Wirtschaftsweise halbieren Wachstumsprognose
Die "fünf Wirtschaftsweisen" rechnen für dieses Jahr mit deutlich weniger Wirtschaftswachstum als bisher.
Sie prognostizieren angesichts der jüngsten Konjunktureintrübung für 2019 einen in etwa halbierten Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,8 Prozent sowie für 2020 von 1,7 Prozent. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) hatte im November 2018 noch 1,5 Prozent Wachstum für 2019 vorhergesagt.
"Das Expansionstempo der deutschen Volkswirtschaft hat merklich nachgelassen", konstatierten die Regierungsberater. Hierfür mitverantwortlich gewesen seien vorübergehende Produktionsprobleme in der Automobil- und Chemieindustrie. "Gleichzeitig hat sich die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft verlangsamt." Nachfrageseitig gehe dies vor allem auf eine deutlich schwächere Exportnachfrage aus wichtigen Absatzmärkten zurück. Angebotsseitig spielten in vielen Branchen erreichte Kapazitätsgrenzen und Arbeitskräfteengpässe eine Rolle.
"Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft ist vorerst vorüber", erklärte der SVR-Vorsitzende Christoph Schmidt in einer Mitteilung. "Eine Rezession ist angesichts der robusten Binnenkonjunktur aber aktuell nicht zu erwarten."
Die Ökonomen hoben hervor, dass die niedrige Prognose für 2019 "stark durch das schwache letzte Quartal des Jahres 2018 und den damit verbundenen geringen statistischen Überhang beeinflusst" werde. Für 2020 betrage die Zuwachsrate nur 1,3 Prozent, bereinige man sie um den positiven Kalendereffekt aufgrund einer außergewöhnlich hohen Anzahl an Arbeitstagen.
Die Zuwachsraten des deutschen BIP würden im Prognosezeitraum voraussichtlich leicht unterhalb des Potenzialwachstums liegen. Die Überauslastung der deutschen Wirtschaft gehe somit zurück, und die Produktion nähere sich ihrem Potenzial von oben an. Die Anzahl der Erwerbstätigen dürfte jedoch weiter steigen und die Lohndynamik hoch bleiben. Insbesondere von dem privaten Konsum, den Bauinvestitionen und dem Staatssektor dürften 2019 positive Wachstumsbeiträge ausgehen, so die fünf Weisen.
Sehr hohe Risiken
Der Sachverständigenrat sagt in seiner Prognose zudem einen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen auf 2,181 Millionen im Jahr 2019 und auf 2,055 Millionen im Jahr 2020 voraus. Die Arbeitslosenquote soll dieses Jahr auf 4,8 Prozent und nächstes auf 4,6 Prozent sinken. Die Verbraucherpreisinflation wird nach den Berechnungen der führenden Ökonomen 2019 bei 1,5 Prozent und 2020 bei 1,6 Prozent liegen.
Für die übrigen Mitgliedstaaten des Euro-Raums zeichnet sich nach der Prognose des SVR ebenfalls eine schwächere Entwicklung ab. Für dieses Jahr wird ein Zuwachs um 1,2 Prozent und für das kommende um 1,4 Prozent erwartet.
Die Geldpolitik dürfte im Prognosezeitraum nach der Erwartung des SVR "weiterhin sehr expansiv ausgerichtet bleiben". Zusammen mit einer voraussichtlich leicht expansiven Fiskalpolitik bilde sie weiterhin sehr günstige Rahmenbedingungen für die konjunkturelle Entwicklung. Allerdings ergäben sich "aus der lang anhaltenden Niedrigzinsphase und der weiterhin hohen Staatsverschuldung Risiken für die konjunkturelle Entwicklung".
Kritik an EZB-Kurs
Die Ökonomen kritisierten dabei den Kurs der Notenbank und betonten, sie hätten für eine Reaktion der Geldpolitik auf das Wirtschaftswachstum oder die Kapazitätsauslastung mit einer symmetrischen Politik plädiert. "Demnach hätte die EZB in den vergangenen zwei Jahren auf das gestiegene Wirtschaftswachstum und die sich schließende Produktionslücke mit einer vorsichtigen Straffung der Geldpolitik reagieren können, ohne den Aufschwung zu gefährden", erklärten sie. "Dann würde sie jetzt, ähnlich wie die Fed in den Vereinigten Staaten, über einen größeren Spielraum für eine geldpolitische Lockerung verfügen."
Die Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bewerteten die fünf Weisen als "derzeit sehr hoch". Neben dem unsicheren Ausgang der Brexit-Verhandlungen trügen hierzu insbesondere die ungelösten Handelskonflikte zwischen den USA, Europa und China sowie die Gefahr einer stärker als erwarteten Wachstumsabschwächung in China bei. "Angesichts der bereits nachlassenden weltwirtschaftlichen Dynamik hätte eine Spirale aus protektionistischen Maßnahmen das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine Rezession abgleiten zu lassen", warnten die Wirtschaftsexperten.
DJG/ank/smh
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