Wachstumschancen, verzweifelt gesucht
Rätselhafte Nervenkrankheiten, lukrative Märkte: der Wettlauf der Konzerne am Beispiel von multipler Sklerose.
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von Volker Strohm
Es ist erst ein paar Jahre her, da beherrschte ein spektakulärer Wettlauf die Schlagzeilen in der Life-Science-Branche: Die Genfer Serono, damals noch eigenständig unter der Ägide des Segelfanatikers Ernesto Bertarelli, und der US-Biotechkonzern Biogen Idec waren beide auf der Suche nach einem Wirkstoff, der den Verlauf von multipler Sklerose (MS, siehe «Hintergrund») zum Wohl der Patienten beeinflussen sollte. Erfolgsmeldungen wechselten sich mit Rückschlägen ab, entsprechend spiegelten die Aktienkurse der beiden Unternehmen Freud und Leid der Anleger wider. Grosse Hoffnungen bezüglich Forschung hatten folglich nicht nur MS-Patienten, sondern auch die Börsianer. Der Grund ist einfach: Viele neurologische Erkrankungen sind heute noch immer ungenügend erforscht – die genauen Auslöser sind folglich meist unbekannt, entsprechend gelten viele dieser Krankheitsbilder nach wie vor als nicht heilbar. Das eröffnet im Umkehrschluss Wachstumschancen für eine Industrie, die sich insbesondere im Pharmabereich in den vergangenen Jahren nicht allzu oft mit dem Ruhm der Innovation schmücken konnte.
Seit dem Duell der beiden MS-Vorreiter hat sich einiges gewandelt: Die Medikamente Avonex und Tysabri haben Biogen Idec zum Weltmarktführer bei multipler Sklerose gemacht. Mit einem Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Dollar ist Avonex das meistverschriebene Medikament gegen die heimtückische Krankheit – der Gesamtmarkt wird derzeit auf ein Volumen von acht von neun Milliarden Franken geschätzt. Einen grossen Teil des restlichen Kuchens teilen sich neben Tysabri das Mittel Betaferon von Bayer und eben der eingangs erwähnte Serono-Wirkstoff Rebif, der nach der Akquisition der Genfer heute zur Darmstädter Merck-Gruppe (nicht zu verwechseln mit US-Riese Merck) gehört.
All diesen Anwendungen ist eines gemeinsam: Sie werden injiziert. Die Verabreichungsform ist für den Patienten unangenehm und teils mit Schmerzen verbunden, sodass die Life-Science-Branche wo immer möglich nach «bequemeren» Lösungen sucht – meist in oraler, also Tablettenform. Dieser Trend hat den Wettlauf der Konzerne von neuem beflügelt. Bereits im Juli dieses Jahres hat Merck bei der EU ein Zulassungsgesuch für das Präparat Cladribin eingereicht, Ende September folgte der Antrag an die US-Gesundheitsbehörde FDA. Im besten Fall, so liess sich ein Firmensprecher zitieren, rechnen die Deutschen mit einer Zulassung in den USA im ersten Quartal 2010.
Dicht auf den Fersen ist nun aber ausgerechnet Novartis: Die Basler haben in den vergangenen Jahren bei den Anlegern nur bedingt Pluspunkte sammeln können, weil insbesondere die «Akte Vasella», also das Doppelmandat des Firmenchefs und Verwaltungsratspräsidenten – und damit verknüpft dessen Lohnbezüge –, für viel Unmut sorgen. FTY720, so die firmeninterne Abkürzung des MS-Wirkstoffes Fingolimod, soll nun die Anlegerfantasie beflügeln. Die Entwicklung steckt in der letzten klinischen Testphase III, ist aber bei Marktbeobachtern keineswegs unumstritten. Die Pille, die ab 2012 Umsätze von über einer Milliarde Dollar pro Jahr erzielen soll, geriet im April in die Schlagzeilen, weil das Fachmagazin «Neurology» von der Gehirnentzündung bei einer an der Teststudie teilnehmenden Person berichtete. Die ganz grossen Sicherheitsbedenken konnte Novartis jetzt allerdings mit den vor wenigen Tagen publizierten Studiendaten reduzieren, nach wie vor zählen aber eine leichte Erhöhung des Blutdrucks, erhöhte Leberenzymwerte sowie Lungeninfektionen zu den Nebenwirkungen.
Trotzdem geben die Basler weiter Vollgas: In den USA will nämlich Novartis – wie übrigens auch Merck – eine beschleunigte Zulassung, ein sogenanntes «Fast Track»-Verfahren, beantragen. Die Aussichten, dass die FDA diesem Wunsch nachkommen wird, stehen nicht schlecht, da es sich bei Novartis Fingolimod und bei Mercks Cladribin um eine neue therapeutische Form handelt.
Bei der Zahl der weltweit betroffenen MS-Patienten gehen die Schätzungen mit Zahlen von knapp zwei bis rund 2,5 Millionen Menschen leicht auseinander. Spannend in diesem Zusammenhang ist, dass insbesondere die asiatischen Länder noch bis vor kurzem wenig interessant waren, da MS kaum vorkam. Dieser Fakt stützt die vor Jahren in einem britischen Fachmagazin aufgeworfene und in der Alternativmedizin immer wieder gestützte These, wonach ein enger Zusammenhang zwischen ausgeprägten Milchallergien und MS bestehe. Immer häufiger greifen Asiaten im Zuge der Verwestlichung (siehe Stocks vom 25.9.) zu Milchprodukten, sodass MS – und mit ihr weitere neurologische Krankheiten – als zweifelhafte Importe gelten. So makaber die Schlussfolgerung tönt: Anleger können von dieser Marktausweitung profitieren. Im Rennen um die erste MS-Tablette hat Merck die Nase vorn. «Erfolgreicher wird letztlich das Medikament mit den geringsten Nebenwirkungen sein», so Markus Thunecke vom Pharmaberatungsunternehmen Catenion in der «Financial Times Deutschland».
Bayer
Mit Betaferon hat Bayer bereits einen MS-Wirkstoff auf dem Markt. Die Tätigkeit der Leverkusener lässt sich jedoch nicht auf den Beriech der Neurologie reduzieren: Bayer hat auch in den Bereichen Agrochemie und Medizinaltechnik (Bayer Health Care) wachstumsstarke Standbeine. Firmenchef Werner Wenning hält deshalb an den ambitiösen Zielen für 2009 fest.
Fazit: Die Stärken des diversifizierten Konzerns spiegeln sich in der Bewertung ungenügend wider.
Biogen Idec
Mit Avonex und Tysabri ist Biogen Idec Marktführer bei der MS-Behandlung - jetzt droht jedoch gleich von mehreren Seiten Ungemach: Merck und Novartis entwickeln eine neue Therapieform, zudem häufen sich die Meldungen über lebensbedrohliche Infektionen des Gehirns bei Tysabri-Patienten. Vor einer definitiven Klärung überschattet dies die Kursentwicklung.
Fazit: Die Kommunikation der US-Firma im Zusammenhang mit Tysabri-Problemen ist mangelhaft.
Merck KGaA
Mit der Serono-Entwicklung Rebif ist Merck im MS-Markt bereits aktiv - nun soll mit Cladribin der erste Wirkstoff in Tablettenform folgen.AB 2011 hoffen die Darmstädter zudem auf Umsätze des Krebsmedikamentes Erbitux. Die Krise zu spüren bekam Merck im Chemiebereich, wo auch Kosmetika-Zutaten oder Pigmente für Autolacke hergestellt werden.
Fazit: Enttäuschungen für 2009 sind abgehakt. Die Pharma-Pipeline sorgt für viel Fantasie.
Novartis
Wiedr ist Firmenchef und VR-Präsident Daniel Vasella mit sienen Bezügen in die Kritik geraten, was die Aktienprerformance weiterhin hemmt. Mittlerweile nähren sich allerdings die Gerüchte, wonach das Doppelmandat bereits 2010 Geschichte sien wird. Nebst voller Pipeline dürfte eine solche Nachrit den Kurs in deutlich höhere Sphären treiben.
Fazit: Zugreifen mit Vorbehalt - bei Novatis wirken weniger die operativen Themen kurshemmend.
Quelle: Stocks 21/2009
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