Vermögensverwalter-Kolumne

Vorsicht Geopolitik: Politische Radikalisierung in Europa und Ölpreis belasten Finanzmärkte

01.02.16 09:42 Uhr

Vorsicht Geopolitik: Politische Radikalisierung in Europa und Ölpreis belasten Finanzmärkte | finanzen.net

Eine Ursache für den historisch schlechten Start des Börsenjahrs 2016 ist die Vielzahl von geopolitischen Belastungsfaktoren, mit denen sich die Finanzmärkte auseinandersetzen müssen.

Von Thomas Wüst, Geschäftsführer Valorvest Vermögensverwaltung

Die derzeitige Häufung von geopolitischen Risiken verfestigt den Eindruck, dass die internationale Staatengemeinschaft verlernt hat, Krisen nachhaltig zu lösen. Das Bestandsschutzdenken nationaler Staaten führt dazu, dass sich das Krisenmanagement auf die Ebene der Symptombekämpfung verlagert hat, die Ursachen der jeweiligen Krisen aber nicht angegangen werden. Exemplarisch wird dies an der Staatsschuldenkrise in der Eurozone deutlich. So verschafft Draghi den Staaten der Eurozone mit der expansiven Geldpolitik der EZB Zeit, die die betroffenen Staaten für wichtige und auch schmerzhafte Strukturreformen nutzen sollten. Doch von Seiten der Politik wird, wenn überhaupt, nur halbherzig gehandelt - frei nach dem Motto: Draghi und die EZB werden es schon richten.

Schwelende Krisenherde in Europa und in Schwellenländern

So werden sich die Finanzmärkte 2016 wieder intensiv mit der Staatsschuldenkrise in der Eurozone beschäftigen. Die politische Radikalisierung in der EU und in der Eurozone, die sich in den Wahlausgängen in Polen, Spanien und Portugal bereits niedergeschlagen hat, wird einen Konsens innerhalb Europa zur gemeinsamen Lösung von derzeitigen Krisen erschweren. In diesem Zusammenhang könnte die "Brexit-Debatte" in Großbritannien bereits in diesem Jahr zu einer echten Herausforderung für die EU werden, wenn die Briten über ihren Verbleib in der EU in einem Referendum abstimmen. Den mangelnden Reformwillen trifft man aber nicht nur in Ländern Europas an, sondern auch bei vielen Schwellenländern. Sollten die Rohstoffpreise noch längere Zeit unter Druck bleiben, werden die Staatshaushalte von Schwellenländern, die vom Rohstoffexport leben, weiter belastet, wenn nicht auch hier entsprechende Strukturreformen entschlossen angegangen werden. Die bevorstehende Zerreißprobe in Europa und die Rohstoffpreisentwicklungen sind daher wichtige geopolitische Faktoren, die Anleger 2016 im Blick behalten müssen.

Finanzmärkte haben mit Staatsfonds einen wichtigen Verbündeten verloren

So belastet beispielsweise der fallende Ölpreis insbesondere die Staatshaushalte erdölexportierender Länder. In der Vergangenheit haben diese Staaten ihre Überschüsse aus dem Verkauf von Öl zum Teil als Reserve für schlechte Zeiten in sogenannten Staatsfonds angelegt. Es wird geschätzt, dass diese Staatsfonds nun fünf bis zehn Prozent aller globalen Finanzanlagen halten. Wenn nun die Staatshaushalte erdölexportierender Nationen unter Druck geraten, dann greifen manche Staaten auf ihre Finanzreserven zurück und verkaufen Teile ihrer Assets. Dieser "Sell-off" der Staatsfonds aus den Golfstaaten, Asien und Lateinamerika hat mittlerweile nach Berechnungen von Investmentbanken laut Bloomberg zu einem Volumen von etwa 75 Milliarden US-Dollar in Aktien und 110 Milliarden US-Dollar in Anleihen geführt. Zudem führen geringere Erlöse aus dem Verkauf von Öl auch künftig zu einem geringeren Anlagevolumen in der Zukunft. Liquidität, die den Finanzmärkten fehlt.

Fazit für Anleger

Diversifikation bleibt zwar das Gebot der Stunde. Wenn aber Staatsfonds Assets über alle Anlageklassen verkaufen, kommen zunächst nahezu alle Anlageformen, insbesondere risikobehaftete Wertpapiere, unter Druck. Fundamental betrachtet, gibt es jedoch jenseits geopolitischer Krisen gute Gründe, um risikobehaftete Assets, wie Aktien oder Hochzinsanleihen zu kaufen. Wenn wichtige Marktteilnehmer, wie Staatsfonds, unter Druck Assets verkaufen, entstehen durch die jüngsten Kursrückgänge auch wieder interessante Chancen. Anleger können daher die Rückschläge im Rahmen ihrer Anlagestrategie zu einem taktischen Rebalancing ihrer Depotanteile nutzen. Investoren brauchen in dem aktuellen Umfeld zur Erzielung einer Rendite aber eine ausgeprägte Risikotoleranz sowie einen langen Atem.
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