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Im Mittelpunkt von Convertible Arbitrage stehen Preisanomalien zwischen Wandelanleihen und den zugrunde liegenden Aktien. Und bei der Fixed Income Arbitrage wetten die Manager zum Beispiel auf Renditeunterschiede zwischen deutschen und US-Staatsanleihen.
AC Branca Low Vola Index Zertif.: Nicht üppig, aber stetig
„Mein Hedgefonds ist sicherer als Bundesanleihen“, behauptet Bernardino Branca. Das AC Branca Low Volatility Index Zertifikat von Aquila Capital (ISIN: XS 044 045 281 0) bildet die Wertentwicklung der Fonds ab, die Branca für seinen Dachfonds auswählt. Das Portfolio ist bunt gemischt: Es beinhaltet Arbitrage-Strategien, Event-Driven- und Distressed-Produkte sowie Equity-Long- und Long-Short-Fonds. Seit Auflage 1997 hat der Fonds pro Jahr im Schnitt sechs Prozent Wertzuwachs auf Eurobasis erzielt, in diesem Jahr sind es bislang drei Prozent – fast ohne Wertschwankungen. Für konservative Anleger.
Permal Nat. Resources Hedgef. Z.: Wie gewonnen, so zerronnen
Dieses Zertifikat von der Deutsche-Bank-Tochter X-Markets (ISIN: DE 000 DB0 PUM 4) bildet die Wertentwicklung des Permal Multi-Manager Funds (Lux) Natural Resources Fund ab. Dieser investiert in physische Rohstoffe und Rohstofffutures, setzt aber auch auf die Strategien Long-Short-Equity und Global Macro. Für jeden dieser Investmentbereiche sind verschiedene Manager verantwortlich. Innerhalb des vergangenen Jahres hat das Zertifikat 36 Prozent Wertzuwachs erzielt, im Kalenderjahr 2008 rund 26 Prozent verloren. Für offensive Anleger.