Sonderweg Japan

Inflation explodiert aber Japan punktet mit moderatem Preisantieg - Die Gründe

13.10.22 23:59 Uhr

Inflation explodiert aber Japan punktet mit moderatem Preisantieg - Die Gründe | finanzen.net

Während die Verbraucherpreise weltweit massiv steigen, fällt die Inflation in Japan vergleichsweise moderat aus. Das ist mehreren Faktoren zu verdanken.

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• Japan mit niedrigster Inflationsrate der großen Industrienationen
• Notenbank geht Sonderweg
• Auch Preispolitik der Regierung Grund für Japans Erfolg



8,3 Prozent in den USA, 7,9 Prozent in Deutschland, 9,9 Prozent in Großbritannien: Die Inflationsrate hat in den großen Industrienationen der Welt im August ein enorm hohes Niveau erreicht. Auch in Japan lag die Verbraucherpreisinflation im August den fünften Monat in Folge über dem Ziel der Währungshüter - mit einer Inflationsrate von drei Prozent schlägt sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt aber deutlich besser als der Großteil aller anderen Industrienationen. Schuld daran ist nur zum Teil die Geldpolitik der Bank of Japan.

Japanische Währungshüter mit divergierender Geldpolitik

Grundsätzlich ist Japan den gleichen Belastungsfaktoren ausgesetzt wie andere Volkswirtschaften. Neben den steigenden Preisen insbesondere im Lebensmittelbereich ist es auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der für eine Verteuerung von Energiekosten sorgt. Und auch Probleme in den Lieferketten, mit denen die Weltwirtschaft nach COVID-19 zu kämpfen hat, gehen an Japan nicht spurlos vorbei.
Hinzu kommt, dass das Land im Lebensmittel- und Energiebereich auf Importe angewiesen ist, kombiniert mit dem schwachen Yen ist dies eigentlich ein Nährboden für einen deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise.

Während die Währungshüter allerdings weltweit ihre Geldpolitik deutlich straffen und mit einem teils deutlichen Anstieg der Leitzinsen der Inflation Einhalt gebieten wollen, hält die Bank of Japan an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Die kurzfristigen Zinssätze liegen in Japan weiterhin bei minus 0,1 Prozent, das Ziel für die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen bei etwa Null.

Der konsequente Kauf von Staatsanleihen durch Banken sorgt dafür, dass Kredite im Land günstig bleiben, während das Land konsequent Geld druckt.

Darum stemmt sich Japan gegen hohe Inflationsraten

Möglich ist die divergierende Geldpolitik der japanischen Notenbank insbesondere durch staatliche Eingriffe in den Markt. Der Think Tank Chatham House, bis 2004 auch als Royal Institute of International Affairs bekannt, nennt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Maßnahmen von Regierungsseite, mit denen Preisschwankungen begrenzt werden sollen. So dürfen Strom- und Gaspreise nur schrittweise angepasst werden, was Versorger dazu zwingt, langfristige Verträge für die Lieferung von Gas und Kohle abzuschließen. Ähnliches gilt beim Import von Weizen: Der massive Anstieg des Weizenpreises nach dem Einmarsch Russlands im Nachbarland Ukraine hat Japan zunächst kaum getroffen, denn der Staat hat den Wiederverkaufspreis von Weizen nach dem Import durch eine Regierungsorganisation auf sechs Monate festgezurrt. Der Importpreis lag also teils deutlich über dem Wiederverkaufspreis, was zu einer Subventionierung von etwa Brot und Nudeln geführt habt, so Chatham House weiter. Darüber hinaus würden die Benzinpreise im Land subventioniert.

Einen zweiten Grund für den geringen Anstieg der Verbraucherpreise sieht die Denkfabrik in einer zögerlichen Wiederöffnung der japanischen Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie. Anders als viele andere Länder hat Japan die Wirtschaftstätigkeit länger beschränkt, wodurch ein Nachfrageanstieg nach der Pandemie, den viele andere Länder erlebt haben, in Japan verzögert worden sei.

Zusätzlich spielt dem Land seine Altersstruktur in die Karten: Der Anteil der älteren Bevölkerungsgruppe ist weiter gestiegen, laut dem Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation machen Japaner ab 65 rund 29,1 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Zeitgleich ist die Geburtenrate im Land niedrig. Da ältere Menschen weniger ausgeben und mehr sparen, macht sich die Inflation daher weniger bemerkbar als in anderen Ländern.

Japan dürfte nicht langfristig immun bleiben

Doch die Folgen steigender Lebensmittel- und Energiepreise dürften mit verzögerter Wirkung auch in Japan zur Geltung kommen. Bereits jetzt ächzen japanische Verbraucher unter der Inflation, denn in Japan sind die Durchschnittslöhne in den vergangenen 20 Jahren kaum gestiegen, was unter anderem an der fehlenden Preissetzungsmacht von Unternehmen liegt, die angesichts dieser höhere Personalkosten umgehen.

Der Sonderweg Japans wird ebenso gekreuzt werden von globalen Belastungsfaktoren wie weiter hohen Importpreisen angesichts geopolitischer Ereignisse wie dem Ukraine-Krieg. Kombiniert mit der Tatsache, dass die Löhne in Japan voraussichtlich nicht steigen werden, werden Turbulenzen an der Inflationsfront auch im Land der aufgehenden Sonne wohl nicht ausbleiben. Denn auch die Öffnung der Wirtschaft wird zunehmend Fahrt aufnehmen und könnte dann die Nachfrage im Land wieder deutlicher ansteigen lassen. Belasten dürfte dies insbesondere die japanischen Verbraucher, so dass auch für die japanische Wirtschaft und bei der Geldpolitik strukturelle Anpassungen nötig werden dürften.

Ob die Inflationsrate in Japan tatsächlich derart explodieren wird, wie andernorts, bleibt noch abzuwarten. Helfen könnte dem Land in diesem Zusammenhang sein Selbstverständnis als Kollektivgemeinschaft, wie unlängst Frank Rövekamp, Leiter am Ostasieninstitut der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen gegenüber der Süddeutschen erklärte. "Die Japaner kommen in Schwierigkeiten, aber sie werden mit diesen Schwierigkeiten umgehen, ohne dass es zu ganz großen Verwerfungen kommt", sagt Rövekamp, "sie werden einfach den Gürtel enger schnallen", so der Experte mit Blick auf die Tatsache, dass es die Bevölkerung gewohnt sei, "Ansprüche zurückzuschrauben und Härten zu schlucken". Bereits jetzt seien es die Älteren im Land, die dem Staat bei der Eindämmung der Sozialausgaben helfen, etwa indem sie mit über 70 Jahren noch arbeiten, betont der Asien-Experte.

Redaktion finanzen.net

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