Geldanlage-Report Armin Brack

Japan: Sind die Großbanken in Gefahr?

27.04.11 12:25 Uhr

Japan: Sind die Großbanken in Gefahr? | finanzen.net

Die Folgen von Fukushima: Japanische Großbanken in Gefahr?

Die großen Kapitalerhöhungen der Commerzbank und der Aareal Bank zeigen, dass auch hierzulande weiter großer Kapitalbedarf bei Banken vorhanden ist. Roland Tietjen zeigt nachfolgend die noch wesentlich kritischere Gemengelage in Japan auf.

Wie es um die japanische Wirtschaft und vor allem um die strahlende Atomruine Fukushima wirklich steht, ist unklar. Die japanische Regierung und Betreiber Tokyo Electric Power (Tepco) wollen den Eindruck vermitteln, das Schlimmste sei überstanden. Experten wie der Träger des alternativen Nobelpreises von 1997, Mycle Schneider, warnen dagegen, Fukushima sei eine „tiefgreifendere“ Katastrophe als Tschernobyl. Was ist wahr?

Meine Meinung: Vorsicht ist angesagt. Ich sehe Japan wegen Fukushima zwar nicht am Abgrund, aber in einer Abwärtsspirale. Die Konjunktur, die schon vor der Atomkrise nicht anspringen wollte, ist weiter geschwächt, die Verschuldung zum existenziellen Problem geworden.

Warum japanische Großbanken in Gefahr geraten könnten

Mindestens 16 Billionen Yen (134 Mrd. Euro), vermutlich doppelt so viel, kostet die japanische Wirtschaft die Naturkatastrophe vom 11. März und ihre Folgen. Das schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen Bericht zur Wirtschaftslage Japans.

Ich weiß nicht, wie die OECD diese Zahlen ermittelt hat, ich halte sie für wenig hilfreich und viel zu tief gegriffen. Allein die Entsorgung großer Mengen verstrahlten Löschwassers, die Verseuchung von Fischbeständen und Ernteausfälle in der für die Reisproduktion wichtigen Präfektur Fukushima sind nur einige der schlimmsten Schäden.

Folgekosten von mindestens 500 Milliarden Euro, so die Berechnungen japanischer Wirtschaftswissenschaftler, kommen mir glaubhafter vor.

Das Problem: Japan hat kaum noch Geld, um die Folgen von Erdbeben, Tsunami und Atomkrise wirksam zu bekämpfen. Ist bei einer Schuldenlast von weit mehr als 200 Prozent der Wirtschaftsleistung angelangt – ein höherer Wert als in jedem anderen Industrieland. Jetzt soll die Umsatzsteuer auf zehn Prozent erhöht werden. Vermutlich ist sogar eine Erhöhung auf 20 Prozent unvermeidbar.

Die Japaner selbst haben das Vertrauen in die Politik und die Wirtschaft völlig verloren. In einer aktuellen Umfrage geht eine Mehrheit der Befragten von einer Rezession für ihr Land aus. Auch der Bankenbranche werden miserable Noten gegeben. Das hat Gründe, unter anderem wird die Verflechtung der Banken mit dem Atomsektor zunehmend kritisch gesehen: Angeblich planen die drei Schwergewichte Mitsubishi UFJ Financial Group, Mizuho Financial Group sowie Sumitomo Mitsui Financial Group, zusammen 160 Milliarden Yen auf ihren Anteil an dem AKW-Betreiber Tepco abzuschreiben.

Dabei wird es wohl nicht bleiben: Die genannten Großbanken sind nicht nur engagiert bei Tepco, sondern auch Eigentümer teurer Immobilien, vor allem in Tokio. Ein lukratives Geschäft – vor Fukushima. Immerhin galt Tokio noch im Februar dieses Jahres als die Stadt mit den weltweit höchsten Mietpreisen.

Für eine 80-Quadratmeter-Wohnung in Top-Lage mussten Mieter über 3.400 Euro pro Monat bezahlen, berichtete das „Accomodation Reports“ des Personalberaters ECA. Der monatliche Quadratmeterpreis, der sich daraus errechnete, betrug 42,62 Euro.

Immobilienpreise in Tokio fallen

Doch jetzt sinken die Preise und das hat Folgen: Der offene Immobilienfonds UniImmo Global (ISIN DE0009805556) war der erste, der seine Immobilien in Japan neu bewerten wollte. Wegen der „unklaren Auswirkungen der Störfälle im Atomkraftwerk Fukushima sowie deren noch nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen“, hieß es. Weil genau das aber nicht möglich war, verkündete der Fonds keine Anteile mehr zurück zu nehmen und gibt auch keine neuen Anteile mehr aus.

Sollte der Preisverfall für Immobilien vor allem in Tokio nicht aufzuhalten sein, weil – ausgeschlossen ist das nicht – vermehrt Radioaktivität in Tokio gemessen würde, wären die Aussichten für alle, die dort Immobilien ihr eigen nennen, düster. Das wäre dann „Lehman hoch zwei“, meinte ein Chefvolkswirt der Allianz jüngst im Spiegel. Konkret heißt das: Immobiliengesellschaften und Großbanken könnten in eine akute Schieflage geraten.

Hysterie? Ich meine nicht. Es ist ein nachzuvollziehender Schluss der aktuellen unsicheren, aber auch noch unübersehbaren Lage. Zwar halte ich das Worst-Case-Szenario – Tokio wird unbewohnbar – selbst für nicht realistisch. Aber ich bin kein Atomexperte, kann das nicht beurteilen, muss es aber als Geldanleger einkalkulieren.

Optimismus versprüht eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft DTZ. Danach haben die Bürotürme und Einkaufszentren in den Großstädten des Inselstaats das Erdbeben offenbar weitgehend schadlos überstanden. Weniger als 0,1 Prozent aller Gewerbe-Immobilien in den Ballungszentren des Landes seien beschädigt worden. Laut DTZ kann die Katastrophe die Erholung des bereits durch die Finanzkrise angeschlagenen Büromarkts in Tokio darum auch nur verzögern, jedoch nicht verhindern.

Vor dem großen Erdbeben prognostizierte DTZ einen Rückgang der Mietpreise bei neuen Vertragsabschlüssen von bis zu 6,5 Prozent. Inzwischen wird ein Mietrückgang von bis zu 9,1 Prozent in diesem Jahr für wahrscheinlich gehalten. Im nächsten Jahr sollen sich die Mieten in der japanischen Hauptstadt dann stabilisieren, 2013 wieder steigen.

Natürlich nur, wenn es zu keinen weiteren desaströsen Meldungen aus dem 200 Kilometer entfernten Fukushima kommt.

Da ist offensichtlich viel Wunschglaube dabei, aber auch diese Entwicklung ist natürlich möglich. Immerhin: Die Immobiliendeals in Tokio gehen weiter. Konkret hat der japanische Immobilienkonzern Mitsubishi Estate Co. Ltd. gerade ein Bürogebäude und weitere kleinere Immobilien vom US-Finanzinvestor Lone Star erworben. Die Objekte befinden sich im Zentrum von Tokio. Dabei handelt es sich unter anderem um das Kokusai Shin-Akasaka Building das aus einem 24-stöckigen und einem 18-stöckigen Tower besteht.

MEIN FAZIT:

- Ein genauerer Blick in die Statistik wirft ein eher dunkles Licht auf den Zustand der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. Sie wird vermutlich Jahre brauchen, um die Folgen der Katastrophe zu meistern. Nicht alle Unternehmen, auch nicht alle Banken werden diesen Kampf überleben können.

- Das hat mehrere Gründe: Sei es wegen des nicht zu verhindernden Immobilienverfalls (über die Dauer des Preisverfalls lässt sich streiten), den ich spätestens im zweiten Halbjahr sehe, sei es wegen beschädigter Gebäude und IT-Infrastrukturen oder auch wegen möglicher hoher Abschreibungen von Krediten. Die Aktienkurse haben das noch lange nicht eingepreist.

- Darum: Solange die Aussichten für die wirtschaftlichen Fundamentaldaten und die Geschäfte der Unternehmen so unklar sind, rate ich: Hände weg aus Japan!

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.