Cheabols - Die Macht der koreanischen Familienclans
Cho Hyun Ah habe nicht die Absicht gehabt den Flugbetrieb zu stören, befanden die Richter des Berufungsgerichts in Seoul, als sie die einjährige Haftstrafe wegen Verstoßes gegen die Flugsicherheit und Gewaltanwendung in eine Bewährungsstrafe umwandelten.
Die Staatsanwaltschaft hatte im ersten Prozess sogar drei Jahre Haft gefordert.
Die plötzliche Milde der Richter sorgte in Korea für Stirnrunzeln, denn die Geschehnisse hatten eigentlich für sich gesprochen. Angefangen hatte alles, als Cho Hyun Ah, Tochter des Eigentümers von Korean Air, nach einem Shoppingtrip in New York in der ersten Klasse einer A380 der Korean Air nach Hause fliegen wollte. Das Boarding war beendet, die Maschine rollte Richtung Startbahn, als einer Stewardess der ersten Klasse ein fataler Fehler unterlief. Sie hatte Cho Hyun Ah Macadamia-Nüsse offeriert, diese aber in der Portionstüte belassen, statt sie in ein Schälchen umzufüllen.
Die Eigentümertochter geriet darüber so in Rage, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten. Sie beschimpfte die Stewardess lautstark und anhaltend, dann ließ sie den Purser kommen. Auch ihn beschimpfte sie unflätig, ließ ihn im Gang niederknien, schlug mit ihrer Tasche und mit Aktenordnern auf ihn ein und zwang schließlich den Kapitän den Startvorgang abzubrechen und zum Gate zurückzukehren. Erst als Stewardess und Purser das Flugzeug verlassen hatten beruhigte sich Cho Hyun An wieder.
Das Vorkommnis selbst und der glimpfliche Ausgang des Gerichtsverfahrens wirft ein grelles Schlaglicht auf die Macht und das Selbstverständnis der Chaebol - der großen, reichen Unternehmerfamilien in Korea. Chaebol heißt übersetzt etwa "reiche Sippe" und die reichen Sippen Koreas haben viel zu dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg im Süden des geteilten Landes beigetragen. Hanjin (Korean Air), Hyundai, Kia, Daewoo oder Lotte (Einzelhandel, Nahrungsmittel) sind nur einige Konzerne dieser Chaebol, die fast das gesamte Bruttosozialprodukt des Landes erwirtschaften. Allein der vom Lee-Clan geführte Samsungkonzern steht für rund 20 Prozent der südkoreanischen Wirtschaftsleistung.
Samsung ist jüngst mit dem Pannen-Handy Galaxy Note 7 in die Schlagzeilen geraten. Ob beim VW-Diesel-Skandal oder beim Galaxy Note 7, bei dem selbst die Nachbesserungen in Flammen aufgingen oder den Kunden um die Ohren flogen, fragt man sich, wie so etwas in einem ansonsten hochprofessionellen Unternehmen eigentlich passieren kann. Und häufig findet man die Antworten im Führungsstil des Unternehmens. Streng hierarchische, patriarchalische Führungsstrukturen, Angst bei den Untergebenen, Machtstreben, Ehrgeiz, manchmal Überehrgeiz - in solchen Firmenkulturen greifen interne Kontroll- und Schutzmechanismen oftmals nicht mehr. Fehler werden aus Angst verschwiegen, Unmögliches wird irgendwie möglich gemacht, Hauptsache den Vorgaben wird genügt, egal wie.
In Südkorea, wie in weiten Teilen Asiens, kommt bei den Mitarbeitern die Angst des "Gesichtsverlustes" hinzu. Von den Patriarchen wird das gnadenlos ausgenutzt. Wie der US-Blog TechCrunch berichtet, ließ der Samsung-Eigner Lee Kun Hee einmal als Reaktion auf Produktionsmängel 150.000 Fernseher, Handys und Faxgeräte aufschichten. Dann ging der Patriarch hin und zertrümmerte einige Geräte mit dem Hammer um seinen Abscheu vor der mangelhaften Qualität auszudrücken. Schließlich wurde der Scheiterhaufen angezündet. Viele der 2000 Arbeiter, die dem Spektakel beiwohnen mussten, brachen in Tränen aus.
Behördliches Einschreiten müssen die Clans bei solchem Tun nicht fürchten. Selbst bei Verdacht auf Straftaten ist eine Verfolgung der Vergehen nicht immer gewährleistet, wenn ein Cheabol-Mitglied betroffen ist. Kim Yong Chul, ehemaliger Chefanwalt von Samsung, erhob 2010 in seinem Buch "Think Samsung" schwere Vorwürfe gegen den Familienclan. Es ging um Steuerhinterziehung, Bestechung und weitere Straftaten. Das Buch war eine Art Kronzeugenaussage. Die Folgen: keine. Die Staatsanwaltschaft verweigerte die Aufnahme von Ermittlungen trotz der detaillierten Angaben Kims, der Lee-Clan ignorierte Buch und Autor. Auf die Frage, warum Samsung die Auseinandersetzung mit dem Autor scheue, sagte Kim Jun-Shik, Samsungs Vize-Präsident der Unternehmenskommunikation der News York Times damals: "Wenn man ein Stück Exkrement sieht, dann meidet man es. Nicht weil man es fürchtet, sondern weil es schmutzig ist."
von Dr. Ekkehard J. Wiek, Vermögensverwalter und Asien-Fondsmanager, Straits Invest Pte Ltd in Singapur
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