Unwahrscheinliche Prognosen

Negative Staatsanleihen, Leben im Weltraum und Biden schafft das Unmögliche: Graue Schwäne 2021

07.07.21 06:30 Uhr

Negative Staatsanleihen, Leben im Weltraum und Biden schafft das Unmögliche: Graue Schwäne 2021 | finanzen.net

Nach dem spannenden Börsenjahr 2020 sehnen sich viele Anleger nach Normalität. Experten haben nun aber eine Liste von Ereignissen zusammengestellt, die - wenn sie tatsächlich eintreten - für massive Erschütterungen an den Märkten sorgen dürften.

• Wenig wahrscheinliche Ereignisse könnten für Bewegung an den Finanzmärkten sorgen
• Macro Hive veröffentlicht graue Schwäne für 2021
• Devisen, Politik und Weltraum im Fokus



Ob es sich bei der Corona-Pandemie um einen schwarzen Schwan, also ein unvorhersehbares Ereignis mit massiven Folgen oder einen grauen Schwan, also ein wenig wahrscheinliches, folgenschweres Ereignis handelt, oder aber ob der Ausbruch eines Virus wie COVID-19 nicht letztlich zu erwarten gewesen sein dürfte, darüber sind viele Marktteilnehmer geteilter Meinung. Doch die folgenden Szenarien gehören eindeutiger in die Kategorie "grauer Schwan".

Bilal Hafeez, der CEO des Finanzstrategieunternehmens Macro Hive und seine Kollegen haben einmal mehr zehn Szenarien vorgestellt, die zwar nicht unbedingt zu erwarten sind, jedoch massive Marktverwerfungen mit sich bringen dürften, falls sie doch eintreten. Ausschließen lässt sich zumindest keines der Ereignisse.

Die Renditen für US-Staatsanleihen werden negativ

Ein Blick auf die aktuelle Lage am Anleihenmarkt scheint dieses Szenario wenig wahrscheinlich zu machen. Denn die Renditen für US-Staatsanleihen, denen im Bondmarkt eine leitende Funktion zukommt, befinden sich im Aufwärtstrend. Und kommt es zu einer Erholung der Wirtschaft, wäre sogar eine außerordentlich schnelle Anhebung der US-Leitzinsen möglich, hatte zuletzt Raphael Bostic von der Fed in Atlanta, erklärt.

Den möglichen grauen Schwan "negative Renditen für US-Staatsanleihen" erklärt Bilal Hafeez folgendermaßen: Auch aktuell würden bereits zehnjährige US-Bonds inflationsbereinigt mit negativer Rendite gehandelt. Die nominalen 10-Jahres-Renditen hätten 2020 bei 0,4 Prozent gelegen - ein Rückgang um 40 Basispunkte sei angesichts der Tatsache, dass es im Jahr 2000 um durchschnittlich 115 Basispunkte abwärts gegangen war, "sicher nicht unverhältnismäßig", so der Experte.

Hinzu komme der nachlassende Optimismus für weitere geldpolitische Anreize, zudem sei die Pandemie noch nicht ausgestanden und die Wirtschaftsaktivität könne sich weiter verlangsamen. Für ausgeschlossen hält Hafeez dieses Szenario angesichts der Marktlage daher nicht.

Starke Volatilität am Devisenmarkt

Den zweiten grauen Schwan formuliert Karl Massey von Macro Hive. Seiner Ansicht nach, könnten 2021 starke Schwankungen am FX-Markt auftreten. Aktuell befinde sich die Volatilität auf einem extrem niedrigen Level, so der Experte. Es gebe keine signifikanten Bewegungen bei Währungen und daher auch nur wenige signifikante relative Bewegungen, was zu einem nahezu ungebrochenen, jahrzehntelangen monotonen Rückgang der Unsicherheit bei den Währungspaarergebnissen geführt hat", schreibt Massey.

Doch dies muss nicht so bleiben, schließlich habe die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 einiges verändert, sie habe "wie eine Zeitmaschine" gewirkt und die ferne Zukunft direkt vor die Haustür gebracht. Fiskalpolitische Pläne, die üblicherweise in drei bis fünf Jahren umgesetzt werden, wurden sofort umgesetzt. Das werde auch Volkswirtschaften zum Handeln zwingen. "Wahrscheinlich werden alle versuchen, so schnell wie möglich eine Ladung Schulden zu emittieren", so seine Vorhersage. Dies werde allerdings von Land zu Land unterschiedlich schnell passieren und auch Notenbanken würden vor diesem Hintergrund mit unterschiedlichen Handlungsansätzen reagieren. Neue Schuldenlasten in Verbindung mit unsicheren Kapitalbilanz- und Handelsergebnissen würden nicht nur zu erhöhten Unsicherheiten bei den Kreditüberlegungen der Staaten führen, sondern "COVID-19 hat höchstwahrscheinlich existenzielle Währungsunsicherheiten dort aufgeweckt, wo sie zuvor ruhten", schreibt Massey weiter.

Ein "Clean Sweep" für Biden

Der dritte graue Schwan, den Macro Hive-Experte John Tierney für 2021 vorausgesagt hat, ist inzwischen kein grauer Schwan mehr, sondern bereits eingetroffen: Joe Biden und seine Demokratische Partei haben in den USA einen so genannten "clean sweep" erreicht - die Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses. In den vergangenen Monaten hatten nur wenige Beobachter damit gerechnet, dass Biden diese Konstellation schaffen könnte, nun ist es Realität: Er kann nun durchregieren und etwa sein geplantes Infrastrukturprogramm oder weitere Hilfs- und Konjunkturprogramme deutlich leichter durchsetzen.

Vorhergesagt hat Tierney im Falle eines "clean sweep" deutliche Auswirkungen auf dem Anleihenmarkt, wo die Renditen steigen könnten. Dies ist inzwischen tatsächlich eingetreten.

Der neue Präsident vereinigt die Vereinigten Staaten von Amerika

Was viele Marktbeobachter angesichts der jüngsten Ereignisse in den USA für immer unwahrscheinlicher halten, hat Macro Hive-Expertin Dominique Dwor-Frecaut noch als "grauen Schwan" in die Liste aufgenommen: Dass der neu gewählte US-Präsident Joe Biden in der Lage ist, die Spaltung im eigenen Land zu überwinden und das amerikanische Volk wieder zu vereinen. Dabei nennt sie konkrete Maßnahmen, die Joe Biden in diesem Jahr unternehmen wird, um das Volk miteinander auszusöhnen. Zunächst wird der US-Präsident eine COVID-19-Kommission für Wahrheit und Versöhnung ins Leben rufen, die einen Austausch zwischen politischen Entscheidungsträgern und Wissenschaftlern ermöglicht. Nach den Vorschlägen der Kommission würde man die neue Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ausrichten, was zu einer Senkung der Sterberate und einer Zunahme der Wirtschaftserholung führen wird - und das unabhängig davon, dass im Kongress keine Einigkeit über weitere Anreize erfolgt ist.

Als zweiten Punkt nehme Biden die Bildungspolitik des Landes ins Visier, insbesondere die Ausbildungskosten, die künftig finanziert werden sollen.

Im Bereich Infrastruktur verkündet er die Finanzierung des Hochgeschwindigkeitsinternets im dünn besiedelten US-Hinterland, was insbesondere der Tatsache zugute käme, dass die meisten Amerikaner von zu Hause aus arbeiten würden. Viele Bürger könnten dann aus den teuren Städten in billigere, ländliche Gebiete umziehen und damit Wohnkosten sparen.

Mit einer Reihe weiterer Maßnahmen - darunter auch dem Punkt, dass er durchsetzt, dass Amazon, Google, Facebook, Uber, Lyft und andere Technologiemonopolisten ihre Codes veröffentlichen müssen, womit die Einrichtung kooperativer Plattformen ermöglicht wird, schafft es Joe Biden schließlich, das gespaltene US-amerikanische Volk einander wieder näher zu bringen.

Wunsch der Zentralbanker nach mehr Inflation wird erfüllt

Der Wunsch nach Inflation treibt die Währungshüter weltweit seit geraumer Zeit um, geht es nach John Butler von Macro Hive, wird sich dieser Wunsch 2021 erfüllen.

Mit positiven Impfstoffnachrichten werde die aufgestaute Nachfrage nach allen Arten von Wirtschaftstätigkeiten freigesetzt, viele Menschen verspüren ein Gefühl existentieller Erleichterung und geben mehr Geld aus, als sie dies nach einem typischen Abschwung tun würden. Zeitgleich zirkulierten immer noch Anreize im System, so dass viele Menschen, die im Corona-Jahr eine "Das Leben findet heute statt"-Mentalität entwickelt haben, Zugang zu Krediten und Liquidität haben.

Zeitgleich gebe es allerdings anhaltende Angebotsengpässe und schnell steigende Lebensmittelpreise verbunden mit einem enormen Liquiditätsüberschuss. Preise könnten vor diesem Hintergrund deutlich schneller und höher steigen als unter normalen wirtschaftlichen Erholungsbedingungen.

Der mögliche "Graue Schwan" für 2021 sei in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Inflation nicht nur steigt, sondern in mehreren großen Volkswirtschaften über das Ziel hinaus steigt, so der Experte. Das könnte Notenbanken zum Handeln zwingen.

USA und China ziehen um Taiwan in den Krieg

Ein weiterer "grauer Schwan" für die Finanzmärkte 2021 sei ein möglicher Krieg zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und China um Taiwan. Bereits in Trumps Amtszeit wurde die Unterstützung von Amerika für Taiwan stärker - eine Position, die auch demokratische Unterstützung im Kongress erhielt, schreibt Bilal Hafeez. Der neue Präsident Joe Biden hat unterdessen klargestellt, die Zölle gegen China zunächst nicht abschaffen zu wollen.

Ein zunehmendes Interesse der USA an Taiwan könnte vor diesem Hintergrund insbesondere dank Taiwans starker Chipindustrie vorherrschen. Denn US-Unternehmen haben bereits Partnerschaften mit Taiwans Chipriesen TSMC verkündet, China kann mit seinen eigenen Chipherstellungskapazitäten nicht mithalten und könnte daher ebenfalls - neben dem politischen - ein technologisches Interesse daran haben, eine Vereinigung mit Taiwan anzustreben. Anders als früher, wo Großmächte um natürliche Ressourcen in den Krieg zogen, könnte es daher nun zu einem Konflikt über Computerchips kommen. Eine derartige Auseinandersetzung würde den taiwanesischen Dollar stark belasten, der bereits aktuell aufgrund der großen Zuflüsse im COVID-Zeitraum als überbewertet gelte. Zeitgleich würden taiwanesische Aktien unter Beschuss geraten, während der US-Dollar und die US-Staatsanleihen wahrscheinlich einen Erholungskurs einleiten würden, so Hafeez weiter.

Der Hongkong-Dollar wird an den Yuan gebunden

Seit 1972 ist der Hongkong-Dollar fest an den US-Dollar gekoppelt. Das könnte sich in diesem Jahr ändern, glaubt Anton Tonev von Macro Hive. Dabei nimmt der Experte Anleihe an historischen Entwicklungen, denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die Wirtschaft der USA als vergleichsweise robust erwiesen - dies gilt in jüngster Zeit insbesondere für die chinesische Wirtschaft.

Während das Bretton Woods-Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg die herausragende Position des US-Dollars im Welthandel festigte, könnte China bei der Schaffung und Entwicklung einer tragfähigen digitalen Währung eine Vorreiterrolle spielen und dem Yuan eine starke Position bei der Nutzung von Handelsströmen einbringen.

Angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in Hongkong, die schrittweise Öffnung der chinesischen Wirtschaft und ihrer Kapitalmärkte, die Fortschritte bei der DCEP-Integration (Digital Currency Electronic Payment - digitale Währung) sowie des Wechsels in der US-Führung hält es der Experte für möglich, dass die chinesischen Behörden beschließen, den Hongkong-Dollar an die chinesische Währung zu binden, um die beiden zu einem späteren Zeitpunkt zusammenzuführen. Die Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der HKD gegenüber dem US-Dollar eher stärker als schwächer werde.

Chinas digitale Währungsambitionen auf dem Vormarsch

Und auch auf anderem Weg könnte sich China auf dem Devisenmarkt in eine herausragende Rolle bringen: Über seine geplante Central Bank Digital Currency (CBDC). Im Inland könnte das Zentralbank-Experiment das Duopol von Alipay und WeChat Pay in Frage stellen, glaubt Dominique Dwor-Frecaut.

Zeitgleich habe China mit Inthanon-LionRock noch ein Projekt für grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr am Start, dem die Expertin große Bedeutung beimisst. Es habe das Potenzial, die globale Position des US-Dollar zu schwächen, immerhin hält sich die Fed in Sachen Digitalwährung aktuell noch auffallend zurück.

Globale CO2-Steuer kommt

Der Klimawandel wird auch in der Politik der neuen US-Regierung eine wichtige Rolle spielen, glaubt Karl Massey. Seiner Ansicht nach wird insbesondere die Ernennung der ehemaligen Fed-Chefin Janet Yellen zur Finanzministerin ein wichtiges Thema in den Fokus rücken: die CO2-Steuer. Nach der Verabschiedung einer solchen Steuergesetzgebung in den USA könnte ein Tsunami folgen - viele Ländern würden diesem Beispiel folgen, so der Experte. "Die Pandemie zeigt uns, dass es globalen Institutionen möglich ist, gemeinsam zu handeln, um andere globale Probleme als Finanzkrisen zu lösen. Während wir uns alle noch mitten in der Pandemie befinden, ist dieser Prozess bisher bestenfalls ins Stocken geraten. Aber das globale Joint Venture auf COVID könnte tatsächlich der erste Schritt in Richtung eines globalen Bullenmarktes sein, von dem wir alle profitieren: Klimaaltruismus", schreibt Massey.

Wir sind nicht allein

Im Jahr 2021 wird endlich klar: Wir sind nicht allein im Universum. Es werde sich herausstellen, dass es intelligentes Leben auf anderen Planeten gebe. Dies werde zunächst zu einer Rally bei Tech- und Verteidigungsaktien führen, die Renditen von Staatsanleihen weltweit vervielfachten sich daraufhin, der Markt für Staatsanleihen bricht zusammen. Riesige Investitionen fließen in Technologie-Start-ups und etablierte Engineering- und Rohstoff-Franchise-Unternehmen, um den technologischen Quantensprung vorzunehmen, der nun unvermeidlich stattfinden muss.

Lokale Spannungen zwischen Ländern der Erde geraten angesichts der neuen Entwicklungen in den Hintergrund, totalitäre Systeme seien gezwungen, sich zu öffnen. Das einzigartige Verständnis, wirklich eine Art zu sein, gepaart mit neu gewonnenem Wohlstand und Freiheit, führe dann ins nächste Jahrhundert und möglicherweise in eine weit entfernte Galaxie, schreibt Thorsten Wegener.

Redaktion finanzen.net

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