Angst vor Hellas
Freiwillige Umschuldung oder zwangsweise Umschuldung?
Das ist hier die Frage, die nicht nur Investoren bewegt. Die privaten Anleihen-Gläubiger müssen bis heute (21:00 Uhr MEZ) entscheiden, ob sie dem Umtausch zustimmen und damit auf Forderungen im Gesamtvolumen von rund 107 Milliarden Euro verzichten. Griechenland hat Anleihen nach griechischem Recht für nominal 177 Mrd. € begeben. Um den Sanierungsbeitrag i.H.v. 107 Mrd. € zu erreichen, müssen 90 Prozent der Gläubiger das Umtausch-Angebot annehmen. Dies hatte Athen allerdings zur Bedingung gemacht! Während die Troika, bestehend aus der Euro-Gruppe, der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF), bezweifelt, dass es zu einem freiwilligen Umtausch kommt, herrscht in Griechenland noch (Zweck)-Optimismus. Für Experten ist es klar, dass die Umtauschquote von angestrebten 90 Prozent nicht erreicht werden kann. Damit dürften die nachträglichen Zwangsklauseln (sog. Collective Action Clauses, CACs) aktiviert werden. Die Bereitschaft zu einer solchen Lösung wurde bereits vom griechischen Finanzminister Venizelos in Aussicht gestellt. Denn die zwölf privaten Anleger, die bei den Verhandlungen mit den EU-Finanzministern und Griechenland dem Umtauschangebot zugestimmt haben, halten nur 20% der ausstehenden Bonds. Damit nicht genug, denn bei dem Gläubigervotum müssen mindestens die Hälfte des betroffenen Kapitals (88,5 Mrd. €) vertreten sein und die davon notwendige Zweidrittelmehrheit würde bei 59 Mrd. € erreicht werden. Das bedeutet aber zugleich, dass ein Drittel der Gläubiger (29,5 Mrd. €) einen Umtausch wiederum blockieren könnte. Diese Sicht gilt nur für das Minimumszenario. Sollten sogar alle 177 Mrd. € bei dem Gläubigervotum vertreten sein, so würden sich die Summen deutlich erhöhen. Die Zweidrittelmehrheit bei dem Maximumszenario beträgt 118 Mrd. €. Und hier beginnen nun die Spekulationen und Verschwörungstheorien! Eines sollte allerdings allen Beteiligten klar sein: Die Alternative im Falle des Scheiterns heißt ungeordneter Zahlungsausfall und das mit allen finanziellen Unabwägbarkeiten.
Wenn nicht jetzt wann dann?
Wer zahlt schon gerne sinnlos eine Prämie?
Bereits in der letzten Woche fiel die Entscheidung des Ausschusses der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) entgegen den Erwartungen aus, dass auch im Falle einer Zustimmung der privaten Anleger zur freiwilligen Umschuldung die Credit Default Swaps (CDS), also die genannten Kontrakte, mit denen sich Marktteilnehmer gegen den Ausfall des Schuldners Griechenland versichern können, nicht ausgezahlt werden. Diese Kreditausfallversicherung wird nicht automatisch fällig, sondern der Ausschuss des ISDA muss nach Stellen eines Antrags darüber beschließen. Nach deren Auffassung liegt kein entsprechendes Kreditereignis (Credit Restructuring Event) vor. Nicht zu Unrecht fragen sich nun die Marktteilnehmer, wann diese Kreditausfallversicherungen dann fällig werden, wenn nicht jetzt. Für Experten ist die Entscheidung der ISDA ein Präzedenzfall. Sollte sich an den Märkten die Überzeugung durchsetzen, dass CDS im Ernstfall nicht ausgelöst werden, erfüllen sie ihren Zweck nicht mehr. Damit könnten professionelle Anleger sich nicht mehr gegen einen Kreditausfall absichern. Eine Folge könnte eine Flucht aus dem Markt für Staatsanleihen sein. Übrigens beobachten Fondsmanager interessiert diese Diskussionen, denn sie fungieren als Sicherungsgeber für Marktteilnehmer und generieren dadurch Zusatzeinnahmen in Zeiten magerer Zinserträge.
EZB auf der Lauer
Die Target2-Bombe tickt weiter.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer letzten Sitzung keine weiteren Schritte zur Stabilisierung der Euro-Zone unternommen und wird auch auf der heutigen Sitzung des Zentralbankrats den Leitzins auf dem niedrigen Niveau von 1,0% halten. Nach dem Dreijahrestender von mehr als 500 Mrd. Euro geht man davon aus, dass die Märkte ausreichend mit Liquidität versorgt sind. Doch das muss nicht immer so bleiben! Skeptiker halten es durchaus für möglich, dass die EZB ihren Leitzins im III. Quartal auf 0,5% senken wird, sollte Griechenland nach der Wahl im April tatsächlich aus der gemeinsamen Währung austreten und das Konstrukt der Finanzbranche ins Wanken geraten. Somit hat sich die EZB selbst eine Pause verordnet und tut gut daran, sich auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Denn diese werden kommen! Die Geldpolitik ist weiterhin eher als eine Politik mit Geld zu verstehen. Somit entsteht die nächste Blase. Liquidität ist genügend vorhanden und diese sucht nach Anlagemöglichkeiten. Wie ausufernd die Geschäftspraxis der Notenbanken geworden ist, zeigt ein Blick in die Target2-Forderungen. Alleine bei der Deutschen Bundesbank haben sich diese Forderungen per 29. Februar 2012 auf 547 Mrd. € summiert. Das sind 70,6% mehr als noch vor einem Jahr. Und die Zuwachsraten steigen von Monat zu Monat an. Die dadurch ausgelösten Diskussionen über eine Begrenzung der Target2 Kredite scheint aktuell aber kein Gehör bei den EZB-Vertretern zu finden. Die Gefahren werden verniedlicht und Europa saniert sich nicht zuletzt über Inflation und eine schwache Währung zu Lasten der Schwellenländer. Viele Marktbeobachter sprechen bereits heute von einer Art Währungskrieg.
Fiskalpakt mit ersten Rissen
Spanien unterschreibt und schert aus
Mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien haben alle EU-Staaten auf dem Frühjahrsgipfel den Fiskalpakt unterzeichnet. Dies ist ein erster Schritt zu mehr Zuverlässigkeit, nun muss aber noch die nationale Umsetzung folgen. Dies ist zur Vermeidung neuer Schuldenkrisen unumgänglich und muss auch entsprechend gelebt werden. Von reinen Lippenbekenntnissen hat Europa wenig, denn hinter diesen sinnvollen Beschränkungen verbirgt sich eine Chance für Europa. Andere Staaten wie USA und Japan hinken hinterher. Somit kann man sogar von einer historischen Chance sprechen, den Staatshaushalt auf niedrigem Niveau zu konsolidieren und zu sanieren. Allerdings macht die Tatsache, dass Spanien bereits kurz nach der feierlichen Unterzeichnung die verschärfte Haushaltsdisziplin für nicht erreichbar erklärte, wenig Mut für die Zukunft. Dennoch gilt es nicht müde zu werden und den Weg weiter zu beschreiten.
MAN ist wieder aktiv geworden
Aber auch Ramsch lässt sich noch platzieren.
Trotz der nicht gelösten Griechenlandfrage und der damit verbundenen Verunsicherung der Investoren wagten sich einige Unternehmen an den Kapitalmarkt.
So wurde u.a. der französische Einzelhandelskonzern Casino Guichard-Perrachon am Primärmarkt mit 600 Mio. € aktiv. Die Anleihe wird mit jährlich 4,00% verzinst und in 2020 zurückbezahlt. Das Unternehmen wird mit BBB- benotet.
Auch der finnisch-schwedische Papier- und Verpackungshersteller Stora Enso konnte die noch positive Stimmung Ende letzter Woche nutzen, um 500 Mio. € frisches Kapital einzusammeln. Das Unternehmen ist mit der Note Ba2 ausgestattet. Somit handelt es sich um einen Non-Investmentgrade „High Yield“ Bond. Die „Ramschanleihe“ verzinst sich mit 5,5% und wird in 2019 getilgt.
Besonders interessant waren aber aus deutscher Sicht zwei Emissionen: Erstens die neue Anleihe von Heidelberger Zement. Die Altemissionen waren in den letzten Wochen sehr gefragt. Dadurch konnte sich das Unternehmen im aktuellen Marktumfeld günstiger refinanzieren und musste den Investoren lediglich eine jährliche Verzinsung von 4% bieten, um erfolgreich 300 Mio. € zu platzieren. Dennoch wurde der Bond vergleichsweise zu teuer gepreist und notiert mittlerweile unter dem Ausgabekurs.
Und zweitens wurde der Maschinen- und Fahrzeugbaukonzern MAN SE erstmals seit drei Jahren wieder am Anleihemarkt tätig. Das Unternehmen platzierte problemlos 750 Mio. € zu einem Zinssatz von 2,125%. Die Rückzahlung erfolgt in 2017 und das Rating beträgt A3.
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Der Autor dieses Artikels ist Klaus Stopp, Leiter der Skontroführung Renten bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de
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