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Kommt jetzt der Crash in DAX und Dow, Robert Halver?

09.08.19 16:42 Uhr

Kommt jetzt der Crash in DAX und Dow, Robert Halver? | finanzen.net

Der Kapitalmarktexperte der Baader Bank spricht im Interview über die Auswirkungen des Handelskrieges, die Notenbankpolitik von Fed und EZB und über Gold als Anlage.

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von Benjamin Summa

Herr Halver, Trumps Handelskrieg mit China hat zu Beginn der Woche ein Börsenbeben ausgelöst. Wie hoch schätzen Sie jetzt die Crashgefahr ein?
Robert Halver: Es ist ein Paukenschlag, wenn mittlerweile über ein Ende der Globalisierung und des Freihandels diskutiert wird. Ich glaube, dass Donald Trump die Daumenschrauben beim Handelsstreit angezogen hat, damit die Fed gezwungen ist, die Zinsen stärker als bislang geplant zu senken. Damit würden Trump drei Wünsche auf einmal erfüllt: Er könnte China im Wahlkampf weiter als Feindbild benutzen, der fundamental austrocknende US-Aktienmarkt würde über die Zinssenkungspolitik der US-Notenbank alternativ bewässert und die Neuverschuldung zur amerikanischen Wirtschaftsankurbelung und Wahlgeschenkverteilung wäre noch billiger. Damit wirkt die Liquiditätshausse mit immer erbärmlicheren Zinsen dem Handelskrieg entgegen. Große Vermögensverwalter kommen also trotz fundamentaler Krise an Aktien nicht vorbei.

Der Handelskrieg mit China lastet auf dem US-Export. Dadurch schwächte sich das US-Wirtschaftswachstum zuletzt deutlich ab. Die Fed reagierte darauf mit einer Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte. Wie bewerten Sie die Zinswende-Politik der US-Notenbank?
Die Fed hat schon immer zuerst auf Konjunkturstützung geachtet. Stabilität und Inflationsbekämpfung spielten eine untergeordnete Rolle. Wenn der Handelskrieg zu einer weiteren Eintrübung der Weltkonjunktur führt, dann wird die Fed nachlegen, auch mit einem neuen Anleiheaufkaufprogramm. Ich erwarte, dass wir in diesem Jahr noch zwei Zinssenkungen bekommen werden. Auch im kommenden Jahr erwarte ich weitere Zinsschritte.

Als Reaktion auf neue US-Zölle hat China den Yuan auf den niedrigsten Wert seit 2008 abgewertet. Wird der Handelskrieg jetzt zu einem Währungskrieg?
Natürlich hat China ein Interesse daran, die importzollbedingten Nachteile Amerikas durch eine Währungsabschwächung zu kompensieren. Selbst China ist nicht über alle konjunkturellen Zweifel erhaben. Ein gefundenes Fressen für Trump, der die Chinesen als Währungsmanipulatoren brandmarkt. Ich sehe die Gefahr, dass nun auch die Schwellenländer ihre Währungen abwerten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dies könnte zu einem stärkeren Euro führen. Im Ergebnis würden Waren "made in Germany" außerhalb des Euroraumes teurer. Doch wird die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine noch lockerere Zinspolitik machen, weil Staatsfinanzierung für sie die einzige Möglichkeit darstellt, die Eurosklerose zu verhindern. Sie wird zur Mutti der europäischen Geldpolitik: la mère monétaire. Im Endeffekt wird diese Zinssenkungspolitik den Euro schwächen.

Auch Trump will einen schwachen Dollar - wird er ihn bekommen?
Amerika braucht keinen starken Dollar mehr, um Auslandskapital zur Deckung der gewaltigen US-Verschuldung zu gewinnen. US-Staatsanleihen kauft die Fed zur Not selbst, z. B. wenn die Chinesen auf die Idee kommen, ihre US-Staatspapiere auf den Markt zu werfen. Und die angebliche Währungsmanipulation der Chinesen versorgt ihn mit der nötigen Munition, der eigenen Notenbank zu sagen: "Was die Chinesen zur Exportförderung tun, müssen wir aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit auch tun. Also senkt die Zinsen brutal." Das Problem ist, dass es so aussieht, als wäre die Fed der Erfüllungsgehilfe von Trump.

Nach der Finanzkrise erlebte die deutsche Wirtschaft einen jahrelangen Aufschwung. Jetzt häufen sich Meldungen zu Gewinnwarnungen und Stellenstreichungen. Ist der Höhenflug nun vorbei?
Wenn zwei sich streiten, kann sich der Dritte, Export-Deutschland, nicht freuen. Wir haben uns zu lange auf das sehr lukrative Geschäftsmodell "Export" verlassen. Die Globalisierung wird offensichtlich zurechtgestutzt. Daneben wird unsere Vormachtstellung in der Industrie von China auf allen Ebenen erfolgreich torpediert. Dieser deutschen Malaise muss man ja nicht tatenlos zusehen. Wenn das klassische deutsche Geschäftsmodell lahmt, ist Innovationsalarm keine Lösung. Aber leider wird Digitalisierung bei uns fast schon wie eine gefährliche Krankheit behandelt. Wir haben vergessen, dass unser "Vorsprung durch Technik" auch dem Wohl der Arbeitnehmer zugutekam. Wenn wir jetzt mit Gefälligkeitsökonomie statt Leistungsprinzip antreten, wird Deutschland langsam, aber sicher zu einem Industriemuseum. Deindustrialisierung ist nicht die Lösung, sie ist die Ursache für zukünftigen Wohlfahrtsverlust. Nicht zuletzt sollte die Wirtschaftspolitik nicht nur die Schuld bei Trump oder Johnson suchen. Andere kann man nicht ändern, nur sich selbst.

Seit fünf Jahren zahlen Banken bei der EZB auf ihre Überschussreserven Zinsen. Das geht nicht unerheblich zulasten der Gewinne, besonders in Deutschland. Wann werden die Banken beginnen, die negativen Zinsen an die Kunden weiterzugeben?
Das frühere Brot- und Buttergeschäft mit Zinsen macht die Kreditinstitute heutzutage nicht mehr satt. Wenn eine Bank mit negativen Anlagezinsen für ihre Kundschaft anfängt, würde das einen Dominoeffekt auslösen. Die Zeche der barmherzigen Geldpolitik zahlt der Zinssparer mit negativen Renditen, die nach Inflation noch verheerender ausfallen. Das ist eine Art Besteuerung von Zinsanlagen. Nennen wir es EZB-Soli. Altersvorsorge über Zinspapiere ist eine laut tickende Zeitbombe. Also müssen die deutschen Sparer endlich raus ihrer Komfortzone namens Zinssparen. Es wird nie wieder besser: Solange unser Finanzsystem besteht, wird es keine vernünftigen Zinsen mehr geben. Ansonsten bricht uns die überbordende Verschuldung das Genick. Die alten Anlagezöpfe müssen abgeschnitten werden. Zumindest Teile des Anlagevermögens müssen in Sachwerte wie Aktien umgeschichtet werden, damit z. B. Dividenden die fehlenden Zinsen ersetzen. Was ist denn gegen regelmäßige Aktiensparpläne mit überschaubaren Beiträgen einzuwenden? Richtig, nichts! So kann man aktuell mit guten Preisen in Aktien investieren. Denn die aktuelle Krise wird wie alle vorher auch vorbeigehen.

Gold war in den letzten Wochen gefragt wie lange nicht. Für Rückenwind sorgten vor allem die Krise mit dem Iran, der Handelskrieg und die Unsicherheit wegen des Brexits. Wie bewerten Sie die Aussichten für das gelbe Edelmetall?
Ich bin froh, dass es Gold geschafft hat, aus seinem lethargischen Seitwärtstrend auszubrechen. Da es z. B. im Moment kein deutsches Staatspapier mehr gibt, dass eine positive Rendite bietet, wird vermehrt in Gold umgeschichtet. Der Aufschwung des Goldpreises wird weitergehen, aber leider nicht mit so viel Dynamik wie fundamental gerechtfertigt. Denn die Notenbanken, die mit beliebig vermehrbarem Geld die Schuldenwelt retten, haben kein Interesse an Gold als Ersatzwährung. Dennoch, jeder Anleger sollte im Portfolio etwas Platz für das Edelmetall machen. Es wird nicht schlecht.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.









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Bildquellen: Robert Halver

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