Frankreich wankt: Sarkozys Kampf um die Macht...
Nicolas Sarkozy steht mit dem Rücken zur Wand: Gemeinsam mit Angela Merkel will er aus der EU eine Stabilitätsunion machen.
Ein äußerst schwieriges Unterfangen, wie die letztlich gescheiterten Brüsseler Verhandlungen bewiesen.
Ob der Euro überhaupt noch gerettet werden kann, ist weiter offen. Wie es um Sarkozys Zukunft bestellt ist, auch. Denn der französische Präsident muss um seine Macht fürchten. Im Frühjahr stehen Wahlen an und die Grande Nation ist in einem miserablen Zustand.
Präsident Sarkozys Chancen auf eine Wiederwahl sind alles andere als gut. Nur 40 Prozent aller Franzosen trauen ihm zu, die europäische Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, so eine Umfrage kurz nach den Verhandlungen in Brüssel. Was noch brisanter ist: Nur jeder vierte Franzose glaubt noch Sarkozys Aussagen zur wirtschaftlichen Lage in Frankreich.
Woche für Woche erklären er und seine Minister, das eigene Land benötige keinen dritten Sparplan zur Defizitbekämpfung. Frankreich sei stabil, an der Wachstumsprognose von einem Prozent für 2012 werde darum festgehalten. Von „Verschleierung“ und „Betrug“ spricht die Opposition und verwies auch auf die angedrohte Herabstufung der Bonität um zwei Stufen durch die Ratingagentur Standard & Poor´s (S&P).
Warnschuss von Standard & Poor´s
Tatsächlich steht Frankreich nach dem Warnschuss von S&P´s besonders unter Druck. Doch es sind eben nicht Ratingagenturen allein, die die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone belasten. Die Probleme sind auch hausgemacht: Die Arbeitslosenzahl stieg im Oktober auf den höchsten Stand seit Januar 1999, kletterte im Vergleich zum Vormonat um 1,2 Prozent auf rund 2,8 Millionen.
Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat stieg die Zahl der Arbeitslosen damit um 4,9 Prozent. Für die anstehenden Wintermonate wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet. Dazu kommt ein mögliches neues Rekord-Handelsbilanzdefizit. In den ersten zehn Monaten des Jahres betrug dieses bereits 61,5 Milliarden Euro und lag damit deutlich über dem bisherigen Höchststand von 56,2 Milliarden Euro im Krisenjahr 2008.
Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit könnte fatale Auswirkungen haben, denn sie hat Folgen für den Konsum, den eigentlichen Motor der französischen Wirtschaft. Kommt dieser noch kräftiger ins Stottern als ohnehin schon, wird es gefährlich. Die Verbraucher sind bereits zutiefst verunsichert: Fast 50 Prozent verzichten derzeit auf größere Anschaffungen, selbst das Weihnachtsgeschäft läuft nur schleppend.
OECD mahnt weiteren Sparplan an
Immer schneller dreht sich jetzt die Abwärtsspirale: Erst Anfang November musste Paris die Wachstumsprognose für 2012 von 1,75 auf ein Prozent senken. Der erste Sparplan war damit schneller Makulatur, als selbst Kritiker der Regierung befürchtet hatten. Härtere Maßnahmen zur Schuldenbegrenzung wurden beschlossen.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 5,5 wurde auf sieben Prozent erhöht, viele weitere Steuervergünstigungen eingeschränkt, der Beamtenapparat weiter ausgedünnt und die Umsetzung der 2010 beschlossenen Rentenreform beschleunigt. All das soll im kommenden Jahr zusammen mit dem ersten Sparpaket rund 20 Milliarden Euro an Einsparungen bringen.
Das allein wird nicht ausreichen, meint die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD). Sie mahnte Frankreich eindringlich, weitere acht Milliarden Euro einzusparen, wenn das Haushaltsdefizit 2012 wie versprochen von zuletzt sieben Prozent auf 4,5 Prozent des BIP fallen soll. Präsident Sarkozy und seine Getreuen wollen davon bisher nichts wissen.
Wirtschaftsminister François Baroin meinte direkt an die OECD gerichtet: „Die Prognose-Leute haben mit den Wettervorhersagern und den Kartenlegern leider gemein, dass ihre Aussagen ein hohes Maß an Ungenauigkeit aufweisen“. Es wird keinen dritten Plan geben, erklärte inzwischen auch Premierminister François Fillon. „Man muss ohnehin erst mal abwarten, wie das Wachstum im ersten Quartal 2012 tatsächlich ausfällt. Vielleicht muss dann der Haushalt noch ein wenig angepasst werden“.
Selbst die S&P-Androhung, Frankreich die Top-Bonität zu nehmen, scheint Frankreichs aktuelle Regierung derzeit noch kalt zu lassen: Natürlich nehme man das sehr ernst, versuchte Außenminister Alain Juppé zu beruhigen. Der mögliche Verlust des „AAA“-Ratings sei jedoch nur eine „Drohung, noch keine Entscheidung“.
Außerdem seien ja auch andere Staaten von der Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit bedroht. Was durchaus stimmt: S&P hat nicht nur Frankreich, sondern alle Euro-Länder bis auf Zypern und Griechenland mit einem negativen Ausblick versehen. Die Kreditwürdigkeit Zyperns wird bereits überprüft und die Bonität Griechenlands ist ohnehin die schlechteste aller Staaten der Welt.
Schlechtes Omen? Unkommentiert ließ die Pariser Regierung, dass Dagong Global Credit Rating, chinesischer Konkurrent von S&P, schon vollzogen hat, was die Amerikaner bisher nur androhten: Wegen anhaltender Strukturprobleme und mangelhafter Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt stuften die Ratingexperten aus dem Reich der Mitte die Kreditwürdigkeit der Franzosen von AA- auf A+ herab. Dagong waren im August dieses Jahres auch die ersten, die die Kreditwürdigkeit der USA herabgestuft hatten. S&P folgte den Chinesen nur drei Tage später...
MEIN FAZIT:
- Wird aus der S&P-Androhung ernst und Frankreich seine Top-Note verlieren? Ich sehe wirklich nicht, wie das verhindert werden könnte. Das Land spaziert am konjunkturellen Abgrund, angeführt von einem Präsidenten, der verzweifelt aber planlos um seine Macht kämpft.
- Das Festhalten der Regierung an der Wachstumsprognose für 2012 von einem Prozent ist nur den Wahlen im Frühjahr geschuldet. Realistisch sind maximal 0,3 Prozent. Dazu wird die Arbeitslosigkeit steigen, der Konsum leidet jetzt schon.
- Das Problem ist nicht nur die Schuldenkrise, sondern auch Sarkozy selbst: Der Präsident hält daran fest, dass kein dritter Sparplan benötigt wird. Dahinter steckt Kalkül: Er will die Wähler nicht verprellen, die genug haben, für andere Staaten zu zahlen und zu sehen, dass im eigenen Land der Gürtel immer enger geschnallt werden muss.
- Aber selbst wenn ein dritter Sparplan käme: Er würde wie seine Vorgänger vermutlich ähnliche schwere Denkfehler haben. Der Abbau von Staatsschulden kann auf Dauer nur funktionieren, wenn eine Wirtschaft wächst. Wenn aber im Abschwung staatliche Ausgaben zusammengestrichen und gleichzeitig Steuern angehoben werden, ist es wenig verwunderlich, wenn die Konjunktur komplett einbricht.
- Die Haltung Sarkozys, der mehr an seinem Machterhalt interessiert scheint als an einer gesicherten Zukunft seines Landes, sowie der mögliche Verlust der Top-Bonität für Frankreich, verdüstern die Aussichten auch für die Euro Zone. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas droht als Stabilitätsgarant neben Deutschland auszufallen.
- Ein Staat aber, dem selbst kaum noch jemand zutraut, seine Schulden zu beherrschen, ist als Stützpfeiler für die angeschlagene EU verloren.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.