Dividenden: Was bei den DAX-Unternehmen zu erwarten ist
DAX-Konzerne verdienen wieder prächtig – und beteiligen ihre Aktionäre am Gewinn. Der exklusive Dividendenreport 2011 mit großer Übersicht von Euro am Sonntag.
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von Sven Parplies, Euro am Sonntag
Manchmal gehört auch Mut dazu. Es sei ein „unheimliches Gefühl“ gewesen, erinnert sich BASF-Finanzchef Kurt Bock an das vergangene Frühjahr. Im Schatten der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit schüttete der Chemiekonzern damals fast zwei Milliarden Euro Dividende an seine Aktionäre aus. Andere Unternehmen behielten das Geld lieber in der Kasse. Unter dem Strich blieben die Dividendenzahlungen fast 30 Prozent unter dem Rekord des Boomjahres 2007.
Inzwischen haben Deutschlands Topkonzerne die Wirtschaftskrise hinter sich gelassen. Im kommenden Frühjahr werden die Finanzchefs deshalb ohne mulmige Gefühle die Kassen öffnen: Nach Hochrechnung dieser Zeitung dürften die 30 Mitglieder des DAX mit den im Index vertretenen Aktiengattungen für das laufende Geschäftsjahr fast 25 Milliarden Euro an Dividende ausschütten. Damit würden Deutschlands Topkonzerne bis auf etwa zwei Milliarden Euro an das Rekordniveau aus dem Jahr 2007 herankommen.
Die Prognose von €uro am Sonntag liegt knapp zwei Milliarden Euro über der aktuellen Konsensschätzung, die sich aus den Schätzungen der führenden Banken und Investmenthäuser errechnet. Die Konsensschätzung gilt für viele Investoren als Richtwert, wird in der Praxis aber oft durch Ausreißer verzerrt. Zudem wird bei einigen DAX-Unternehmen selbst kurz vor Jahresende die Gewinndynamik und damit der Spielraum für die Ausschüttung noch immer unterschätzt.
Die größten Steigerungen zum Vorjahr stehen erwartungsgemäß bei den zyklischen, also stark von der allgemeinen Konjunkturentwicklung abhängigen Branchen an. Diese Unternehmen haben während der Finanzkrise ihre Ausschüttung drastisch gekürzt, in einigen Fällen sogar komplett gestrichen und verfügen jetzt wieder über Spielraum.
Im Überblick: Dividende im DAX - Die wichtigsten Fakten (PDF)
Das spektakulärste Comeback dürfte Daimler liefern: Die Schwaben waren im Krisenjahr 2009 tief in die roten Zahlen gerutscht und hatten deshalb komplett auf eine Zahlung an die Aktionäre verzichtet. Die dramatische Trendwende der Autobranche hat das Bild komplett verändert: Netto dürfte Daimler in diesem Jahr 4,6 Milliarden Euro verdienen – genug Geld also, um die Aktionäre für ihr Durchhaltevermögen zu belohnen. Das Unternehmen bekräftigt sein generelles Ziel, 40 Prozent des Nettogewinns auszuschütten – auf Basis der gegenwärtig knapp 1,1 Milliarden Aktien entspräche das etwa 1,75 Euro für jedes Papier.
Ähnlich ist die Lage bei BMW: Die Münchner dürften ihren Jahresgewinn auf fast drei Milliarden Euro verbessern. Bei einer Ausschüttungsquote von 30 bis 40 Prozent sind 1,50 Euro je Aktie realistisch. Das wäre dann fünfmal so viel wie im vergangenen Jahr.
Die Dividende könnte gerade bei den großen Autoaktien auch deshalb wertvoll sein, weil Analysten bei diesen Werten mit ihren Prognosen besonders weit auseinander liegen: Bei Daimler schwanken die Voraussagen der Profis zwischen einem und zwei Euro, bei BMW zwischen 50 Cent und 1,65 Euro.
Auch bei der Deutschen Lufthansa dürfte es stärker aufwärtsgehen, als viele Experten derzeit vermuten: Nachdem Analysten noch zur Jahresmitte Zweifel hatten, ob die Airline es überhaupt in die Gewinnzone schafft, gelten schwarze Zahlen und eine Dividende inzwischen als gesichert. Finanzchef Stephan Gemkow bekräftigte vor Analysten die Unternehmenspolitik, 30 bis 40 Prozent des operativen Gewinns auszuzahlen. Selbst am unteren Rand des Korridors wären 50 Cent je Aktie realistisch – die Konsenserwartung liegt derzeit gerade mal bei 36 Cent.
Keine große Bewegung, dafür aber eine Dividendenrendite auf hohem Niveau versprechen DAX-Mitglieder aus defensiven Branchen. Sie hatten die Ausschüttung auch im Krisenjahr 2009 aufrechterhalten und haben deshalb jetzt weniger Spielraum nach oben als die Zykliker.
Als sichere Bank hat sich in der Vergangenheit unter anderem die Munich Re erwiesen, die laut eigenen Angaben ihre Ausschüttung seit dem Jahr 1969 nicht mehr gekürzt hat. Entsprechend solle der Vorjahreswert von 5,75 Euro je Aktie „nach Möglichkeit“ nicht unterschritten werden, heißt es aus der Konzernzentrale.
Die Sorgen um das Wachstum der Versorger sind durch den Kampf um Brennelementesteuer und Laufzeiten von Atomkraftwerken neu entfacht worden. Die Deutsche Telekom wiederum, in den vergangenen Jahren stets der größte Dividendenzahler im Index, hat im harten Wettbewerb der Branchen wenig Aussichten auf signifikante Gewinnsteigerungen.
Als Ausgleich locken die Vorstände Anleger deshalb mit der Aussicht auf hohe und langfristig stabile Dividenden: Eon gibt als Ziel für das laufende Geschäftsjahr erneut 1,50 Euro je Aktie aus. Für die beiden Folgejahre werden Anlegern „mindestens“ 1,30 Euro in Aussicht gestellt. Selbst dieser Betrag entspräche auf Basis des aktuellen Aktienkurses noch einer stattlichen Dividendenrendite von knapp sechs Prozent.
Auch die Deutsche Telekom, die zuletzt 78 Cent je Aktie zahlte, wirbt seit dem Frühjahr mit einem langfristigen Versprechen: Bis einschließlich 2012 könnten „mindestens“ 70 Cent je Aktie ausbezahlt werden. Zusätzlich soll Geld in Aktienrückkäufe investiert werden, sodass wie in den Vorjahren insgesamt 3,4 Milliarden Euro zurückfließen.
Nebenwerte: Zehn Dividendenrenner mit hoher Rendite (PDF)
Nachdem im vergangenen Jahr vier der heutigen Indexmitglieder eine Nullrunde verordnet hatten, dürften für das laufende Geschäftsjahr lediglich die Aktionäre der Commerzbank leer ausgehen. Das Unternehmen muss vor einer Dividende aber Staatshilfen zurückzahlen, die die Bank während der Finanzkrise vor dem Kollaps bewahrt hatten.
Ein seltenes Glücksgefühl erwartet Aktionäre bei Infineon. Der Vorstand hat bereits angekündigt, für das im September beendete Geschäftsjahr zehn Cent je Aktie ausschütten zu wollen – stimmt die Hauptversammlung zu, wäre es die erste Zahlung des Unternehmens seit der Jahrtausendwende.
Auch Siemens hat bereits Fakten geschaffen: Die Münchner haben ihre Dividende überraschend deutlich von 1,60 auf 2,70 Euro je Aktie angehoben. Zugleich legte sich Siemens erstmals auf konkrete Richtlinien für die künftige Dividendenpolitik fest. 30 bis 50 Prozent des Konzernsgewinns sollen künftig an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Damit haben jetzt 23 der 30 DAX-Konzerne klare Richtlinien, an denen sich Aktionäre bei der Kalkulation von künftigen Dividendeneinnahmen orientieren können.
Hohe Ausschüttungen gelten generell als wichtiges Kaufkriterium für Anleger. Im laufenden Jahr allerdings gehören die Dividendenschwergewichte zu den schwächsten Werten des DAX: Die Aktien von Eon und RWE haben seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent an Wert verloren, die Telekom liegt ebenfalls im Minus.
Denn im Gegensatz etwa zu den Autobauern profitieren diese Unternehmen nicht vom derzeit dominierenden Börsentrend, dem Aufschwung der Schwellenländer. Viele Aktienstrategen sehen bei den Zyklikern vorerst weiter die besseren Kurschancen. „Das Wirtschaftswachstum in industrialisierten Ländern dürfte kraftlos bleiben, in den Schwellenländern Asiens zwar etwas an Dynamik verlieren, aber auf hohem Niveau bleiben“, kalkuliert Gunnar Hamann von der Commerzbank mit Blick auf das kommende Jahr. Thomas Schüßler, Dividendenexperte der Fondsgesellschaft DWS, hat eine andere Perspektive: „Kurzfristig kann es Sinn machen, auf steigende Gewinne und damit auch steigende Dividenden bei zyklischen Titeln zu setzen. Die Erfahrung zeigt aber, dass langfristig Unternehmen mit einer hohen Dividende die beste Rendite bringen.“
Investor-Info
Historie
Was im DAX zu holen ist
Nach dem Krisenjahr 2002 haben die DAX-Konzerne ihre Dividende fünf Jahre in Folge angehoben. Die Gesamtsumme für alle Aktiengattungen hatte sich in der Spitze fast verdreifacht. Im Schatten der Finanzkrise sind die Ausschüttungen an die Aktionäre deutlich gesunken. 2008 und 2009 ging die Gesamtdividende jeweils zweistellig zurück. Der Negativtrend dürfte dank der deutlichen Konjunkturerholung im laufenden Jahr gestoppt, das alte Hoch aber noch nicht wieder erreicht werden.
Rendite
Historisch günstig
Die Dividendenrendite, also die absolute Höhe der Dividende im Verhältnis zum Aktienkurs, ist vor allem für langfristig orientierte Anleger ein wichtiges Kriterium bei der Aktienauswahl. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise Anfang 2009 kam der DAX auf einen außergewöhnlich hohen Durchschnittswert von mehr als fünf Prozent. Mit steigenden Aktienkursen hat sich die Dividendenrendite seitdem normalisiert. Mit knapp drei Prozent liegt der Wert im historischen Vergleich aber noch immer auf einem attraktiven Niveau.
Branchen
Defensiv bringt am meisten
Unternehmen aus defensiven Branchen bieten Anlegern traditionell die höchsten Dividendenrenditen. Im HDAX sind es vor allem Aktien aus dem Telekomsektor, Versorger und Versicherer. Die Unternehmen erwirtschaften – weitgehend unabhängig von der allgemeinen Konjunkturlage – hohe Gewinne, bieten zugleich aber nur wenig Wachstumsfantasie. Banken gehörten lange Zeit ebenfalls zu den Dividendenriesen, müssen als Folge der Finanzkrise aber ihre Eigenkapitalbasis stärken und sparen deshalb bei der Dividende.
BASF
Dividende trifft Wachstum
Der weltgrößte Chemiekonzern bietet mit knapp über drei Prozent eine attraktive Dividendenrendite. Zugleich profitiert BASF überproportional von der allgemeinen Konjunkturbelebung, auch in der Region Asien/Pazifik, die im dritten Quartal knapp 20 Prozent zum Gesamtumsatz beisteuerte. Fundamental ist die Aktie trotz des deutlichen Kursanstiegs noch nicht überteuert – im Boomjahr 2007 hatte die Börse dem Konzern in der Spitze ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 14 zugestanden.
Lufthansa
Noch immer unterschätzt
Deutschlands größte Fluggesellschaft war bei der Kursrally des DAX lang nur Zuschauer. Erst seit September geht es auch mit dem Kranich steil aufwärts. Die Airlinebranche eignet sich aufgrund der starken Abhängigkeit von Wirtschaftszyklen nur für kurzzeitige Investments, die aktuelle Aufwärtsdynamik der Aktie aber dürfte noch immer von vielen Investoren unterschätzt werden. Nicht nur bei der Dividende, auch bei der Kursentwicklung sind weiter positive Überraschungen möglich.
Innotec TSS
Bauwert mit Substanz
Bei Innotec TSS brummt das Geschäft. Wegen energetischer Sanierungen schaffte der Bauzulieferer in den ersten neun Monaten ein Umsatzplus von 16,7 Prozent auf 54,3 Millionen Euro. „Der Auftragseingang ist noch sehr gut“, sagt Firmenchef Gerson Link. 2010 könnte der Umsatz damit auf etwa 71 Millionen Euro klettern. Da wären mehr als 0,60 Euro Gewinn je Aktie drin (KGV 7,3). Eine Dividendenanhebung auf 0,30 Euro ist möglich.
Fonds & Zertifikate
Masse macht Klasse
Die Kursschwäche bei der Deutschen Telekom und den deutschen Versorgeraktien ist ein Sonderfall. Die meisten internationalen Aktien mit einer hohen Dividendenrendite sind auch in der aktuellen Börsenphase attraktiv. Mit Fonds können Anleger das Risiko streuen: Der DWS Top Dividende (ISIN: DE0009848119) investiert weltweit in Aktien und hat seit Auflegung neben Kursgewinnen durchschnittlich über vier Prozent Dividendenrendite erzielt. Ebenfalls sehr erfolgreich ist der M & G Global Dividend (GB00B39R2S49), der die USA derzeit höher gewichtet hat als der DWS-Fonds und die Dividende anders als der DWS-Fonds nicht ausschüttet. Alternativ zu Fonds bieten sich Zertifikate an. Das iShares Global Select Dividend (DE000A0F5UH1) etwa investiert in 100 Dividendentitel aus den USA, Europa und Asien.
Zweistellige Renditen mit Nebenwerten
Stabile Dividendenzahlung – ein Zeichen von Kontinuität und Zuversicht –, das sagte Telegate-Chef Andreas Albath auf der Hauptversammlung des Unternehmens bei seiner Präsentation im vergangenen Juni. Tatsächlich verwöhnt der Spezialist für Telefonauskunft seine Anleger seit Jahren mit relativ konstanten Zahlungen. 2005 und 2006 gab es jeweils 0,65 Euro Dividende je Aktie, 2007 bis 2009 waren es jedes Jahr 0,70 Euro. Da die Münchner per Ende September 57,9 Millionen Euro in der Kasse hatten, ist auch für 2010 mit einer Ausschüttung auf Vorjahresniveau zu rechnen. Mit einer Dividendenrendite von 10,6 Prozent sind Telegate-Aktionäre damit derzeit so ziemlich die bestbezahlten in Deutschland. Insofern dürfte die Aktie ihre Talfahrt aufgrund eines länger als erwartet ausfallenden Umbaus des Geschäftsmodells so langsam beenden.
Telegate ist nur ein Beispiel: Viele kleinere Firmen zahlen höhere Gewinnausschüttungen als die großen DAX-Konzerne, und das schon seit Jahren konstant. Zwischen fünf und sechs Prozent Dividende gibt es bei den Vorzugsaktien von WMF und Westag & Getalit seit vielen Jahren. Bei der Aktie von Beteiligungen im Baltikum erhielten die Aktionäre seit dem Börsengang 2004 bei Dividendenrenditen von nicht selten über sieben Prozent insgesamt 1,70 Euro ausgezahlt. Damit haben Anleger, die von Anfang an an Bord sind, bereits rund 75 Prozent ihres ursprünglichen Einsatzes via Dividende wieder zurück. Da bei hohen Auszahlungen das eingesetzte Kapital Jahr für Jahr sinkt, bieten dicke Überweisungen so auch einen schönen Risikominderungseffekt.
Für risikoaverse Anleger sind hier auch Firmen interessant, bei denen es infolge eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit einem Großaktionär jährlich garantierte Zahlungen gibt. Bei TDS (ISIN: DE0005085609), Kässbohrer (DE0006262009) und Euwax (DE0005660104) sind derzeit jeweils rund sechs Prozent jährliche Rendite drin. Zuverlässige Zahler mit Dividenden von deutlich über fünf Prozent sind auch Bijou Brigitte, Allgeier und Euromicron. Letztere verfügt sogar über eine für Dividendenanleger besonders wichtige Eigenschaft: Wegen guter operativer Geschäfte klettert die Ausschüttung fast regelmäßig von Jahr zu Jahr. So gab es bei Euromicron in den vergangenen fünf Jahren viermal eine Erhöhung der Zahlung, seit 2004 hat sich die Dividende verdoppelt. Für 2010 ist erneut mit einer Anhebung zu rechnen.
Bei Börsianern beliebt ist auch die Wiederaufnahme der Zahlung. Bei Jost steht nach Dividendenausfall 2008 und kleiner Ausschüttung für 2009 nun ein kräftiger Sprung bevor. 0,80 Euro je Aktie – Rendite 7,4 Prozent – kündigt der Vorstand für die Hauptversammlung Ende März 2011 an. Überraschungskandidaten für die kommende Dividendensaison mit Zahlungen von fünf Prozent und mehr sind auch SMT Scharf, Varengold (DE0005479307), Bob Mobile (DE000A0HHJR3) und Innotec TSS. Bei letzterem Wert wartet auf die Aktionäre ein besonderes Schmankerl. „Bei uns dürfte die Dividende zumindest noch in den nächsten beiden Jahren steuerfrei fließen“, vermutet Innotec-TSS-Vorstand Gerson Link. Da könnten sieben Prozent netto drin sein und damit sogar so viel wie bei Telegate nach Steuern.
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