Interview Exklusiv

Bilfinger-Chef: "Die Größe ist nicht entscheidend"

aktualisiert 08.02.14 20:27 Uhr

Roland Koch, Vorstandschef des Industriedienstleisters Bilfinger, über Zukaufpläne, Wachstumsziele und den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft.

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von Mario Müller-Dofel, Euro am Sonntag

€uro am Sonntag: Herr Koch, nach einem wetterbedingt schwierigen ersten Quartal 2013 hatten Sie eine Aufholjagd versprochen. Sind Sie inzwischen zufrieden mit dem abgelaufenen Geschäftsjahr?
Roland Koch: Wir werden am 11. Februar unseren vorläufigen Bericht veröffentlichen. Richtig ist, dass wir enorme Anstrengungen unternommen haben, um den schwachen Jahresstart auszugleichen. Und so viel kann ich bei aller gebotenen Zurückhaltung heute schon sagen: Es gibt derzeit keine Anzeichen, dass wir unsere Ziele nicht erreichen.

Schauen wir nach vorn: Welches Umsatzziel haben Sie mittelfristig und wie wird sich das Europageschäft entwickeln? Die aktuellen 80 Prozent Anteil am Konzernumsatz sind ja allein schon aus Gründen der Risikostreuung zu viel.
Bis 2016 soll die Konzernleistung organisch um durchschnittlich drei bis fünf Prozent per annum auf über elf Milliarden Euro zulegen. Dabei wollen wir auch in Europa weiter gute Geschäfte machen, aber der Europa-Anteil an unserer Gesamtleistung wird eindeutig zurückgehen.

Auf welchen Prozentwert?
Einen konkreten Zielwert möchte ich hier nicht nennen, weil die Entwicklung stark von Zukäufen abhängen wird. Wir haben bereits in den vergangenen Jahren viel Geld in Akquisitionen außerhalb Europas investiert. Das werden wir auch weiterhin tun. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem US-amerikanischen Energiesektor.

Für die meisten größeren Unternehmen in Deutschland sind vor allem Asien, aber auch zunehmend Afrika bevorzugte Expansionsziele. Bilfinger erwirtschaftet dort erst drei Prozent des Konzerumsatzes. Das ist ein bisschen mager, oder?
Wir wollen am Wachstum in diesen Regionen teilhaben und arbeiten hart dafür. Inzwischen beschäftigten wir im arabischen und afrikanischen Raum rund 3500 Mitarbeiter, haben ein erstes Standbein in Indien, sind Marktführer im Bereich Kraftwerk-Services in Südafrika und haben insgesamt mehr als ein Dutzend Ingenieurbüros in Fernost.

Bilfinger hat rund 800 Millionen Euro für Akquisitionen in der Kasse, die Sie in den nächsten ein bis zwei Jahren ausgeben wollen. Wie groß sind die Zukaufkandidaten, die Sie im Blick haben?
Die Größe ist für uns nicht das entscheidende Kriterium. Wir wollen weiterhin nur erfolgreiche Firmen akquirieren, kleinere und größere. Es hat sich gezeigt, dass wir Unternehmen bis zu einem Wert von rund 300 Millionen Euro schnell und erfolgreich integrieren können.

Sie wollen auch eine zentrale Steuerung der 500 noch relativ eigenständig operierenden Tochterunternehmen von Bilfinger vollbringen. Welche sind die wichtigsten Ziele dieses Mammutprojekts?
Erstens eine bessere Interaktion zwischen unseren verschiedenen Divisionen: Die Zentrale soll das enorme Wissen, das in unserer Organisation steckt, allen - übrigens weiterhin dezentral und flexibel operierenden Geschäftseinheiten - zugänglich machen. Zweitens wollen wir die Verwaltungskosten senken. Sie lagen bislang bei zehn Prozent vom Umsatz, was zu hoch ist. Drittens wollen wir uns weltweit als einheitliche Organisation mit einer Stimme präsentieren.

Welche Geschäftsbereiche werden die Wachstumstreiber für Bilfinger?
Den US-amerikanischen Energiesektor habe ich schon genannt, aber auch unsere Dienstleistungen im Öl- und Gasbereich - etwa die Instandhaltung von Offshore-Anlagen, wie wir das in der Nordsee bereits machen. Zudem läuft das Gebäudemanagement sehr gut, ebenso die Automatisierungstechnik sowie Wasser- und Abwassertechnologien, bei denen Bilfinger inzwischen eine starke Weltmarktstellung hat.

Die Automatisierungstechnik ist eines der jüngsten Geschäftsfelder von Bilfinger. Hier treten Sie gegen Riesen wie Siemens und ABB an. Was kann Bilfinger besser als die?
So denken wir nicht…

Wie denken Sie denn?
Unsere Kunden fragen uns: Wie könnt ihr euer Angebot noch besser machen? Diese Frage ergibt sich aus der Tatsache, dass Automatisierungskompetenz für uns immer wichtiger wird, um den Betrieb von industriellen Anlagen aufrecht zu erhalten. Und Industrial Services sind das größte Geschäftsfeld von Bilfinger. Inzwischen verstehen wir von vielen Anlagen mehr als unsere Kunden. Da lag es nahe, aus den Bereichen Engineering und Automatisierung eine eigene Division zu bilden, um das Geschäft zu forcieren. Dazu gehört nun die Anlagenplanung - ob Kraftwerke oder Industrieanlagen - ebenso wie die Prozesssteuerung und -überwachung.

Wie viel Jahresumsatz kommt in dieser Division zusammen?
Erst einige Hundert Millionen Euro, aber das wird auch durch Akquisitionen zunehmen.

Die Unternehmenspreise sind aktuell sehr hoch. Fürchten Sie nicht, sie könnten zu viel Geld für zu wenig Geschäft ausgeben?
Wir beweisen seit Jahren, dass wir in der Lage sind, erfolgreich zu akquirieren. Wir schauen uns die Kandidaten genau an und bringen auch die notwendige Geduld mit. Wenn wir allerdings sehen, dass ein Unternehmen und ein Markt aussichtsreich sind, können wir nicht warten bis sich unsere Wettbewerber dort besser positionieren als wir. Trotzdem kaufen wir nur Unternehmen, die schon im ersten Jahr zum Konzerngewinn beitragen und ihre Kapitalkosten verdienen.

Früher war Bilfinger ein Baukonzern. Welche Rolle spielt der Bau jetzt noch?
Die reine Bauleistung liegt bei weniger als 15 Prozent unserer Gesamtleistung. Da die anderen Bereiche schneller wachsen werden, wird der Prozentsatz auch in den nächsten Jahren weiter sinken.

Mittlerweile haben Sie mehr als zwei Jahre Führungserfahrung in der freien Wirtschaft gesammelt. Würden Sie anderen Politikern den Wechsel in die Privatwirtschaft empfehlen?
Absolut. Allerdings muss sich jeder Politiker, der mit dem Gedanken spielt, fragen: Habe ich eine Leidenschaft für ökonomische Entwicklungen, betriebswirtschaftliche Kennzahlen und für das Unternehmen, für das ich dann stehe? Nur wer das ehrlich bejahen kann, sollte den Wechsel wagen.

Warum wechseln dennoch so wenige Politiker in die Wirtschaft?
Ein wesentlicher Hemmschuh könnte sein, dass die deutsche Öffentlichkeit dazu tendiert, solchen Wechseln unlautere Motive zu unterstellen anstatt sie zu goutieren. In Sonntagsreden wird der Wechsel angemahnt, ab Montag dann häufig schlecht geredet. Das ist schade, wird sich meiner Ansicht nach aber leider so schnell auch nicht ändern. Wirklich schade, denn mehr Austausch von Praktikern würde Deutschland gut tun.

Würde es Deutschland auch gut tun, wenn - umgekehrt - mehr Topmanager den Wechsel in die Politik wagten?
Auch das, natürlich. In diesem Fall müsste der Manager allerdings erst akzeptieren, dass Politik ein äußerst anspruchsvolles Berufsfeld ist, das harten Regeln unterliegt, die er befolgen muss - und auf dem er weniger verdient. Ich habe das Gefühl, dass das viele Manager nicht wollen.

Welche Regeln meinen Sie?
Die öffentliche Beobachtung und Kommunikation, die Notwendigkeit zu Kompromissen mit vielen Interessengruppen, der extrem hohe Zeitaufwand für demokratische Debatten, die damit verbundenen persönlichen Entbehrungen und das dicke Fell, auf dem man sich von allen möglichen Leuten herumprügeln lassen muss. Da ist es mitunter schon bitter, dass große Teile der Bevölkerung glauben, dass Politiker die meiste Zeit hinter Rednerpulten stehen und debattieren.

Dieser Eindruck ist berechtigt. Vielleicht weil 2013 Bundestagswahlkampf war. Aber öffentliche Debatten führen Spitzenpolitiker in der Regel nach ihrer 50- bis 60-Stunden-Woche, die von normalen Führungsaufgaben in der Administration geprägt ist. Angesichts dessen bin ich froh, dass ich mich bei Bilfinger auf meine Führungsaufgaben konzentrieren kann - auch wenn die Wochenarbeitszeit nicht kürzer als früher ist.

Kurzvita

Roland Koch wurde am 24. März 1958 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Frankfurt und ist seit 1985 als Anwalt mit Spezialisierung auf Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht zugelassen. Von 1999 bis 2010 war er hessischer Ministerpräsident und CDU-Bundesvize. Ende August 2010 gab der damals 52-Jährige freiwillig alle politischen Ämter ab, um in die Wirtschaft zu wechseln. Seit Juli 2011 ist Koch Vorstandschef des Ingenieur- und Dienstleistungskonzerns Bilfinger mit 70 000 Mitarbeitern. Der Ex-Politiker gilt als hervorragender Hobbykoch, ist Vater von zwei Söhnen und lebt mit seiner Ehefrau in Eschborn bei Frankfurt, wo er auch aufwuchs.

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