Anleihemarkt

Staatsanleihen - Wo Anleger lohnendere Alternative finden

07.09.10 06:00 Uhr

Die Renditen am Staatsanleihemarkt markieren historische Tiefststände. Alternativ investieren Anleger in Unternehmensanleihen, in Schwellenländer – oder in den Aktienmarkt.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

So viele Rekorde gab es in der nüchternen Welt der Bundesanleihen selten: Die effektive Verzinsung zehnjähriger Staatsanleihen ist so gering wie nie zuvor. Die Umlaufrendite hat ein historisch niedriges Niveau erreicht, das Anleihebarometer Bund Future feiert ständig neue Höchststände. Und die deutschen Schuldverschreibungen sind kein Einzelfall: Auch die Renditen für zehnjährige US- oder UK-Staatsanleihen sind im Keller.

Das Bedürfnis der Anleger nach Sicherheit ist offenbar größer denn je. Anleihe-ETFs zählten in diesem Jahr zur beliebstesten Anlageklasse auf dem ETF-Markt, auf sie entfiel beinahe ein Viertel der gesamten Nettomittelzuflüsse. Weltweit haben Anleger knapp 190 Milliarden US-Dollar allein in Renten-ETFs investiert.

Schon ist von einer Anleiheblase die Rede. „Doktor Doom“ Marc Faber vergleicht die Situation am Bondmarkt mit den Techaktien in den 90ern – das Fazit des Schweizer Investors: „Ich möchte mein Geld auf keinen Fall in US-Staatsanleihen ­haben.“ Noch extremer sieht es der ­ame­rikanische Crash-Prophet Peter Schiff von Euro Pacific Capital, der die Finanzkrise beeindruckend treffsicher vorhersagte: „Am Anleihemarkt haben wir gerade die Mutter aller Blasen. Wenn diese Blase platzt, werden die Verluste selbst von Aktien- und Immobilienmarktblase zusammen klein aussehen.“

Ist es wirklich der Herdentrieb, der die Anleihekurse in die Höhe treibt und die Renditen drückt? Fakt ist: Die Kurse, speziell von deutschen Staatsanleihen, implizieren eine extrem düstere wirtschaftliche Entwicklung, die beispielsweise Aktien- sowie Rohstoff- und Unternehmensanleihemärkte nicht in diesem Ausmaß widerspiegeln. Wie realistisch die Erwartungen, die der Bondmarkt einzupreisen scheint, jedoch sind, da gehen die Expertenmeinungen auseinander.

„Wir denken, dass die Situation der US-Wirtschaft eher besser ist, als es der Anleihemarkt zurzeit impliziert“, sagt etwa Jörg Zeuner, Chef­ökonom der Liechtensteiner VP Bank. „Die Unternehmenszahlen waren gut, und die europäischen Problemländer wie Griechenland, Spanien oder Portugal erfüllen momentan die Zusagen, die sie bezüglich der Sanierung der Staatsfinanzen gemacht haben. Unserer Ansicht nach kann ein Rückfall in die Rezession vermieden werden.“ Eine Korrektur an den Anleihemärkten könnte demnach eintreten, wenn sich die Wachstumsaussichten in den USA aufhellen. „Stellt sich heraus, dass das dritte Quartal dort besser als erwartet läuft, und kommen eventuell noch gute Zahlen aus Asien, könnte das die entsprechenden Impulse für den Bondmarkt liefern“, sagt Zeuner. Das zeigte sich bereits vergangene Woche, als positive Stimmungsdaten aus den USA und China den Bund ­Future sofort absacken ließen.

Robert Senz, Chief Investment ­Officer des Bereichs Festverzinsliche Anlagen bei Raiffeisen Capital Management, ist weniger optimistisch bezüglich der Entwicklung der US-Wirtschaft und hält die aktuellen Bund-Renditen daher durchaus für gerechtfertigt. „Wenn sich die Verschuldungssituation der Euro-Peripherieländer verbessert, könnten die deutschen Renditen leicht korrigieren, weil viele europäische Bond­investoren sich aufgrund der Schwierigkeiten in diesen Staaten in Bundesanleihen geflüchtet haben“, sagt Senz. „Grundsätzlich zeigt die Situation jedoch, dass Investoren reali­sieren, dass die grundlegenden Probleme, aus denen die Finanzkrise entstanden ist, nicht gelöst wurden.“ Auch das Risiko einer Deflation sei nicht ganz von der Hand zu weisen, meint Senz, wobei die Notenbanken, allen voran die Fed, entschlossen seien, mit allen Mitteln dagegen vorzugehen.


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Dass das Handeln der Notenbanken uns knapp an einer Deflation in den USA und den Eurokernländern vorbeischrammen lässt, ist auch die Meinung von Burkhard Allgeier, dem Chefvolkswirt der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser. „Allerdings sorgen die Notenbanken über die niedrigen Leitzinsen und dadurch, dass sie selbst als Anleihekäufer auftreten, auch für ein strukturelles Niedrigzinsumfeld am Bondmarkt“, sagt Allgeier. Die Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Abschwung der Weltwirtschaft beziffert man bei Hauck & Aufhäuser mit mindestens einem Drittel. „Alles hängt am amerikanischen Wachstum, und das war in den vergangenen drei Quartalen vor allem durch das Auffüllen von Lagerbeständen getragen. Der Konsum ist nach wie vor schwach, der in den USA bisher immer sehr wichtige Faktor Wohnungsbau quasi nicht vorhanden“, zählt Allgeier auf.

Anleger auf Sicherheitssuche haben in dieser Situation das Nach­sehen. Versicherer, Pensionskassen und institutionelle Anleger halten die Nachfrage auch nach Staatsanleihen mit Magerrenditen hoch, weil sie aufgrund interner oder externer Bonitätsvorgaben gar keine anderen ­Alternativen haben.
Auf dem Sicherheitslevel von Bundesanleihen – zumindest was das Ausfallrisiko angeht – ist es nahezu unmöglich, eine höhere Rendite zu erzielen, denn auch die Zinsen für Tages- und Festgeld sind extrem niedrig. Überall sonst müssen Anleger Kompromisse eingehen, was die Risikobereitschaft angeht. „Insgesamt ist die Stimmung an den Märkten einfach sehr fragil, fundamentale Erwartungen können sich zurzeit sehr schnell ändern“, sagt Robert Senz von Raiffeisen Capital Management. „Schon zwei, drei gute Wirtschaftsindikatoren aus den USA können das Meinungsbild in die eine Richtung kippen lassen, dann kommt die Euro-Default-Diskussion wieder auf, und die Stimmung dreht erneut.“ Die Performance, die Anleger mit Staatsanleihen in den vergangenen drei Jahren erzielen konnten, lässt sich seiner Meinung nach in der näheren Zukunft nicht wiederholen. Trotzdem rät er, weiter Bonds solider Schuldnerstaaten zu zeichnen: „Nicht um große Gewinne zu erzielen, sondern um das Erworbene zu halten.“

Auf den Bondmarkt beschränkt, sieht Jörg Zeuner vor allem bei Staatsanleihen aus den Emerging Markets oder von rohstoffreichen Ländern Alternativen zu den renditeschwachen Staatsanleiheklassikern. „Auch einzelne europäische Länder wie Polen, die Niederlande oder skandinavische Staaten mit einer Bonität knapp unter AAA bieten noch einen Aufschlag im Vergleich zu Bundesanleihen“, sagt Zeuner. „Die Entscheidung hängt aber immer sehr vom individuellen Anlageprofil und der Risikobereitschaft ab, man sollte da jedes Produkt möglichst mit ei­nem Berater durchgehen – ohne Risiko ist keine dieser Anlagen.“

Burkhard Allgeier sieht Chancen für Anleiheanleger eher im Corporate-Bereich – sofern die Investoren bereit sind, eventuell höhere Ausfallrisiken zu tragen. „Die Auswahl ist zwar kleiner geworden, aber es gibt durchaus noch sehr attraktive Titel, gerade auch von deutschen Unternehmen. Ich denke da beispielsweise an die aktuellen Emissionen von Haniel, Conti-Gummi, Fresenius oder Heidelberg Cement. Zu diesen Bedingungen muss ich nicht lange überlegen, ob ich mein Geld lieber einem Staat leihen würde“, sagt Allgeier.

Investoren, die nicht unbedingt auf festverzinsliche Papiere festgelegt sind, rät VP Bank-Chefökonom Zeuner aktuell zu einem Engagement auf dem Aktienmarkt. Dort locken gute Unternehmenszahlen und Dividendenrenditen, die deutlich über der effektiven Verzinsung von Staatsanleihen liegen. Bill Miller, Chef von Legg Mason Capital, spricht aufgrund der Bewertung im Vergleich zu Anleihen sogar von einer einzigartigen Gelegenheit, um Aktien großer Konzerne günstig einzusammeln: „Das letzte Mal, dass die Large Caps im Vergleich zu Bonds so billig waren, war im Jahr 1951.“

Investor-Info

Bund Future
Von Rekord zu Rekord
Der Bund Future ist ein Future auf eine fiktive zehnjährige Bundesanleihe mit sechs Prozent Verzinsung und gilt als das Barometer des europäischen Rentenmarkts. Im Zuge der hohen Nachfrage nach „sicheren“ Bundesanleihen erklomm der Indikator bis vergangene Woche neue Höchststände. Wie bereits in der letzten Ausgabe vorgestellt, können Anleger mit einem Put der Commerzbank (ISIN: DE000CM2T678) auf die Trendwende setzen.

Templeton Global Bond Fund
Internationales Anleiheportfolio
55 Prozent Plus in drei Jahren: Dass Fondsmanager Michael Hasenstab versteht, auf den globalen Rentenmärkten eine weit überdurchschnittliche Rendite zu erzielen – und das bei kalkulierbarem Risiko –, hat er in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen. Im Moment konzentriert er sich auf die Analyse der Fundamentaldaten von Volkswirtschaften, um günstige Bewertun­gen in einzelnen europäischen Ländern und Schwellenmärkten zu identifizieren und zum Einstieg zu nutzen.

Ausgewählte Einzelwerte
Wer mehr effektiven Zins bietet
Anleger, die bereit sind, auch in Fremdwährungen (z. B. Norwegische Kronen) oder bei Schuldnern mit nicht ganz erstklassiger Bonität zu investieren, können deutlich höhere Renditen als mit Bundesanleihen erzielen.

Alternative Aktienmarkt
Hohe Dividenden
Wer nicht grundsätzlich ein Engagement am Aktienmarkt für sich ausschließt, kann dort zurzeit viele Titel interna­tionaler, solider Unternehmen, die hohe Dividenden zahlen, günstig einsammeln. So liegt die erwartete Dividendenrendite der Deutschen Telekom für 2011 derzeit bei rund 6,9 Prozent, RWE bietet 6,7, Enel 7,2 und Kraft knapp vier Prozent. Die Entwicklung der 20 DAX-Werte mit den höchsten Dividendenrenditen bildet der ETFlab DAXplus Maximum Dividend (ISIN: DE000ETFL235) ab.