Dirk Müller, gibt es bereits Blasen bei DAX und Dow?
Mr. DAX geißelt die Entkopplung der Weltfinanzmärkte von der realen Wirtschaft. An die Aktionäre hat er eine knappe Botschaft: Seid ängstlich, wenn die anderen euphorisch sind!
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von Benjamin Summa
Herr Müller, die Notenbanken werden immer mächtiger, sie bewegen die Kurse an der Börse mittlerweile im Alleingang - über die Politik des billigen Geldes, aber auch dadurch, dass sie selbst in großem Stil als Aktienkäufer auftreten. Dow Jones und DAX markierten in den vergangenen Tagen neue Allzeithochs. Warum sehen Sie die Politik der Notenbanken so kritisch?
Dirk Müller: Viele Politiker wollen uns derzeit weismachen, dass wir auf einem guten Weg sind, Missstände wie die enorme Verschuldung und konjunkturelle Probleme vor allem in Südeuropa in den Griff zu bekommen. Die Maßnahmen der Notenbanken zeigen jedoch das genaue Gegenteil. Warum sonst beschließt die EZB abstruse Maßnahmen wie Minuszinsen und denkt über Aufkäufe von Staatsanleihen oder sogar Unternehmenskrediten nach? Das sind alles Notmaßnahmen, die darauf hindeuten, dass mit den Finanzmärkten nichts in Ordnung ist. Das billige Geld kommt nicht in der Realwirtschaft an, weil die Banken das Kapital nicht an die Unternehmen in den europäischen Südstaaten weitergeben können. Denn die Banken müssen darauf achten, dass sie das Geld, das sie verleihen, auch irgendwann zurückbekommen.
Es wird ein Dilemma deutlich: Die Notenbank verlangt von den privaten Banken, mehr Kredite zu vergeben, um die Konjunktur und damit die Inflation anzukurbeln - gleichzeitig pocht sie darauf, dass die Kredite an Leute mit guter Bonität vergeben werden. Derzeit ein Widerspruch! Wie können also aus Sicht der EZB die Banken dazu gebracht werden, wieder Kredite an die Wirtschaft zu vergeben? Indem ihnen das Risiko genommen wird, das hat bei den Staatsanleihen bereits funktioniert. Zwischen den Zeilen kann man also folgenden Plan erkennen: Die EZB denkt wohl darüber nach, die sogenannten Asset Backed Securities, also forderungsbesicherte Wertpapiere, wieder zu forcieren. Das hieße, dass die Banken ohne Ansehen des Risikos wieder Kredite an Unternehmen in Südeuropa vergeben würden, anschließend würden die Kredite dann gebündelt an die EZB verkauft. Damit könnte die EZB über den Umweg der privaten Banken schwache Unternehmen in Südeuropa finanzieren und das Risiko auf den europäischen Steuerzahler abwälzen.
Die Strategie würde wahrscheinlich sogar funktionieren und zu einem Boom in den Peripheriestaaten führen - aber nur durch Inkaufnahme einer ungesunden wirtschaftlichen Entwicklung, wo ungesunde Unternehmen gepusht werden. Das erinnert mich sehr stark an die Situation in den USA vor 2008, als die Unmengen von Schrottkrediten zur globalen Finanzkrise geführt haben.
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Die Fed-Chefin Janet Yellen sagte kürzlich, sie erkenne trotz der starken Notenbankeingriffe keine Aktienblasen. Sehen Sie das genauso? Wie stark überbewertet sind DAX, Dow und Co. aus Ihrer Sicht?
In Deutschland haben wir tatsächlich noch keine Höchststände. Der DAX ist ein Performance-Index, es werden also die Dividenden miteingerechnet. In den USA ist das nicht der Fall. Würde der DAX nach US-Manier berechnet, dann wären wir rund 20 Prozent unter den Höchstständen des Jahres 2000 - die Amerikaner liegen derzeit 40 Prozent darüber. Wir sind also gegenüber den USA massiv unterbewertet. Das heißt allerdings nicht, dass die deutschen Aktien wahnsinnig billig wären, sondern dass viele US-Aktien derzeit sehr teuer sind.
Wir haben hierzulande ein durchschnittliches KGV von 15. Das mag im Vergleich der vergangenen 20 Jahre angemessen erscheinen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass wir rund um das Jahr 2000 wahnsinnig hohe Aktienbewertungen hatten - mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von über 25. Nur deshalb liegt das durchschnittliche KGV bei 15. Grundsätzlich weist ein Durchschnittswert von 15 schon eine recht hohe Aktienbewertung aus.
Aktuell sind alle Aktionäre euphorisch, wir lesen von DAX-Ständen von 30.000 Punkten in wenigen Jahren, der Volatilitätsindex VDAX-NEW liegt zudem extrem niedrig. Die Marktteilnehmer erwarten also kaum Kursrisiken. Eine uralte Börsenweisheit lautet jedoch: "Sei ängstlich, wenn die anderen euphorisch sind, und sei mutig, wenn die anderen panisch sind." Das sollte uns zu denken geben.
Ich will aber nicht falsch verstanden werden: Die Menschen sollen nicht aus den Aktien rausgehen. Ganz im Gegenteil. Jetzt muss man dabei sein. Aber jeder sollte sich auch über die beschriebenen Risiken im Klaren sein. Meine Strategie: Aktien ja, aber gleichzeitig auf ein Jahr gegen Kurseinbrüche absichern - aufgrund des niedrigen VDAX-NEW sind die Optionsprämien sehr preiswert.
Bei den Aktien setze ich beispielsweise auf starke Weltmarktführer wie Volkswagen, BASF, Cisco Systems oder IBM.
Wie beurteilen Sie konkret Risikofaktoren wie die schwächere Wirtschaftsentwicklung in China oder die Konflikte in der Ukraine und im Irak für die Aktienmärkte?
Die Preise für Kupfer, Eisenerz und Stahl gehen seit Monaten dramatisch nach unten. Das liegt an einer sich extrem abkühlenden Konjunktur, besonders in Schwellenländern wie China. Die offiziell vermeldeten Zahlen zum chinesischen Wirtschaftswachstum sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Auch die Probleme im chinesischen Häuser- und Kreditmarkt sind enorm. Hier steht uns das Platzen einer Megablase bevor - eine Kreditklemme im Schattenbankensystem hätte nicht zu prognostizierende Auswirkungen auf die Immobilien- und Aktienmärkte.
Diese Risiken werden vom Markt derzeit aber vollkommen ignoriert. Denn die Weltfinanzmärkte sind völlig abgekoppelt von der realen Wirtschaft. Seit Jahrzehnten wird behauptet, dass nur ein freies Spiel der Kräfte ein solch komplexes System wie die Finanzmärkte funktional halten kann, und jetzt setzen wir unsere Hoffnungen auf ein Außerkraftsetzen dieser Marktmechanismen. Das wird sich rächen!
Früher waren hohe Ölpreise schlecht für die Wirtschaft und schlecht für die Aktienmärkte. Jetzt explodiert der Ölpreis, nicht zuletzt aufgrund der Irak-Krise. Wen kümmert das? Niemanden! Wie gesagt: Die Marktkräfte sind außer Kraft gesetzt. Das kann nur eine gewisse Zeit gut gehen.
Die Fed will die Zinsen für einen "beträchtlichen Zeitraum" auf Rekordtief halten - auch nach geplanter Beendigung der Anleiheankäufe. Wann werden die Zinsen aus Ihrer Sicht wieder steigen können?
Wenn wir von nachhaltigen Zinssteigerungen auf ein Niveau von fünf bis sechs Prozent reden, dann werden wir das nicht erleben, solange Staatsschulden auf dem jetzigen Niveau bleiben oder sogar noch steigen. Nur ein Beispiel zur Illustration: Würden die Zinsen in Japan um zwei Prozent steigen, dann würden die gesamten Steuereinnahmen nicht ausreichen, um die Zinslast des japanischen Staates zu tragen.
Wenn wir über kurze Korrektive sprechen - 0,5 bis ein Prozent nach oben -, dann mag das in den nächsten Jahren als Steuerungsinstrument kommen. Aber höhere Zinsen, von denen die Sparer träumen, können auf lange Zeit abgehakt werden.
Wie kann die US-Notenbank Fed die Gratwanderung meistern, Stück für Stück aus der expansiven Geldpolitik auszusteigen, ohne den Aufschwung in den USA über eine Zinserhöhung zu gefährden?
Die USA reduzieren zwar derzeit etwas die Geschwindigkeit, mit der sie Geld in den Markt pumpen. Ich sehe aber nicht, dass die Amerikaner in den kommenden ein, zwei Jahren die Zinsen anheben werden. Amerika ist derzeit dabei zu reindustrialisieren. Boom und Inflation sind erwünscht. Das Zinsniveau muss dieser Strategie folgend niedrig bleiben. Die Hoffnung ist, über finanzielle Repression die Schulden loszuwerden. Die Gelackmeierten sind auch hier die Sparer.
Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, hat vor Kurzem seine Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB verschärft. Sparer im Euroraum würden ihres Vermögens beraubt, sagte er. Sehen Sie dies auch derart kritisch?
Die Schulden des einen sind das Geldvermögen des anderen. Der Staat muss also Sparvermögen seiner Bürger vernichten, um eigene Schulden zu eliminieren. Georg Fahrenschon hat Recht, er muss aber den Sparkassen-Kunden klipp und klar sagen, dass es jetzt an der Zeit ist, von Geldwerten in Sachwerte umzuschichten. Sparer sollten ihr Vermögen also nicht mehr nur gegen einen mickrigen Zins verleihen, sondern sich an starken internationalen Unternehmen beteiligen.
Mit einem Kursanstieg von rund 25 Prozent und einer Dividendenrendite von ca. drei Prozent im Durchschnitt haben DAX und Co. vergangenes Jahr alle gängigen Assetklassen deutlich übertroffen. Mit Spareinlagen konnte man hingegen gerade mal ein Prozent verdienen. Warum ist es dennoch so schwer für uns Deutsche, an dieser Stelle umzudenken?
Immer mehr Aktien deutscher Unternehmen werden von Ausländern gehalten. Die Deutschen gehören zu den ganz wenigen Völkern dieser Welt, die einen größeren Schmerz bei Verlusten empfinden als Freude bei Gewinnen. Die Mehrheit der Deutschen glaubt, Aktien seien Teufelszeug. Ich habe bereits darauf hingewiesen: Bei Aktien haben wir momentan ein durchschnittliches KGV von 15, bei Immobilien liegt dieses bei 25 und bei Staatsanleihen bei 65. Trotzdem glauben die Deutschen, dass Aktien riskanter sind als Anleihen.
Wie bewerten Sie derzeit die Anlageklassen Anleihen, Immobilien und Gold?
Wir sehen eine völlige Verzerrung des Anleihenmarktes, minimale Zinsen und trotzdem ein deutliches Risiko. Ich bekomme momentan für eine spanische Staatsanleihe unter drei Prozent Zinsen, d. h., Spanien zahlt weniger Zinsen als die USA. Volkswagen macht einen Gewinn pro Aktie von zehn Prozent. Dass Volkswagen in den kommenden zehn Jahren Pleite geht, kann ich ausschließen. Dass Spanien seine Anleihen in den kommenden zehn Jahren komplett wird bedienen können, ist für mich jedenfalls mit einem großen Fragezeichen verbunden. Fazit: Anleihen fasse ich nach wie vor mit der Kneifzange nicht an, wer mir welche schenkt, den verklage ich.
Auch bei den Immobilien haben wir eine sehr hohe Bewertung - ein KGV von durchschnittlich 20 bis 30. Es ist schwer, preiswerte Objekte am Markt zu finden. Immobilien werden vielleicht nicht wertlos, handfeste Risiken sind aber auch hier vorhanden.
Das Thema Edelmetalle ist gerade sehr spannend. Gold hat jetzt endlich den Ausbruch über die 200-Tage-Linie geschafft. Auch Silber hat einen wunderbaren Ausbruch mit einer dynamischen Bewegung vorzuweisen. In den vergangenen Monaten haben die meisten Anleger Edelmetalle wie die Pest gemieden. Auch hier gilt, dass man dann gierig sein sollte, wenn andere ängstlich sind.
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Kurzvita
Dirk Müller alias "Mister Dax" ist einer der gefragtesten Börsenexperten im deutschen Fernsehen. Anfang 2009 erschien sein Beststeller "C(r)ashkurs", in dem er über die Hintergründe der Börsen- und Finanzwelt aufklärt und Missstände unseres Wirtschaftssystems benennt. Sein zweites Buch "Cashkurs" schaffte es kurz nach Erscheinen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Dirk Müller veröffentlicht regelmäßig Marktanalysen auf seiner Website www.cashkurs.com.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München.
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