Kopf der Woche

Peter Bofinger: „Bankengewinne nicht verteufeln“

aktualisiert 07.12.09 13:23 Uhr

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger bricht eine Lanze für die Kreditinstitute: Ohne auskömmliche Gewinne würde der Kreditvergabespielraum der Banken ausgerechnet in der Krise weiter sinken.

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von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat die Politik dazu ermahnt, die Neuregelung des Finanzsektors konsequenter vo­ranzutreiben. Die Gefahr sei „sehr groß“, dass die Bestrebungen zu einer besseren Finanzmarktaufsicht im Sande verlaufen, sagte er dieser Zeitung. Die bislang ergriffenen Maßnahmen seien „völlig ungenügend“. Um mögliche Finanzkrisen künftig beherrschbar zu machen, plädiert Bofinger für Höchstgrenzen bei der Kreditvergabe und strengere Regeln für Derivate.

Euro am Sonntag: Herr Professor Bofinger, der Sachverständigenrat ist in seinem unlängst vorgestellten Herbstgutachten mit der Bundesregierung scharf ins Gericht gegangen. Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung seien unseriös. Die Regierung müsse angesichts der Rekordverschuldung Ausgaben deutlich kürzen oder die Steuern erhöhen, hieß es. Was wird passieren?
Bofinger: Bei den Möglichkeiten zur Steuersenkung haben wir mit den jüngsten Maßnahmen der Bundesregierung das Maximum wohl gesehen. Ab 2011/2012 sollten wir uns eher auf eine höhere Mehrwertsteuer einstellen. Denn die Möglichkeiten auf der Ausgabenseite Kürzungen vorzunehmen, sind außerordentlich begrenzt.

Aber der jüngste Subventionsbericht listet alleine staatliche Leistungen über 143 Milliarden Euro auf?
Ja, aber der Großteil davon entfällt auf staatliche Sozialleistungen, die nicht in Geld, sondern in Sachform erbracht werden, zum Beispiel im öffentliche Nahverkehr, für Kindergärten, Krankenhäuser oder Theater. Dazu kommen Subventionen wie die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer oder von Spenden, oder die Mehrwertsteuerbefreiung im Gesundheitswesen. Da sind die Spielräume extrem begrenzt. Das einzige, wo man relativ leicht herangehen könnte, wäre die Freistellung von Unternehmen von der Ökosteuer. Das sind knapp vier Milliarden Euro. Aber daran wird die neue Regierung wohl kaum etwas ändern wollen.

Die Finanzkrise hält uns weiter in ihrem Bann. Die deutschen Banken haben bislang rund 130 Milliarden Euro abschreiben müssen. Für das kommende Jahr rechnet die Bundesbank bei den größten deutschen Banken mit einem weiterem Abschreibungsbedarf von bis zu 90 Millionen Euro. Können die deutschen Kreditinstitute das überhaupt noch verkraften?
Das lässt sich schlecht abschätzen. Ein größerer Teil kann dadurch gestemmt werden, dass die Gewinne jetzt wieder deutlich steigen. Deswegen ist es auch völlig falsch, die Gewinnlage der Banken jetzt zu verteufeln. Es ist unverzichtbar, dass die Banken wieder Speck ansetzen können, damit sie durch diese Phase durchkommen. Im Übrigen reduzieren die Banken als Reaktion auf das schrumpfende Eigenkapital derzeit die Aktivseite in ihren Bilanzen, und das zum Teil sehr drastisch. Da kann man ihnen nicht umgekehrt vorschreiben, das Kreditgeschäft wieder massiv auszuweiten und auf diese Weise die Bemühungen zur Risikominimierung konterkarieren.

Die Banken haben am Mittwoch Abend bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt zugesagt, mit einer Reihe von Einzelmaßnahmen die Kreditvergabe anzukurbeln. Reichen diese Zugeständnisse, um die befürchtete Kreditklemme noch zu verhindern oder muss hier noch mehr getan werden und falls Ja: Was?
Es gibt derzeit keine Anzeichen für eine flächendeckende Kreditklemme. Dass die Zuwachsrate der Kredite in einer so starken Rezession zurückgeht, ist zwar für die Betroffenen problematisch, aber unvermeidbar. Probleme gibt es jedoch bei einzelnen Bankengruppen, insbesondere den Landesbanken und den Großbanken. Bei den Landesbanken hat es die Politik in der Hand, die Restrukturierung endlich voranzutreiben, schlechte Kredite in eine Bad Bank auszulagern und damit Luft für mehr neue Kredite zu schaffen. Bei den Großbanken stellt sich die Frage, ob es nicht vielleicht gerade bei der quasi staatseigenen Commerzbank besonders klemmt. Auch hier wäre es also am besten, wenn die Politik direkt an den Ursachen ansetzt, indem sie notfalls das Eigenkapital der Commerzbank weiter aufstockt, als mit aktionistische Maßnahmen zu verfolgen, die wie beispielsweise die Schaffung eines Kreditintermediators einen reinen Placebo-Charakter haben.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat im Kampf gegen eine mögliche Kreditklemme notfalls mit gesetzlichen Regeln gedroht? Wie beurteilen Sie das?
Wer heute die Banken zur Kreditvergabe zwingt, kann ihnen morgen keine Vorwürfe machen, wenn bei ihnen neue Verluste auftreten. Die Politik sollte sich auf ihre Hausaufgaben bei den Instituten konzentrieren, die sich ganz oder teilweise im öffentlichen Einflussbereich befinden.

Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hat zuletzt die Einrichtung eines Krisenfonds’ zur Rettung oder Abwicklung maroder Banken gefordert und dabei für eine staatliche Beteiligung plädiert. Ist das dem Steuerzahler überhaupt zu zumuten?
Der Sachverständigenrat hat in seinem Herbstgutachten die Einrichtung eines Einlagensicherungsfonds vorgeschlagen, in den grenzüberschreitend tätige und systemrelevante Institute einzahlen sollen. Aber man muss wissen: Bis ein solcher Topf groß genug ist, um mögliche Ansprüche aus einer solchen Krise decken zu können, wird es viele Jahrzehnte dauern. Es wird daher unvermeidbar sein, dass der Staat weiterhin für Banken einsteht. Aus meiner Sicht müssen wir deshalb eher darauf hinwirken, dass Banken weniger systemrelevant werden.

Wie soll das gehen?
Zum Beispiel, in dem man konsequenter Großkredite beschränkt, gerade im Innerbankenverkehr. Denkbar wäre etwa, dass man die gesamten Engagements einer Bank bei einer anderen auf maximal 10 Prozent ihres Eigenkapitals begrenzt. Diskussionswürdig wären auch Derivate. Brauchen wir Credit Default Swaps, also Verbriefungen von Kreditausfallrisiken um jeden Preis? Wenn es allein an diesem Instrument liegen sollte, dass Banken systemisch sind und deshalb nicht dem marktwirtschaftlichen Mechanismus der Insolvenz ausgesetzt werden können, wäre es besser, sie zu verbieten. Es gibt manche Menschen, die Kokain gut finden, aber es ist trotz-dem sinnvoll, dass es vom Staat verboten wird.

HVB-Chef Theodor Weimer hat sich zuletzt für eine Trennung des extrem volatilen Investmentbanking vom klassischem Bankgeschäft ausgesprochen. Wäre das ein hilfreiches Modell?
Das klassische Bankgeschäft ist die Kreditvergabe. Dazu gehört insbesondere, dass man kreditwürdige Schuldner findet und sie während der Laufzeit des Kredits auch überwacht. Das Problem ist, dass die Banken diesen Job in den vergangenen Jahren offensichtlich nicht besonders sexy fanden und viele andere Geschäfte verfolgt haben. Das ist so ähnlich wie Polizisten, die eigentlich für die Überwachung der öffentlichen Sicherheit zuständig sind, dazu übergehen lieber Zeitungsabonnements verkaufen, weil sie das lukrativer finden. Dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die Sicherheit leidet. Eine Rückbesinnung auf die Wurzeln wäre da durchaus hilfreich.

Nun birgt eine mögliche Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften für Banken zugleich die Gefahr, dass ein möglicher Aufschwung abgewürgt wird. Wie lässt sich das lösen?
Das ist tatsächlich ein schmaler Grat. In Deutschland gibt es im internationalen Vergleich eine hohe Sparquote. Die Herausforderung besteht darin, die Anleger in Aktien zu bekommen. Womit wir bei der verrückten Abgeltungssteuer wären. Für Zinsen aus einer Anleihe der Deutschen Bank zahle ich 25 Prozent Abgeltungssteuer. Für Dividenden aus Aktien der Deutschen Bank muss ebenfalls 25 Prozent Abgeltungssteuer abführen, aber der Gewinn der Bank ist ja vorher schon versteuert worden, so dass die tatsächliche Belastung der Dividende unterm Strich bei fast 50 Prozent liegt. Wenn man die Abgeltungssteuer auf Dividenden abschaffen würde, gäbe es einen unmittelbaren Anreiz, wieder verstärkt ins Eigenkapital zu gehen.

Aber von der regulatorischen Seite hat sich trotz des Beinahe-GAU in der Finanzbranche nicht viel geändert. Viele Banken verdienen wieder prächtig, die Boni fließen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Bestrebungen zu einer besseren Finanzmarktaufsicht im Sande verlaufen?
Sehr groß, denn über die Hauptaufgabe, Banken weniger systemisch zu machen, wird viel zu wenig nachgedacht. Ein marktwirtschaftliches System braucht die Insolvenz. Das gilt auch für das Finanzsystem. Ein Finanzsystem ohne Insolvenz setzt Anreize völlig falsch. Es ist dann nämlich für die Kreditgeber immer am besten, der Bank das Geld zu geben, die die höchsten Zinsen bietet, ohne darüber nachzudenken, ob es sich um eine gute Adresse handelt.

Die Lehren sind also gezogen, die Konsequenzen nicht?
Die bislang gezogenen Konsequenzen sind bislang völlig ungenügend. Um ein Bild zu haben: Das Finanzsystem wäre im September 2008 ohne staatliche Hilfen genauso in sich zusammengekracht, wie das World Trade Centre im September 2001. Bislang werden auch im Finanzsystem allenfalls ein paar Schrauben nachgezogen und neue Verstrebungen eingebaut. Aber an den Neuaufbau des Gebäudes traut sich keiner.

Das gilt auch für die europäische Finanzaufsicht. Die Kompetenzen der drei geplanten EU-Agenturen für Banken-, Versicherungs- und Börsenaufsicht sollen drastisch zusammengestrichen werden. Macht eine solche Behörde da überhaut noch Sinn?
Es kann ja nicht sein, dass wir in einem gemeinsamen Währungsraum sitzen, in einzelnen Ländern Dinge völlig in Schieflage geraten und die EZB dann die Kohlen für alle Länder aus dem Feuer holen muss. Ein gemeinsamer Währungsraum braucht eine gemeinsame Bankenaufsicht. Doch in der Politik fehlt es am Mut und an der Bereitschaft, solche Dinge voranzutreiben, und das ist gefährlich.

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