Saisonale Kursmuster 

Seasonale Strategien bieten mehr

08.05.13 12:30 Uhr

An der Börse wiederholen sich manche Verläufe scheinbar immer wieder. So sinken die Kurse in der Regel im Mai, deutlich stärker aber noch im August und September.

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22.513,4 PKT -98,6 PKT -0,44%

44.546,1 PKT -165,4 PKT -0,37%

6.114,6 PKT -0,4 PKT -0,01%

von Ulrich W. Hanke, Euro am Sonntag

Sell in May and go away“ — verkaufe im Mai und verlasse die Börse, heißt eine alte und ­allseits bekannte Weisheit. „Come back on St. Leger Day“, geht der Spruch weiter. Das Pferderennen im englischen Doncaster findet traditionell Mitte September statt. Einer anderen Überlieferung zufolge heißt es: „... and don’t remember to come back in September.“ Wie auch immer der genaue Wortlaut im Original gewesen sein mag, wie bei allen Sprichwörtern steckt immer etwas Wahres darin. Vor allem in den Monaten August und September sinken die Aktienkurse in der Regel nämlich deutlich. Der Mai ist als schlechter Monat dagegen zu vernachlässigen. Doch der Reihe nach.

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Wäre es nicht toll, über die Zeit langsam Vermögen aufzubauen, dabei aber nur die Hälfte des Risikos eines gewöhnlichen Aktieninvestments einzugehen? Wer Jeffrey Hirsch Glauben schenkt, der hält dies durchaus für möglich. Seine Strategie stützt sich auf Saisonalitäten wie jenes „Sell in May“.
So folgen Aktienkurse offenbar einem Drehbuch, sprich immer wiederkehrenden Mustern, etwa während der obligatorischen Sommerflaute oder bei der typischen Jahresendrally. Für eine Erklärung denke man nur einmal an den Preis für Heizöl im Sommer im Vergleich zum Winter.

Die beste Börsenstrategie
Um von solchen Saisoneffekten zu profitieren, schlägt Hirsch vor, jeweils von einem börsengehandelten Indexfonds (ETF) in den nächsten zu wechseln, wenn die Zeit dafür die richtige ist. Oder in schwachen Börsenmonaten in Rentenpapiere anstatt in Aktien zu investieren. Hirsch, so etwas wie der Guru auf dem ­Gebiet saisonaler Kursmuster, gibt jedes Jahr den „Stock Trader’s Al­manac“ heraus, der seine Unter­suchungsergebnisse enthält.

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Aber auch Sam Stovall, Aktienstra­tege von Standard & Poor’s, hat bereits belegt, dass es sich bei der Saison­strategie um eine der erfolgreichsten Anlagemethoden überhaupt handelt (in „The Seven Rules of Wall Street“). Zum selben Schluss kommen Autor Tobias Aigner („€uro am Sonntag“) und Investmentbanker Markus Bilger in ihrem Buch „Die besten Börsenstrategien“.

Durchschnittlich 7,5 Prozent
Hirsch hat herausgefunden, dass der beste sechs Zeitraum im Jahr die Monate von November bis April sind. In dieser Spanne stieg der US-Standardwerteindex Dow Jones seit 1950 durchschnittlich um 7,5 Prozent pro Jahr. Betrachtet der Spezialist allerdings die Monate von Mai bis Oktober, kommt unterm Strich nur eine Rendite von mageren 0,4 Prozent pro Zeitraum heraus. Das können Anleger sogar in der aktuellen Phase der Niedrigzinspolitik mit Anleihen überbieten.

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Die Börsenweisheit „Sell in May“ scheint also aufzugehen. Wenngleich sich das Muster abgeschwächt hat, wie sich Dimitri Speck sicher ist, der nebenbei die Website www.seasonalcharts.de betreibt, hauptberuflich aber als Chefstratege für Staedel Hanseatic arbeitet. „Der Vorteil der Saisonalität ist: Sie korreliert nicht mit anderen Indikatoren“, sagt er. Allerdings können sich Saisona­litäten auch ändern oder aufgrund einmaliger, extremer Ergebnisse nicht dem gewohnten Ablauf folgen.

Wichtig ist, triftige Gründe für eine Saisonalität zu finden, sonst sind die erkannten Muster vielleicht nur ein Zufall, der sich wiederholt hat. Während des Sommers ist an der Börse weniger los, zum Jahresende wollen die Fondsmanager ihre Depots aufräumen („window dressing“), und vor einer US-Präsidentschaftswahl wird der Amtsinhaber eher für gute Stimmung bei den heimischen Unternehmen sorgen und dadurch die Kurse stützen. Das alles ergibt einen Sinn.

Doch Vorsicht: Anleger sollten saisonale Kursmuster nur als einen unter vielen Indikatoren verwenden, beispielsweise um den Kauf einer Aktie noch einen Monat hinauszuzögern oder den Verkauf zu verschieben. Fundamentale und charttechnische Kriterien bei der Aktienauswahl lassen sich nicht nur bestens mit einem Saisonindikator verbinden, sie sollten auch immer zusätzlich einbezogen werden.

So macht es etwa Börsenpfarrer Uwe Lang, der ein Set aus Indikatoren berechnet. Darin ist der Saisonfaktor als kleiner Teil des gesamten Systems enthalten. Nach den Zahlen von Lang begannen die schwächsten 16  Wochen im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre übrigens exakt ab 26. April. Sprich: „Sell in May.“

Eigener Saisonindex
Das Erfolgsmodell hat selbst die Deutsche Börse dazu veranlasst, einen eigenen Saisonindex zu schaffen, den DAXplus Seasonal Strategy. Er bildet die Entwicklung des DAX in den Monaten Oktober bis Juli nach und setzt im August und September aus; der schwache Mai sei zu wenig ausgeprägt und bleibt deshalb unberücksichtigt. Es muss jetzt also keine Panik aufkommen unter allen Anlegern, die den Ausstieg Anfang Mai versäumt haben.

Bei ihrem Saisonindex schreibt die Deutsche Börse den Indexstand des letzten Handelstags im Juli bis zum ersten Handelstag im Oktober fest. Zum Index gibt es natürlich ­Zertifikate, die diesen abbilden, etwa eins der Royal Bank of Scotland (WKN: ABN 8ML) oder eins der Uni­credit (HV1 DB6). Wie sinnvoll diese allerdings für eine so simple Strategie sind, bleibt fraglich. Anleger sparen sich zwar zweimal im Jahr Transaktionskosten, dafür langen die Emittenten beim Zertifikatepreis ordentlich hin.

Was bleibt? Das gute Gefühl, in den tendenziell schwächsten Börsen­monaten nicht am Aktienmarkt engagiert zu sein. Da kann man im August und September in Ruhe in der Hängematte entspannen. Stratege Stovall empfiehlt übrigens, über ETFs einfach jene drei der zehn Sektoren des S & P 500 zu kaufen, die im Januar am besten abschnitten, und sie ein Jahr lang zu halten. Denn so wie der Januar, so entwickelt sich das ganze Jahr, lehrt die Vergangenheit. Mit einem ETF auf den Gesundheitssektor, etwa dem von Lyxor (WKN: LYX 0N8), ­wären Anleger damit bisher nicht schlecht gefahren. Kein Wunder: Im Januar legte der S & P 500 um fünf Prozent zu.

Jetzt dürfen sich die saisonalen Kursmuster nur nicht weit herumsprechen, sonst können sie auch deshalb nicht mehr zutreffen, sind sich Kritiker einig. Denn wenn jeder nicht nur von „Sell in May“ weiß, sondern auch noch danach handelt, dann kann das Muster per Definition nicht mehr vorhanden sein. Vielleicht ist es also doch ein Segen, dass es verschiedene Überlieferungen gibt, wie denn der zweite Teil der alten Börsenweisheit lautet.

Investor-Info

Typischer Dax
Unter langjährigem Plan

In diesem Jahr lief der DAX bisher noch nicht so, wie er es seit 1988 im Mittel getan hat. Derzeit liegt er unter der Vorgabe und ist gegenüber dem Start zu Jahresbeginn weniger als zwei Prozent im Plus. Typischerweise müsste er jetzt schon rund vier Prozent im Plus liegen. Im Schnitt schafft der deutsche Leitindex, wenn er sich denn nach dem klassischen Muster entwickelt, rund zehn Prozent bis Jahresende.

Zehn-Monate-Dax
Über klassischem Index

Anleger, die im August und September der Börse fernblieben, haben insbesondere ab Mitte 2011 besser abgeschnitten als ständig investierte Anleger. Entsprechend besser hat sich der DAXplus Seasonal Strategy gegenüber dem DAX entwickelt, der im August und September ­einfach aussetzt. Zertifikate auf diesen Basiswert bietet etwa RBS (ISIN: NL 000 019 630 1) oder Unicredit (DE 000 HV1 DB6 6). Dow Jones im Wahlfieber Vorher ist nicht nachher Die US-Präsidentschaftswahl hat offenbar einen ­erheblichen Einfluss auf die Aktienkurse des Dow Jones Industrial. Besonders vor einer Wahl legen sie kräftig zu. Begründen lässt sich dieses Phänomen mit der These, dass ein amtierender US-Präsident eher für gute Stimmung bei den heimischen Unternehmen und der US-Wirtschaft sorgen wird und ­dadurch die Kurse automatisch stützt, will er doch wiedergewählt werden. Kurz vor der Wahl lässt die Ausprägung des Kursmusters bereits nach. Nach der Wahl ist die Kursentwicklung im Mittel seit dem Jahr 1833 bisher am schlechtesten gewesen, hat ­Experte Jeffrey Hirsch errechnet.

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