Euro am Sonntag

Schwellenländer-Währungen: Die Stimmung kippt

10.10.15 16:00 Uhr

Schwellenländer-Währungen: Die Stimmung kippt | finanzen.net

Die Zinswende und die Rohstoffkrise treffen viele Emerging Markets hart. Ihre Währungen brechen ein. Die Aussichten sind meist trübe.

von Alexander Sturm, Euro am Sonntag

Mit dem Rücken zur Wand baute Alex­andre Tombini die Drohkulisse auf. Brasiliens Notenbankchef kündigte an, den Real "mit allen ­Mitteln" zu verteidigen. Mit Stützungskäufen aus den Währungsreserven des Landes gelang es ihm, den Real zumindest auf niedrigem Niveau zu stabilisieren. Binnen eines Jahres hat Brasiliens Währung gut 40 Prozent zum Dollar eingebüßt und ein Allzeittief erreicht.

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Der Real steht sinnbildlich für den weltweiten Fall der Schwellenländerwährungen, die jüngst die längste Verlustserie seit der Jahrtausendwende verbuchten. Der südafrikanische Rand hat in zwölf Monaten rund 20 Prozent zum Dollar verloren, die Türkische Lira und der malaysische Ringgit ein Viertel, der russische Rubel 40 Prozent.

Der Absturz hat mehrere Gründe: Wegen der Zinswende in den USA ziehen Investoren Kapital aus den Schwellen­ländern ab, was den Dollar gegenüber Schwellenländerwährungen stärkt. 2013, als die US-Notenbank Fed ihre lockere Geldpolitik zu drosseln begann, brachen Schwellenländerwährungen ein. Nun wiederholt sich die Geschichte. Nur: Heute ist die Krise schlimmer. Denn hinzu kommen die Konjunkturabkühlung in China und der Verfall der Rohstoffpreise. Die Volksrepublik importiert weniger Rohstoffe, was die Preise einbrechen lässt. Und der Überschuss an den Ölmärkten hat den Ölpreis in einem Jahr um die Hälfte abstürzen lassen.

Im Zangengriff der Märkte

Das bringt Rohstoffexporteure in Bedrängnis. Brasilien erlebt die schlimmste Rezession seit 25 Jahren, Ratingagenturen stuften das Land auf Ramsch­niveau herab. Zudem schwächt ein Korruptionsskandal um den Ölkonzern Petrobas Präsidentin Dilma Rousseff. Ebenfalls in der Rezession steckt Russland, das unter dem Verfall der Ölpreise und unter westlichen Sanktionen leidet. Auch Südafrikas Wirtschaft verliert an Schwung.

Die Währungen der großen asiatischen Schwellenländer zeigen sich hingegen robust. Die indische Rupie und der chinesische Renminbi verloren zum Dollar relativ wenig. Beide Länder profitieren vom Verfall der Energiepreise. Abgestürzt sind indes die Währungen Indonesiens und Malaysias - hier werden viele Metalle und Öl exportiert. In Europa verfällt die Türkische Lira rapide. Die Wirtschaft des Landes schwächelt, auch scheiterte nach den Wahlen im Sommer die Regierungsbildung.

An den Börsen verstärkt der Fall der Währungen die Sorge um die einst als Wachstumsstars gepriesenen Schwellenländer. "Die Märkte preisen niedrigere Wachstumsraten für die Schwellenländer ein", sagt David Oliver, Portfoliomanager beim US-Vermögensverwalter Stone Harbor Investmemt Partners.

In der Tat sind die Aussichten für viele Schwellenländer trübe. Von Rohstoffen abhängige Länder wie Brasilien haben während des Booms Reformen verpasst und müssen nun in Zeiten knapper Staatseinnahmen die Krise bewältigen. Manche, wie die Türkei, sind auf ausländisches Kapital angewiesen, um ihre Leistungs­bilanz auszugleichen. Eine Kapitalflucht ist gefährlich für sie.

Unsicherheit ist Gift

Zudem verschlimmert der Absturz der Währungen manche Krise: Viele Firmen und Privathaushalte in den Schwellenländern haben Schulden in Dollar, die jetzt in die Höhe schnellen. Kreditausfälle im großen Stil könnten Banken schwächen. Eine schwache Währung verteuert auch Importe und treibt die Inflation. Und aus China ist vorerst keine Hilfe für Rohstoff­exporteure zu erwarten. Für Länder wie Südafrika ist die Volksrepublik der wichtigste Handelspartner - jede Schwäche Chinas schlägt auf sie durch.

Im Fall Brasiliens könnte die Krise auf andere Staaten Lateinamerikas überspringen. "Die Ansteckungsgefahr über die ­Finanzmärkte ist ein regionales Risiko", meint Bernhard Esser, Analyst bei der Bank HSBC.

Bleiben politische Unsicherheiten: In der Türkei drohen vor den Neuwahlen im November neue Spannungen zwischen ­Regierung und kurdischer Minderheit. "Es wird ungemütlich, politisch wie wirtschaftlich", so Wolf-Fabian Hungerland, Ökonom bei der Berenberg Bank.

Darüber hinaus dürfte der Druck an den Börsen kaum nachlassen, bis die Fed die Zinsen erhöht. Die Unsicherheit über Zeitpunkt und Ausmaß dürfte die Währungen der Schwellenländer noch über Monate belasten - neue Einbrüche sind zu erwarten. Rendite versprechen daher Produkte, die von fallenden Währungen pro­fitieren. Sie sind aber nur für ­spekulative und sehr erfahrene Investoren geeignet.

Investor-Info

Schwellenländerwährungen
Mehr oder weniger abgestraft

Schwellenländerwährungen stehen unter Druck. Besonders trifft es Länder, die unter dem Verfall der Rohstoffpreise leiden oder politisch instabil sind. So verlor der brasilianische Real in einem Jahr gut 40 Prozent und der südafrikanische Rand 20 Prozent zum Dollar. In Europa trifft es die Türkische Lira. Das ökonomisch robuste Indien trotzt bisher mit der Rupie einigermaßen dem Ausverkauf.

Zertifikate auf Währungen
Auf den Verfall spekulieren

Risikobereite Anleger können mit Hebelzertifikaten auf den Verfall von Schwellenländerwährungen setzen. Anfällig ist zum Beispiel der ­südafrikanische Rand: Das Land ist von Rohstoff­exporten abhängig und hat im Gegensatz zu Brasilien wenig Devisenreserven. Anleger können mit einem 3,8-fach gehebelten Papier von einem fallenden Rand zum Dollar profitieren (ISIN: DE 000 CK0 KV7 6). Sollte er ­wider Erwarten aufwerten, entstehen entsprechende Verluste. Die Barriere, bei der Totalverlust droht, ist aktuell 27 Prozent entfernt. Auch die Türkische Lira dürfte weiter fallen. Vor den Neuwahlen im November ist die Unsicherheit groß, zugleich brechen der Wirtschaft mit den Krisen im Nahen Osten Absatzmärkte weg. Mit einem 3,2-fach gehebelten Papier können Anleger auf eine fallende Lira setzen (DE 000 BP6 F1H 2). Zum Euro ist die Lira weniger gefallen als zum Dollar, das Abwärtspotenzial zum Euro ist größer.

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Mit Contracts for Difference (CFD), Differenz- kontrakten, setzen Anleger auf Währungen. Sie können den Basiswert zum Bruchteil des tatsächlichen Werts kaufen, was hohe Hebel ermöglicht. Das Risiko ist hoch - bis zum ­Totalverlust. Spekulanten sollten unbedingt Stoppkurse nutzen. Sonst können sie wegen der Nachschusspflicht sogar mehr verlieren als den Einsatz. Auf Rand, Rubel und Lira bieten alle wichtige CFD-Broker CFDs an. Schwer ist es, auf Real, Rupie oder indonesische Rupiah zu setzen. IG offeriert die Devisen aber.

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