Noch tanzen wir. Aber langsamer, wie Schildkröten.
"In den vergangenen 50 Jahren hat niemand, weder das US-Finanzministerium noch der Internationale Währungsfonds (IWF), je eine Rezession ein Jahr im Voraus vorhergesagt, noch nie." (World Economic Forum in Davos, 22.01.2015)
Keine Sorge. Ich zitiere Lawrence Summers nicht, um mit dem CIO View dieses Diktum zu brechen. Nach unserer jüngsten Strategiesitzung gehen wir unverändert von einer globalen Wachstumsbeschleunigung 2016 aus. Dennoch musste ich in der Sitzung an diesen Satz denken, weil wir hier unsere Zwölfmonatsprognosen festlegen. Das ist diesmal besonders herausfordernd, da wir beim Taktgeber der Märkte, dem Leitzins der Zentralbanken, Brüche erwarten. Einerseits innerhalb dieser zwölf Monate - die erste Zinserhöhung der Federal Reserve (Fed). Andererseits nach den zwölf Monaten - eine mögliche Schubumkehr der Europäischen Zentralbank (EZB). Der springende Punkt ist: Wo Aktien und Zinsen im Juni 2016 stehen, ist nicht von der Wirtschaft und Zentralbankpolitik bis Juni 2016 abhängig, sondern davon, was die Märkte dann für die kommenden Quartale erwarten. Dass Anleger antizipieren ist zwar wohlbekannt, kann aber dennoch überraschen. Beispiel Quantitative Easing (QE). Geradezu trotzig fingen die Spreads der Peripherieländer just dann an zu steigen, als die EZB im März mit dem Anleihekaufprogramm begann. Bundesanleihen wahrten noch eine Schamfrist von zwei Wochen, bevor sie sich abrupt verbilligten. Europäische Aktien gaben ab April nach.
Erwartungen zählen, nicht Fakten. Wo stehen wir also in einem Jahr? Welche heutigen Erwartungen sind dann Fakten und was wird dann erwartet? Die Fed wird vermutlich kleinere Zinsschritte vollzogen haben, während die EZB überlegen wird, ob sie das QE-Programm im September weiterführen, ruhen oder auslaufen lassen wird. Der Rückenwind der Zentralbanken könnte so in einen leichten Gegenwind drehen. Der Aufwertungstrend des US-Dollar dürfte bis dahin seinen Zenit überschritten haben und der Blick sich auf eine US-Konjunkturwende richten. Das könnte dem Euro helfen, es sei denn, er leidet längerfristig unter einer halbgaren griechischen Lösung. Sollte sich nach dem US-Arbeitsmarkt auch der europäische weiter aufhellen, könnte das Inflationssorgen anheizen. Ebenso wie eine wieder erstarkte chinesische Wirtschaft. Oder verdichten sich bis dahin die Anzeichen, dass die Industriestaaten mit niedrigerem Potenzial- und Wirtschaftswachstum rechnen müssen?
Gegenüber dem heutigen Zwölfmonatsblick scheint derjenige in zwölf Monaten zumindest in Bezug auf Zentralbankunterstützung weniger freundlich, in Bezug auf Wachstum bestenfalls neutral. Unsere Renditeprognosen sind entsprechend moderat. Angesichts weiter bestehender Risiken - "Grexit", "Brexit", Zinswende, Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), Ukraine - könnte man es keinem verübeln, seine Kasse zu erhöhen und mit dem Tanzen aufzuhören, bevor der letzte Ton gespielt wurde. Wir hingegen tanzen vorerst auch mit moderateren Renditen und Wachstumsraten weiter. Aber langsamer, wie eine Schildkröte.
Asoka Wöhrmann
Chief Investment Officer und Mitglied des Deutsche AWM Executive Committee
Mit 160 Milliarden Euro betreutem Kundenvermögen ist DWS Investments im Publikumsfondsgeschäft Marktführer in Deutschland*. 1956 gegründet, ist DWS Investments heute integraler Bestandteil der Deutschen Asset & Wealth Management, die weltweit fast eine Billion Euro** treuhänderisch für ihre Kunden verwaltet und eine der vier strategischen Säulen der Deutschen Bank ist.
Als aktiver Vermögensverwalter ermöglicht die DWS Kunden den Zugang zu einer umfassenden Palette an Anlageprodukten. Mehr als 500 Research- und Investment-Experten weltweit identifizieren Markttrends und setzen diese zum Nutzen unserer Anleger um. Führende Positionen in Rankings unabhängiger Ratingagenturen und Auszeichnungen belegen unseren Erfolg, die überdurchschnittliche Performance der DWS-Produkte und den herausragenden Service.
*Quelle: BVI, Stand 31. Mai 2013, inkl. DB-Produkte
**Stand: 30. Juni 2013