Indien vor der Wahl

Indien: Im Zeichen der Zwiebel

13.12.13 15:00 Uhr

Die größte Demokratie der Welt wählt im Mai ein neues Parlament. Schon jetzt ist der Wahlkampf in vollem Gang. Dass die Inder die Politik der amtierenden Regierung gründlich satthaben, spürt man auf den Straßen Delhis.

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von Astrid Zehbe, Euro am Sonntag

Es sind scharfe Wahlkampfgeschenke der besonderen Art, mit denen indische Poli­tiker dieses Jahr um die Gunst der Wähler buhlen: Zwiebeln. Weil sich der Preis für das indische Volksgemüse in den vergangenen zwölf Monaten verdreifacht hat, haben die beiden großen indischen Parteien aus der Not eine Tugend gemacht und das Kilo für den halben Preis verkauft — die einen, um an der Macht zu bleiben, die anderen, um an die Macht zu kommen. Dass beides möglich ist, zeigt die Vergangenheit: Preisanstiege für Zwiebeln haben immer wieder politische Spannungen verursacht, 1998 zum Machtwechsel in den Bundesstaaten Delhi und Rajasthan geführt und 1981 gar die indische Regierung gestürzt.

Wenn im Mai 2014 mehr als 700 Millionen Inder ein neues Parlament wählen, wird der Zwiebelpreis eine wesentliche Rolle spielen. Nicht nur, weil es eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel ist, ohne das kaum ein indisches Gericht auskommt. Sondern auch, weil hinter der Preisexplosion viele Probleme stehen, die immer mehr Inder anprangern: Misswirtschaft, Infrastrukturpro­bleme und Korruption.

Viele sehnen sich darum nach einem politischen Wechsel — und hängen einer Partei an, die Fortschritt und Wohlstand verspricht, die aber zur Bedrohung für das ganze Land werden könnte: der hinduistisch-­nationalistischen BJP. Mit ihrem umstrittenen Spitzenkandidaten Narendra Modi liegt sie derzeit in den ­Umfragen deutlich vorn. Dass die re­gierende Kongresspartei das Ruder noch herumreißen könnte, glauben sechs Monate vor der Wahl immer weniger Menschen.

Abhishek Dutt will von schlechten Umfrageergebnissen nichts wissen. Der 34-Jährige sitzt für die derzeit das Land regierende Kongresspartei im Stadtparlament von Delhi. Es ist ein sonniger, warmer Novembertag, als er in seinem Wahlkreis Andrews Ganji in Süd-Delhi auf Stimmenfang geht. Gefolgt von einem Tross von Mitarbeitern, Journalisten und Neugierigen spaziert er durch die engen, ungepflasterten Gassen eines Slums. Ganze Familien teilen sich die winzigen, oft fensterlosen Hütten. Toiletten sind eine Rarität, das Stromnetz ist dürftig, die Wasserversorgung miserabel. In ein paar Tagen werden im Regierungsbezirk Delhi und in vier weiteren Bundesstaaten neue Lokalregierungen gewählt. Diese Wahl wird ein Indikator für die Parlamentswahlen im Mai sein. Geht die Kongresspartei hier als Verlierer aus dem Rennen, wird das der BJP noch mehr Aufwind verleihen.

Dutt schüttelt Hände, spricht mit Bewohnern und negiert beharrlich alle Probleme, die es in Indien und Delhi gibt: Steigende Preise für Lebensmittel? Die sind längst gesunken! Sicherheit für Frauen? Auch im Dunkeln kein Problem! Umweltverschmutzung? Nicht in Delhi!

Die Menschen, mit denen Dutt redet, wissen es vermutlich besser — auch hier im Slum. Immer mehr Inder haben Zugang zum Internet, zu Fernsehen, Radio und Zeitungen. Dank der steigenden Alphabetisierungsrate — sie liegt heute mit 74 Prozent um zehn Prozentpunkte höher als noch vor zehn Jahren — sind sie auch zunehmend in der Lage, sich Informationen zu suchen, sie zu lesen und zu verstehen. Sie wissen von Gewalt gegen Frauen, von Korruptionsskandalen, Arbeitslosigkeit und Umweltproblemen. Vor allem aber wissen sie um das wirtschaftliche Potenzial, das Indien hat, von dem sie aber selbst kaum etwas zu spüren bekommen. Mehr als 300 Millionen Menschen müssen noch immer mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen. Dem gegenüber steht eine stetig steigende Mittel- und Oberschicht, die Indiens rasantes Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat.

Inder wollen Veränderung
Die Zeiten, in denen Indiens Wirtschaft zweistellig wuchs, sind vorerst vorbei. Die Zuwachs­raten sind zwar noch immer vergleichsweise hoch, aber sie reichen nicht, um die jedes Jahr fast zehn Millionen auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Das steigende Arbeitskräftereservoir, das oft auch als demografische Dividende bezeichnet wird, kann Indien kaum für sich nutzen, weil nicht genügend gute Jobs zur Verfügung stehen. Für Lichtblicke sorgen zwar die weltweite Konjunkturerholung sowie die durch die schwache Rupie angeheizte Exportindustrie, dennoch lassen Reformen und Inves­titionen auf sich warten. Der Frust und die Enttäuschung über den Stillstand ziehen darum vor allem junge Menschen in den Bann der BJP. Auf einer Wahlkampfveranstaltung der Partei schwenken sie enthusiastisch orangefarbene Schals mit den roten Lotusblüten, dem Symbol der Partei. Immer wieder jubeln sie den Rednern zu, deren Stimmen aus den Lautsprechern dröhnen. Mittendrin eine Frau um die 50. In ihrem auffälligen gelben Sari war sie vormittags beim Wahlkampftermin von Abhishek Dutt. Schon dort machte sie keinen Hehl aus ihrer Überzeugung: „Die Kongresspartei hat in den vergangenen Jahren nichts für uns getan“, schimpft sie. Es sei an der Zeit, dass sich endlich etwas ändere. Ihre Stimme gehört der BJP.




BJP — das ist vor allem ein Mann: Narendra Modi. Der 63-Jährige wurde im September zum Spitzenkandidaten seiner Partei gekürt und dominiert seither die politische Debatte im Land. Unter seiner Führung soll Indien wieder aufblühen. So wie er es schon in Gujarat geschafft hat, dem Bundesstaat im Nordwesten, den er seit 2001 regiert.

Bislang ist es der Kongresspartei nicht gelungen, einen Gegenkandidaten zu finden, der es mit Modi ­ aufnehmen könnte. Der amtierende Premierminister Manmohan Singh ist mit 81 Jahren zu alt, um erneut zu kandidieren. Parteichefin Sonia Ghandi hätte als gebürtige Italienerin bei den nationalstolzen Indern kaum eine Chance, sodass als bislang aussichtsreichster Kandidat ihr Sohn Rahul gilt. Die politischen Erfolge des 43-Jährigen sind aber überschaubar — anders als die von Modi.

Dem ist es in seinem Bundesstaat Gujarat in den vergangenen fünf Jahren gelungen, attraktive Investoren anzuziehen: Autobauer wie Ford, Maruti Suzuki oder Tata Motors haben sich ebenso angesiedelt wie der Konsumgüterriese Procter & Gamble oder der Pharmakonzern Abbott. Um fast neun Prozent ist die Wirtschaft 2012 gewachsen. Gujarat gilt als einer der Boomstaaten Indiens.

Nicht umsonst würden Wirtschaftsvertreter einen Wahlerfolg Narendra Modis favorisieren. Vor allem weil sich viele Geldgeber, insbesondere aus dem Ausland, zurückziehen. Seit Juni haben sie indische Aktien im Gesamtwert von zwölf Milliarden Euro verkauft. Das dürfte allerdings größtenteils mit der Geldpolitik der US-Notenbank zusammenhängen.

Es gibt aber auch eine Reihe hausgemachter Probleme, die Indien als Investitionsziel weniger attraktiv machen: die überbordende Bürokratie an allen Ecken und Enden; Korruption, die das Wirtschaftssystem ineffizient macht, sowie die mangelnde Rechtssicherheit, unter der vor allem ausländische Unternehmen leiden.

Umstrittener Modernisierer
Dass Modi das Zeug dazu hat, das Land und die Wirtschaft auf Vordermann zu bringen, glauben selbst die Menschen, die ihn nicht wählen würden. Vor allem Bauunternehmen und Energieversorger dürften von seiner Wahl profitieren, sollte Modi wie angekündigt die Infrastruktur des Landes verbessern.

Doch der Politiker ist umstritten wie kaum ein anderer in Indien. Als frisch gewählter Ministerpräsident von Gujarat soll seine Polizei tatenlos zugesehen haben, als im Jahr 2002 bei einem Massaker rund 2.000 Muslime von Hindus umgebracht wurden. Schlimmer noch: Sie soll sich daran beteiligt haben, weswegen die USA und die EU Modi bis heute die Einreise verweigern.

Viele befürchten, dass es unter Modi erneut zu Unruhen zwischen Hindus und Muslimen kommen könnte. Das würde das Land zurückwerfen, politisch wie wirtschaftlich.„Firmen brauchen ein stabiles Umfeld, in dem sie planen können“, sagt Neelkanth Mishra. Auf eine Partei, die das eher bieten kann, will sich der Aktienanalyst der Credit Suisse nicht festlegen. Nur darauf, dass ­Stabilität in dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Land ein schwieriges Unterfangen ist, weil an allen Ecken und Enden Missstände herrschen. Einige sind auch der Grund für den immer wieder heftig steigenden Zwiebelpreis: die starke Konzentration des Anbaus auf wenige Regionen, Probleme bei Lagerung und Transport und die häufige Verstrickung von Politik und Wirtschaft. So soll der Zwiebelpreis auch darum in die Höhe geschossen sein, weil BJP-treue Händler das Gemüse in Massen horten.

Investor-Info

Indische Rupie
Kampf gegen Inflation

Die Ankündigungen der US-Notenbank, ihr Anleihekaufprogramm zurückzufahren, hat im Sommer zum Ausverkauf von Aktien und Anleihen aus Schwellenländern geführt – auch in Indien, der zweitgrößten Volkswirtschaft Asiens. In der Folge ist die Währung des Landes drastisch eingebrochen. Was der Exportindustrie nützt, belastet die Konsumenten: Steigende Preise für Importe und ein Anziehen der Inflation auf sieben Prozent gehören zu den wichtigsten ­Herausforderungen für Politiker im Wahlkampf.













Zertifikat
RBS India ADR/GDR Open End

Das Zertifikat (ISIN: NL 000 004 853 6) setzt auf sogenannte ADRs und GDRs. Das sind indische Wertpapiere, die von Kreditinstituten außerhalb Indiens ausgestellt wurden, welche die zugrunde liegenden Aktien halten. Derzeit werden vor allem Finanz-, aber auch Pharma- und Technologiewerte abgebildet. Die Indexanpassung findet jährlich statt. Die Gebühren belaufen sich auf ein Prozent.

Fonds
Franklin India Fund

Von Investitionen in die Infrastruktur profitieren ­unter anderem Telekommunikationsunternehmen und Versorger. Beide Branchen machen insgesamt 20 Prozent des Portfolios des Franklin-India-Fonds aus. Ansonsten setzt der Fonds auf Finanz- und Pharmatitel. Nach den Kurseinbrüchen vom Sommer bietet er Aufholpotenzial.

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