Volatilität zur Risikostreuung nutzen
Die Märkte steuern in eine Zeit, in der die Schwankungen wieder heftiger werden. Anleger können aber gelassen bleiben. Zumindest jene, die Volatilität als Anlageklasse nutzen, meinen die Gastautoren Daniel Danon und Tobias Knecht.
von D. Danon und T. Knecht, Gastautoren von Euro am Sonntag
Auch in den Folgejahren der globalen Finanzkrise tummeln sich Privatanleger in der bunten Welt der Zertifikate und strukturierten Produkte. Bei Airbag-, Classic-Express-, Discount- oder Multi-Capped-Bonus-Papieren schlagen ihre Herzen höher. Schließlich steht im Produktinformationsblatt neben einer Vielzahl an komplexen Auszahlungsbedingungen erst einmal ein hoher Kupon. Jener Betrag ist oftmals garantiert und beträgt ein Vielfaches der aktuellen Konditionen für Tages- oder Festgeld.
Die überwiegende Mehrheit derartiger Anlageprodukte hat trotz der vielfältigen Marketingbezeichnungen eines gemeinsam: Der Anleger verkauft Volatilität. Das heißt, er verliert Geld in turbulenter und unsicherer werdenden Kapitalmärkten!
Die Volatilität ist eine Kennzahl und gibt an, wie stark die Finanzmärkte schwanken. Der Verkauf von Volatilität an den Kapitalmärkten wird in der Regel über Derivate abgewickelt, die an Terminbörsen gelistet sind, und ist mit dem Geschäftsmodell eines Versicherers zu vergleichen: In ruhigen Marktphasen wird der Verkäufer von Volatilität mit einer marktspezifischen Risikoprämie bedacht. Tritt jedoch der Versicherungsfall wie ein Börsencrash ein, erleidet der Verkäufer einen Verlust. Und der ist oftmals höher als die bei Handelsabschluss vereinnahmte Volatilitätsprämie.
Private und institutionelle
Anleger sind "Short Volatilität"
Wer nun glaubt, institutionelle Investoren würden auf den Volatilitätsmärkten grundlegend anders agieren, der irrt. Würde man die gängige Asset Allokation von Privatanlegern und Institutionellen untersuchen, käme man wohl zu dem Schluss, dass beide Anlegergruppen in über 90 Prozent der Fälle "Short Volatilität" sind. Das heißt: Sie verkaufen, wie beschrieben, Volatilität. Ein vermeintlich diversifiziertes Portfolio aus Anleihen, Aktien, Kreditpapieren, ungelisteten Unternehmensbeteiligungen und Immobilien spekuliert im Wesentlichen auf steigende Märkte mit einhergehender niedriger Volatilität.
Steigt die Unsicherheit an den Märkten, so steigen die impliziten (am Markt gehandelten) Volatilitäten. Investoren suchen Absicherung und treiben die Marktpreise von Optionen in die Höhe. Der V-Stoxx-Index misst die implizite Volatilität von Optionen auf den Euro-Stoxx-50-Index mit einer Restlaufzeit von 30 Tagen und repräsentiert das europäische Pendant zum bekannteren amerikanischen Volatilitätsindex VIX. Beide Indizes werden gern als Angstbarometer für die Aktienmärkte bezeichnet, da sie in der Regel dann steigen, wenn die Börsen fallen.
Einen katapultartigen Anstieg konnte man jüngst im europäischen Angstbarometer V-Stoxx nach der Ankündigung zum griechischen Referendum beobachten. Der Index stieg in der Spitze auf 32,3 Prozent und verdoppelte sich in Bezug auf das Jahrestief nahezu.
Im Rahmen der jüngsten Entwicklung ließen sich zwei wiederkehrende Verhaltensmuster beobachten: Erstens, Investitionen in Volatilität werden in der Regel erst dann in Betracht gezogen, wenn die fundamentale Lage an den Märkten ins Wanken kommt. Zweitens, die meisten Investoren möchten ihre Unterinvestition in den Risikofaktor "Long Volatilität" meist zum gleichen Zeitpunkt korrigieren, wodurch der Preis für Volatilität zusätzlich in die Höhe getrieben wird. So besteht die Gefahr, den Risikofaktor "Long Volatilität" langfristig zu teuer zu kaufen.
Doch warum investieren Marktteilnehmer nur unwillig in eine strategische Long-Volatilitäts-Komponente? Schließlich wäre man mittels einer langfristigen Allokation in der Lage, die durchschnittlichen Kosten der Absicherung zu reduzieren, und darüber hinaus zu jedem Zeitpunkt gegen Eventualitäten gewappnet. Im Privaten schließt man die Krankenversicherung auch nicht erst kurz vor dem Arztbesuch ab.
Die Antwort ist eher trivial: Ausgaben für Absicherung haben sich in den Jahren nach der globalen Finanz- sowie der Eurokrise meist nicht gelohnt.
Die Rechtfertigung von Long-Volatilitäts-Bausteinen ist mit der Basisverzinsung des Portfolios momentan nicht konfliktfrei zu vereinen. Die Ertragsdecke aus Zinsen und Risikoprämien ist dünner denn je. Jede Investition, welche nicht sofort Rendite erwirtschaftet, wird kritisch hinterfragt.
Die weltweit maßgeblichen Zentralbanken etablierten sich im Rahmen zahlreicher geldpolitischer Maßnahmen als verlässlicher Bereitsteller von Liquidität. Und zugegeben: Das Bündel und die Einstimmigkeit der getroffenen Entscheidungen schaffen an den internationalen Kapitalmärkten bis heute Vertrauen. Die Politik des "billigen Geldes", die in der Vergangenheit als Beruhigungsmittel diente und den Märkten schlichtweg jede Volatilität entzog, könnte jedoch in absehbarer Zeit für einen unerwünschten Adrenalinschub am Markt sorgen. Ende vergangenen Monats äußerte sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) erneut kritisch in Bezug auf das fortwährend niedrige Zinsniveau und warnte eindringlich vor hieraus resultierenden Gefahren für die Weltwirtschaft.
Volatilitätsmärkte im
Bärenmarkt ihres Bestehens
Volatilität ist eine eigene Assetklasse mit einer Vielzahl an zur Verfügung stehenden liquiden Marktinstrumenten wie Futures und Optionen. Die darüber möglichen Long-Volatilitäts-Investitionen sind ein probates Gegenmittel zu den negativen Auswirkungen einer expansiven Geldpolitik. Sie sind der einzige Baustein im Portfolio, welcher nachhaltige und effektive Diversifikation verspricht. Denn während Aktien- und Anleihemärkte eine atemberaubende Hausse zu verzeichnen haben, befinden sich Volatilitätsmärkte im Bärenmarkt ihres Bestehens. Anleger finden in Nischensegmenten dieses Marktes Renditepotenziale, die mutmaßlich erst durch die Nullzinspolitik der vergangenen Jahre möglich wurden.Neben einer Direktinvestition in reine Long- oder Short-Volatilitäts-Produkte existiert für Anleger auch die Möglichkeit, in komplexere Handelsstrategien zu investieren. Diese gestatten je nach Ausgestaltung ein Portfolio mit Long-Volatilitäts-Ausrichtung, dessen Finanzierungskosten geringer sind als der Ertrag. Der Anleger erhält somit eine selbstfinanzierende Absicherung. Dies zeigt: Auch wenn der Blick hinter die Architektur der Volatilitätsmärkte komplex sein mag - er lohnt sich.
zu den Personen:
Daniel Danon und
Tobias Knecht
Portfoliomanager
bei Assenagon
Danon und Knecht sind bei Assenagon als
Portfoliomanager für Volatilitätsstrategien verantwortlich. Zuvor haben beide als Derivatehändler
bei der Credit Suisse
gearbeitet.
Assenagon ist ein
Vermögensverwalter, der sich auf die
Steuerung von Kapitalmarktrisiken spezialisiert hat. Seit der
Gründung 2007 haben Investoren dem
Unternehmen mehr
als 15 Milliarden Euro anvertraut.
Weitere News
Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag, Pepgooner / Shutterstock.com