Europa vs. USA: So wurde Airbus der größte und erfolgreichste Konkurrent von Boeing
Der europäische Flugzeugbauer Airbus verzeichnet seit fünf Jahren mehr Aufträge als Boeing. Das liegt auch an den Pannen-Serien des US-Konkurrenten.
Der europäische Flugzeughersteller Airbus hat Boeing in der Marktkapitalisierung überholt, nachdem der Aktienkurs des US-Konkurrenten in diesem Jahr gesunken ist.
Längst hat der Konzern auf dem US-amerikanischen Markt Fuß gefasst und verbucht seit fünf Jahren mehr Aufträge als Boeing.
Wir werfen einen Blick auf fünf wichtige Momente in der Airbus-Historie, die den aktuellen Börsenauftrieb ermöglicht haben.
Boeing wurde 1916 gegründet – gerade einmal 13 Jahre nach dem ersten Pionier-Flug der Gebrüder Wright. Der US-Hersteller ebnete von der Pazifik-Metropole Seattle aus den Weg der Vereinigten Staaten zur Vorherrschaft in der Luftfahrt.
Mehr als ein halbes Jahrhundert später erst trat Airbus auf den Plan. Europa wollte Amerikas Dominanz am Himmel herausfordern, indem es seinen eigenen Flugzeughersteller aufbaute. Die französische, britische und deutsche Regierung begannen daher 1967 mit der Planung des Konzerns. Drei Jahre später gründeten sie Airbus offiziell.
Die Rechnung ging auf, wie aktuelle Zahlen beweisen: In den vergangenen fünf Jahren verbuchte Airbus stets mehr Bestellungen als Boeing – 2319 Aufträge im Jahr 2023 stehen 1456 Aufträgen für das amerikanische Unternehmen gegenüber. Und im September hat Airbus Boeing sogar bei der Marktkapitalisierung überholt, nachdem die US-Großbank Wells Fargo die Boeing-Aktie herabgestuft hatte, was einen Ausverkauf nach sich zog. Allein in diesem Jahr ist der Aktienkurs von Boeing bisher um 38 Prozent gefallen.
Wir stellen fünf Momente in der Geschichte von Airbus vor, in denen der Konzern nach und nach die Oberhand gegenüber seinem US-Konkurrenten gewann.
1. Bernard Lathières: Der Airbus-CEO schloss eine mutige Wette auf den A300 ab
Der A300 war nicht nur das erste Airbus-Flugzeug, sondern auch das erste zweistrahlige Großraumflugzeug der Welt. Als es 1972 erstmals abhob, besaßen alle anderen Großraumjets noch drei oder vier Triebwerke, so auch die Boeing 747. Airbus plagten jedoch Schwierigkeiten, Aufträge an Land zu ziehen. Zusätzlich sammelte das Unternehmen die 75 Bestellungen nicht, die es für den Produktionsstart benötigte. Doch der damals noch junge Hersteller machte weiter.
Airbus verdankt seinen heutigen Erfolg zu einem großen Teil der Risikobereitschaft Bernard Lathières. Er war von 1975 bis 1985 Geschäftsführer des Unternehmens und ging eine riskante geschäftliche Wette ein. Ende der 1970er Jahre kämpfte nämlich Eastern Air Lines, einst eine der führenden US-Fluggesellschaften, mit hohen Schulden. 1977 gestattete Lathière Eastern Air Lines, vier Airbus A300-Maschinen kostenlos für sechs Monate zu leasen. In der Dokumentation "Airbus vs Boeing: The Jumbo Jet Race" aus dem Jahr 2014 erinnert er sich, dass er fast dafür gefeuert wurde.
2. Fly-by-Wire-Innovationen im A320-Jet
Airbus feierte erst mit der Einführung des Modells A320 im Jahr 1987 einen echten Erfolg. Als der Jet im französischen Toulouse erstmals aus der Fabrik rollte, tauften ihn Prinz Charles und Prinzessin Diana persönlich – ein Zeichen dafür, dass Europa es mit Airbus ernst meinte.
Die wahre Innovation des A320 lag in der Entwicklung der Fly-by-Wire-Technologie, die bis dahin nur in Kampfjets und dem Überschallflugzeug Concorde zu finden war. Es ersetzt mechanische Flugsteuerungen durch computergesteuerte Systeme, die die Eingaben der Piloten verarbeiten. Weil es weniger Ausfallpunkte aufweist, gilt das System als sicherer.
Außerdem ist das Flugzeug für die Betreiber billiger, weil die Computer einfacher zu reparieren sind. Und nicht zuletzt bedeuten weniger Teile und leichtere Drähte auch eine bessere Treibstoffeffizienz. Die A320 wurde nach der Boeing 737 das weltweit am zweitmeisten verkaufte Verkehrsflugzeug.
3. Staatliche Subventionen entzünden einen Handelsstreit
Als Airbus begann, eine Bedrohung für Boeing darzustellen, geriet es stärker ins Visier der Kritik. 1993 provozierte der damalige US-Präsident Bill Clinton internationale Spannungen, als er die Boeing-Fabrik besuchte, nachdem das Unternehmen Entlassungen angekündigt hatte. Wie anschließend die "Washington Post" berichtete, machte der Präsident Airbus für die Probleme des amerikanischen Unternehmens verantwortlich. Er kritisierte die Milliarden an Subventionen, die Airbus von den europäischen Regierungen erhielt.
Airbus und die Regierungen wiesen diese Behauptungen zurück. Daraufhin brach ein handfester Handelsstreit aus, in dem beide Seiten Strafzölle gegeneinander erhoben. Nachdem die USA 2004 Gespräche mit dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland und Spanien geführt hatten, legten sie eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation ein. Die Europäische Union reichte eine Gegenklage ein, in der sie die USA beschuldigte, Boeing unfaire Subventionen zu gewähren, vermeldete "Reuters".
Es dauerte ganze 17 Jahre, bis der Streit beigelegt wurde. Die Welthandelsorganisation stellte fest, dass sowohl Airbus als auch Boeing unrechtmäßig staatliche Subventionen in Milliardenhöhe erhalten hatten. Darum befand sie die verhängten Zölle als rechtmäßig. Im Jahr 2021 legten die Europäische Union und die USA den endgültig Streit bei.
4. Der A320 Neo: ein Gamechanger
Airbus führte die nächste Generation seines beliebten Kurzstreckenjets A320 ein. Es dauerte nicht lange, bis er sich durchsetzte. Der Neo – "New Engine Option" – erfreute sich einer großen Beliebtheit, weil er leiser, treibstoffeffizienter und somit kostengünstiger für Fluggesellschaften war.
Nach Angaben von Airbus konnten die Treibstoffkosten im Vergleich zu den Vorgängermodellen um ein Fünftel gesenkt werden. Das liegt unter anderem an den großen, nach oben zeigenden Flügelspitzen, die mehr als zwei Meter messen. Der A320 Neo erzielte 2011 auf der Paris Air Show mit 667 Aufträgen im Wert von 60 Milliarden US-Dollar (54 Milliarden Euro) einen Rekord.
5. Flugverbote für die Konkurrenz-Maschine Boeing 737 Max
Die sparsameren Triebwerke, die Boeing benötigte, um mit dem Neo zu konkurrieren, stellten ein Designproblem für den Boeing-Klassiker dar, der bereits seit den 1960er Jahren im Einsatz war. Da sie größer waren, passten sie nicht unter die Tragflächen des Flugzeugs. Boeing entschied sich, die Triebwerke stattdessen weiter nach vorne zu verlegen. Doch das wirkte sich auf die Aerodynamik der 737 aus, indem es sie in einigen Szenarien wahrscheinlicher nach oben kippen ließ.
Als Abhilfe entwickelte der Konzern eine Software namens MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System), die die Nase automatisch absenkte, wenn der Anstellwinkel zu steil war. Aber das System bezog seine Daten von nur einem von zwei Sensoren. Auf tragische Weise versagten diese während eines Lion Air- und eines Ethiopian Airlines-Fluges und führten Abstürze herbei.
Es dauerte nicht lange, bis Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt die 737 Max stilllegten. Boeings neuester Jet blieb 20 Monate lang am Boden – die längste Zeit überhaupt für ein amerikanisches Verkehrsflugzeug.
Im Jahr 2019 übertraf Airbus erstmals Boeing hinsichtlich der Flugzeugbestellungen. Da lag bereits acht Jahre zurück, dass der A320 Neo die Paris Air Show im Sturm erobert hatte. Seitdem hat das europäische Unternehmen seine Krone verteidigt und im vergangenen Jahr sogar neue Rekorde aufgestellt.
Eine Panne bei Alaska Airlines, bei der sich im Januar während des Fluges ein Teil der Tür vom Rumpf löste, hat das Misstrauen gegenüber der 737 Max überdies weiter verschärft. Dem vorläufigen Bericht der Ermittler zufolge fehlten bei der Auslieferung des Flugzeugs aus dem Boeing-Werk wichtige Schrauben, die den Türverschluss sichern sollten.
Als die Qualitätskontrollprozesse des Flugzeugherstellers daraufhin unter die Lupe genommen wurden, schränkte Boeing die Produktion seines Flaggschiffs unter den Schmalrumpfflugzeugen ein und ernannte einen neuen CEO. Am 4. September war eine Boeing-Aktie weniger als die Hälfte wert als zu ihrem Höchststand im Jahr 2019.
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