Krise: Gewinne mit Unternehmens-Bonds?
Die Eurokrise nimmt dramatische Züge an. Folgt nach den Eruptionen um Griechenland bald der Italien- oder der Spanien-Crash?
Kein Wunder, dass Staatsanleihen derzeit gemieden bzw. abgestoßen werden, der Markt der Unternehmensbonds dagegen zulegt.
Schließlich ist die Pleite von Euro-Mitgliedern wahrscheinlicher als eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit hoch profitabler Unternehmen.
Anleger, die nach Abzug von Inflation, Abgeltungsteuer und Bankspesen nicht real ärmer werden wollen, müssen beim Zins die Vier-Prozent-Hürde nehmen. Die ist mit Sparbuch und Tagesgeld ohnehin nicht, mit Papieren von Großkonzernen eher knapp zu schaffen. Wer mehr will und Aktien aus Prinzip meidet, muss Hochzinsanleihen kaufen – zum Beispiel Schrott aus Griechenland oder eben Anleihen kleiner Unternehmen – Mittelstandsbonds. Doch die sind nicht ohne...
Aus offensichtlichem Mangel an Alternativen reißen Anleger sich geradezu um diese Schuldtitel der mittleren und kleinen Unternehmen. Das machte zuletzt wieder der Ansturm auf die 30 Millionen Euro schwere Anleihe des Lakritzherstellers Katjes deutlich. Die Anleihe im Volumen von 30 Millionen Euro war schon am Morgen des ersten Zeichnungstages platziert und rund 2,5-fach überzeichnet. Ähnlich war es zuvor auch den Konsumgütermarken Underberg und Valensina sowie AirBerlin ergangen, die insgesamt fast eine halbe Milliarde Euro platziert hatten.
Eurobonds aus Schuldensünderländern will dagegen kaum noch jemand haben. Sie werden trotz deutlich höherer Rendite gegen vermeintlich sichere Unternehmensanleihen getauscht. Laut Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG, sind derzeit unter anderem Corporate Bonds von Bosch mit Laufzeit 06/2013 und einer Rendite von ca. 2,03%, Daimler mit Laufzeit 07/2013 und Rendite ca. 2,00% oder SAP mit Laufzeit 08/2013 und Rendite ca. 2,05% gefragt. Bonds mit vergleichbaren Laufzeiten von Griechenland (Laufzeit 08/2013, Rendite ca. 30%), Portugal (09/2013; ca. 16,5%) oder Spanien (07/2013; ca. 4,00%) stehen ganz oben auf den Verkaufslisten.
Die Auswahl an auf den ersten Blick sehr attraktiven Unternehmensanleihen ist aktuell enorm. Die niedrige Zinssituation bietet Konzernen extrem günstige Konditionen, über den Kapitalmarkt Geld einzusammeln. Oft bleibt ihnen allerdings auch nichts anderes übrig. Denn wegen der Basel III-Richtlinien, die nicht nur die oft ohnehin schon schwindsüchtigen Bilanzen der Banken weiter schmälern, sondern auch das Kreditvolumen, sind Darlehen von den Finanzinstituten nur schwerlich zu bekommen.
Das trifft vor allem viele Mittelständler hart. Ihnen hilft der aktuelle Anleihe-Boom darum auch besonders. Und alle beteiligten Akteure scheinen gleichzeitig zu gewinnen. Die Unternehmen erhalten Geld zu günstigen Konditionen, Banken profitieren von Emissionsgebühren, der Sparer zwischen sieben und neun Prozent an Rendite. Wesentlich mehr als für Sparbüchern oder Tagesgeldkonten, die weniger als zwei Prozent abwerfen.
Wachstum mit Schwankungen
Laut Thomson Reuters wuchs der Markt für Unternehmensanleihen allein im ersten Halbjahr in Europa auf rund 120 Milliarden Euro. Das sind fast zehn Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2010. Analysten sprechen von einem Nachfrage-Überhang, der weiter anhalten sollte. Mindestens noch bis zum Jahr 2012.
Allerdings geht es dabei oft sehr volatil zu. Zu größeren Einbrüchen im Markt kommt es beispielsweise immer dann, wenn die Verunsicherung über das Ausmaß der Krise stark wächst. So haben im Juni Unternehmen außerhalb der Finanzbranche in Europa Anleihen im Volumen von 10,5 Milliarden Euro emittiert. Ein Rückgang von etwa 63 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Ähnlich war der Einbruch im April dieses Jahres verlaufen, als sich die Lage in Griechenland schon einmal zuspitzte. Auch da war das Geschäft mit neuen Firmen- und Bankanleihen für kurze Zeit fast zum Stillstand gekommen. Kaum, dass das Parlament in Athen allerdings ein Sparpaket geschnürt hatte, beruhigten sich die Finanzmärkte wieder.
Größere Risiken bei Firmenanleihen erkennen nur die wenigsten Anleger oder wollen sie erst gar nicht sehen. Dabei handelt es sich bei den meisten dieser Anleihen, vor allem aber den Mittelstandspapieren, eigentlich um Ramsch. Unternehmen wie Valensina oder Katjes haben ein Rating unterhalb von BBB. Der 1999 aus einem Silobauer entstandene Zulieferer für die Windenergiebranche, SIAG Schaff Industrie AG, sogar nur CCC+, nur wenig besser als das kurz vor der Pleite stehende Griechenland.
Negativ bewertete die Analystin von Standard & Poor's (S&P) bei SIAG vor allem einen hohen Fremdkapitaleinsatz und ein anfälliges Geschäftsmodell. Die Nachfrage sei zyklisch, die Rentabilität teilweise schwach, das Verhältnis von bereinigter Verschuldung und operativem Gewinn werde Ende des Jahres voraussichtlich zwischen 5 und 6 betragen und erst 2012 unter 5 sinken können.
Was viele Anleger dennoch von der fünfjährigen Anleihe überzeugt hat, war der schnöde Mammon, der hohe Zinskupon von 9 Prozent. Doch dieser Köder hat „Geschmäckle“. Es gibt nämlich einen Grund, warum die Zinsen fast aller Unternehmen im einstelligen Bereich liegen, unabhängig vom Rating oder der Branche des Unternehmens. Psychologen wollen herausgefunden haben, dass zweistellige Renditen bei Anlegern zumeist Misstrauen wecken. Und dementsprechend bietet kein Mittelständler mehr als diese neun Prozent.
Immerhin hat sich SIAG aber einem harten Rating gestellt. Das hätte das Unternehmen gar nicht auf sich nehmen müssen. Oft stammen die Ratings nicht von S&P oder anderen Größen der Branche, sondern von Creditreform oder Hermes. Dabei wird meist einmal die Anleihe bewertet, sondern ausschließlich das Unternehmen. Das macht aber wenig Sinn, weil die Anleihe weit weniger sicher ist.
Also doch lieber auf ausgewählte, angeblich „bombensichere“ Staatsanleihen setzen?
Auch das ist nicht ohne Risiko. Hält man beispielsweise deutsche Staatsanleihen im Depot und steigen die Zinsen in der Eurozone überraschend an, drohen sogar Kursverluste.
Grund ist, dass potenzielle Käufer neue Anleihen mit den höheren Zinsen kaufen können. Will man seine alten Anleihen aber loswerden, muss man sie so billig hergeben, dass der Käufer eine genauso hohe Rendite erzielen kann wie mit neuen Anleihen. Wer einfach bis zum Laufzeitende abwartet, braucht sich zwar darum nicht zu kümmern, bekommt am Ende aber nur die anfangs versprochenen Zinsen.
Tatsache ist: Der Ansturm auf die Firmen-Bonds kommt nicht von ungefähr. Er ist auch eine Folge der Niedrigzinspolitik der Notenbanken. Die Anleger wollen mehr, als das, was Sparbuch, Tagesgeld oder auch Bundesanleihe an Renditen bieten.
Allerdings ist der Anleihemarkt sehr unübersichtlich und intransparent. Trotz einzelner Börsenregeln existieren immer noch keine wirklichen Standards. Welche Folgen ein solcher Hype bei Anleihen hat, lässt sich an den USA studieren. Ende der 80er-Jahre kam es dort zu einem regelrechten Boom bei Ramschanleihen, der nach dem Absturz vielen Anlegern ihr Geld kostete.
MEIN FAZIT:
- Corporate Bonds können eine echte Alternative zu Staatsanleihen sein.
- Für sie spricht unter anderem, dass viele der Unternehmen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise solide mit Kapital und Liquidität ausgestattet sind.
- Die Ausfallquote bei Unternehmensanleihen ist historisch niedrig.
- Generell gelten für den Anleihemarkt allerdings dieselben Regeln wie für den Aktienmarkt. Mehr Rendite gibt es also auch nur um den Preis eines höheren Risikos. Das gilt besonders für die Mittelstandsanleihen. Dieses Risikos sollte man sich als Anleger sehr bewusst sein.
- Kaufen Sie nur Anleihen, die man auch bis zur Endfälligkeit halten kann. Damit ist schon ein gewisser Zeithorizont verbunden. Wer vor Ende der Laufzeit verkaufen will, sollte unbedingt auf die Liquidität einer Anleihe achten.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.