Währungscrash

Schweizer Franken: Der große Absturz

27.05.15 21:30 Uhr

Schweizer Franken: Der große Absturz | finanzen.net

Als die Schweizer ­Notenbank die ­Bindung des Franken an den Euro aufgab, brachen alle Dämme. Der Euro fiel innerhalb von Sekunden in die Tiefe. Deshalb sind nun einige CFD-Trader hoch verschuldet.

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von Gian Hessami, Euro am Sonntag

Um 30 Prozent stürzte der Euro zum Schweizer Franken am 15. Januar innerhalb von ­Sekunden ab. Der Grund: Die Schweizer Nationalbank (SNB) hatte den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro aufgegeben, anschließend kam es zu einem Rekordtief von 0,842 Franken. Da nutzte es nichts, dass Anleger, die mit Differenzkontrakten (CFDs) agierten, Stopp­aufträge erteilt hatten, die Verluste vermeiden oder begrenzen sollten. Diese Orders werden stets erst mit dem nächsten Kurs ausgeführt. Die Marktbewegung war aber so heftig, dass bei vielen Kunden der Kurs, zu dem der Stopp griff, unter einem Franken lag. Durch die eingesetzten hohen Hebel rutschten viele CFD-Konten innerhalb von Minuten tief ins Minus. Da die Positionen nicht rechtzeitig glatt gestellt werden konnten, mussten viele Anleger Geld nachschießen.

Für einen Trader aus Nordrhein-Westfalen kam es knüppeldick. Er agierte mit einem Hebel von 400 und hatte bei seinem Broker IG rund 3.000 Euro als Sicherheitsleistung (Margin) hinterlegt. Hintergrund: Der Hebel entsteht, weil Anleger bei CFDs nur einen geringen Teil des gehandelten Kontraktwerts als Margin hinterlegen. Handelt man Kontrakte mit Hebel 400, und der Basiswert entwickelt sich um ein Prozent in die falsche Richtung, ergibt sich ein Verlust des 400-fachen ­Kapitaleinsatzes. Durch den mächtigen Hebel stürzte das Handelskonto des Traders ins Bodenlose. Die Nachschusspflicht betrug von einem auf den anderen Moment 280.000 Euro. So viel Geld sollte er dem Broker nachzahlen. "Ich hatte einen Stop-Loss bei 1,1998 Franken gesetzt und wähnte mich daher auf der sicheren Seite. Ich dachte, damit könnte ich maximal 1.000 Euro verlieren", sagt der 26-Jährige. Wenn er gewusst hätte, dass aus dem Investment 280.000 Euro Schulden werden können, hätte er es nie gemacht.

Sein Broker führte den Stop-Loss erst bei rund 0,9250 Franken aus. Nach Meinung des Anlegers hätte IG das Handelsrisiko besser managen sollen, um den Stop-Loss früher auszulösen. Vom Broker hatte er sich zudem eine bessere Aufklärung über die Risiken erwartet. Nun streitet sich der Elektroingenieur mit IG über die Höhe der nachzuschießenden Summe. IG hat ihm angeboten, auf 90 Prozent der offenen Forderungen zu verzichten. Somit stünden noch 28 000 Euro aus.

"Über das Angebot war ich nicht gerade erleichtert. Für mich könnte die Privatinsolvenz womöglich die bessere Alternative sein", sagt der Betroffene. So geht er das Risiko ein, den Streit mit IG zu verlieren. Der finanzielle Nachteil, der ihm im Insolvenzfall entstehen würde, ist seiner Meinung nach nicht deutlich höher als die Summe, die IG von ihm fordert. Zwar räumt er ein, dass es im Nachhinein nicht unbedingt klug war, mit hohem Hebel auf das Währungspaar zu spekulieren. Andererseits ist er der Ansicht, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) seines Brokers nicht vollständig über die Risiken aufgeklärt hätten.

"Wir haben uns mit nahezu allen vom Franken-Crash betroffenen Kunden geeinigt", sagt dagegen Gregor Kuhn, Senior-PR-Manager bei IG. Dabei habe man aus Kulanz bis zu 90 Prozent der entstandenen Verbindlichkeiten erlassen. Der betroffene Anleger habe jedoch bislang jedes Angebot ausgeschlagen, beklagt Kuhn. Er verweist zudem auf die Risikohinweise, die jeder Kunde bei einer Kontoeröffnung erhalte. Unter anderem heißt es dort: "CFDs sind Finanzprodukte mit Hebelwirkung. Der Handel mit CFDs birgt ein hohes Risiko und kann nicht für jeden Anleger angemessen sein. (…) Der Handel mit CFDs kann nicht nur zum Totalverlust Ihres eingesetzten Kapitals führen, sondern auch darüber hinausgehende Verluste nach sich ziehen."

Kein Kurs - keine Ausführung

"Anleger und Trader sind letztlich ihres Glückes Schmied. Der betroffene Investor kannte die Chancen und Risiken des CFD-Handels, nicht zuletzt wegen seiner hohen Tradingfrequenz im Vorfeld", sagt Kuhn. Mit einem Hebel von 400 im EUR/CHF-Währungspaar habe der Trader schließlich mehr als eine Million Euro bewegt. Zu dem Vorwurf des Anlegers, es sei fraglich, ob der Broker seine Position schon eher hätte verkaufen können, sagt er: "Wo kein Kurs gestellt wird, ist auch eine Ausführung nicht möglich." So seien Quotierungen unterhalb von 1,20 Franken im für den Devisenhandel relevanten Interbankenhandel zunächst gar nicht gestellt worden. Die Banken hätten die komplette Liquidität zurückgezogen. Sobald eine tatsächliche Kursstellung wieder verfügbar gewesen sei, hätte IG den Kurs von 0,9250 Franken erhalten, zu dem der Broker ­gehandelt und diesen an die Kunden weitergegeben habe.

Für den Anleger aus Nordrhein-Westfalen bleibt es dabei. Er will deutlich weniger als die von IG angebotenen zehn Prozent der eigentlichen Nachschusspflicht zahlen. Wie viel genau, will er aus verhandlungstaktischen Gründen nicht sagen. Nur so viel: im unteren einstelligen Prozentbereich. Sollte es zu keiner Verständigung kommen, scheut er sich nicht, vor Gericht zu ziehen.

Hebel reduzieren

Für Vergleiche hat Christian Schneider vom Broker WH Selfinvest wenig Verständnis: "Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass es eine Nachschusspflicht gibt." Von einer Abschaffung der Nachschusspflicht hält der Broker wenig. Jeder Kunde soll seiner Ansicht nach eigenverantwortlich handeln. Er könne eine Liquidierung und die Nachschusspflicht leicht umgehen. Bei CFDs könne man mit niedrigen Hebeln oder sogar ungehebelt agieren. "Wer mit einem Hebel von 1 tradet, dessen Konto wird nicht ins Minus rutschen", ergänzt Schneider.

Zur Nachschusspflicht ist es in Deutschland nicht nur bei IG, sondern auch bei anderen Brokern gekommen. Details möchten diese indes nicht nennen. Auf Nachfrage wollten sich nur zwei CFD-Anbieter äußern. Beim Broker Comdirect habe es sich um vergleichsweise geringe Nachschusspflichten gehandelt, die fast vollständig durch die Kunden direkt ausgeglichen worden seien. Beim S-Broker sei kein Kunde betroffen, da es zu dieser Zeit keine Euro-Franken-Positionen gegeben habe.

Der Devisencrash und insbesondere der Fall des CFD-Anlegers aus Nordrhein-Westfalen sorgen auch auf Onlineportalen für eine Menge Gesprächsstoff. So stehen im Forum von "Wallstreet Online" unter "Verschuldet durch CFD auf EUR/CHF" knapp 3.000 Beiträge. Ein Onlinenutzer meint zu dem Streit mit dem Broker: "Ich fürchte, da wirst du es schwer haben. Stopps funktionieren halt nur so lange, wie Liquidität vorhanden ist."

Investor-Info

CFD-Broker
Geringere Hebel auf EUR/CHF

Nach dem Währungscrash haben einige CFD-Anbieter die Hebelstärken auf das Währungspaar Euro-Franken reduziert. Je niedriger der Hebel, desto geringer das Risiko.

Risikoeinschätzung
Denn sie wissen, was sie tun

Jeder dritte CFD-Anleger behauptet, alle Gefahren bei seiner Anlageentscheidung zu kennen. Dieses Umfrageergebnis zeigt, dass die CFD-Trader deutlich besser informiert sind als Aktionäre und Durchschnittsanleger, von denen nur 13,6 und 10,6 Prozent angeben, über die Risiken ihrer Anlagen Bescheid zu wissen. Viele CFD-Fans wissen offenbar genau, auf welch riskantem Terrain sie sich bewegen.

Bei Streit vor Gericht
Art des Stop-Loss wichtig

Im Streit zwischen Anlegern und Brokern über die Nachschusspflicht muss womöglich das Gericht entscheiden. "Wenn eine Stop-Loss-Vereinbarung verletzt wurde, muss der Broker nachweisen, dass ihm die Ausführung zum vereinbarten Kurs nicht möglich war. Gelingt ihm dies nicht, verliert er den Prozess", sagt Pierre Rosenberger, ­Anwalt der Münchner Kanzlei Dornbach. ­Entscheidend sei der Inhalt der Stop-Loss- Vereinbarung. Ist es ein garantierter Stop-Loss, der keinen Bezug auf die Marktvolatilität nimmt, sei der Broker auch im Fall eines extremen Kurssturzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Werde in den Stop-Loss- Bedingungen auf den nächsten handelbaren Kurs abgestellt, sei es denkbar, dass die Stop-Loss-Vereinbarung hinfällig ist und den Anleger eine Nachschusspflicht trifft.

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