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Chancen in der Stadt: Wie Anleger vom Megatrend profitieren

aktualisiert 03.03.13 18:18 Uhr

Weltweit leben immer mehr Menschen in ­Städten. Das bereitet gewaltige Probleme, birgt aber auch Chancen. Denn in den Ausbau von Infrastruktur und Verkehr werden ­Milliarden investiert.

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von C. Platt und E. Eder, Euro am Sonntag

Die Messskala für Luftqualität der US-Botschaft in ­Peking endet bei 500 Mi­k­rogramm Feinstaub pro ­Kubikmeter Luft. Im vergangenen ­Monat reichte das nicht aus. 700 Mikrogramm pro Kubikmeter wurden in Chinas Hauptstadt am letzten Januar-Wochenende gemessen.

Der Smog in der 16-Millionen-­Met­ro­pole hatte ein Ausmaß erreicht, das jenseits aller Vorstellungskraft lag. Ein Wert von mehr als 25 Mikrogramm gilt laut Weltgesundheitsorganisation als gefährlich. Die Krankenhäuser füllten sich mit Menschen, die über Atemwegsprobleme klagten. Der Autoverkehr wurde daraufhin eingeschränkt, Fabriken wurden vorübergehend geschlossen.

Es sind Bilder wie die vom smoggeplagten Peking, die die Probleme von Megacitys — Städten mit mehr als zehn Millionen Einwohnern — trefflich veranschaulichen. Die Agglomerationen, deren Wachstum das von anderen Regionen in den Schatten stellt, kämpfen täglich damit, das riesige Ausmaß an Verkehr, Strombedarf, Wasserverbrauch und Müllproduktion zu bewältigen.

Ausbau der Infrastruktur
Dementsprechend wichtig ist eine solide Infrastruktur, um der täglichen Belastung Herr zu werden. Und der Bedarf ist hoch: Mehr als 30 Billionen Euro müssen laut der Orga­nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bis 2030 in die Infrastruktur der globalen Megacitys investiert werden  — sei es in Peking, Delhi oder São Paulo. Ein gewaltiger Markt.

Die Urbanisierung ist ein globaler demografischer Trend, einer der stärksten und nachhaltigsten überhaupt. Die Tatsache, dass die Weltbevölkerung insgesamt wächst — im Oktober 2011 wurde die Sieben-Milliarden-Marke überschritten —, ist ­allgemein bekannt. Doch eigentlich ist es nur die Stadtbevölkerung, die ­signifikant zunimmt.

Das Jahr 2007 markiert einen denkwürdigen Moment im Verhältnis von Stadt- und Landbevölkerung: In jenem Jahr standen sich erstmals zwei Gruppen gleichberechtigt gegenüber — jeweils die Hälfte der Menschheit wohnte auf dem Land und in der Stadt. Heute, gute fünf Jahre später, hat sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Stadtbewohner verschoben: 52 Prozent der Menschen leben in urbanen Siedlungen.

Auch die Landbevölkerung nimmt noch zu, aber nur mäßig. Doch in sieben bis zehn Jahren ist der Höhepunkt erreicht, anschließend geht es bergab: Nach Prognosen der Vereinten Nationen wird 2050 nur noch knapp ein Drittel aller Menschen auf dem Land leben. In Städten leben dann mehr als doppelt so viele: 67,2 Prozent der Weltbevölkerung.

In den Industrieländern verläuft die Urbanisierung längst nicht mehr mit der gleichen Intensität wie im 19. und 20. Jahrhundert. Wer heute davon spricht, meint die Schwellen- und Entwicklungsländer, die mit ihrer enormen Verstädterung alles Dagewesene in den Schatten stellen.

Der Vergleich der fünf größten Citys der Erde macht deutlich, wie sich die Dominanz verschoben hat. 1950 gehörten mit New York, Tokio, London, Paris und Moskau ausschließlich Städte in der ersten und zweiten Welt zu den fünf größten Ballungszentren der Welt. Heute dominieren die Emerging Markets diese Rangliste (Tokio, Delhi, Mexiko-Stadt, New York, Shanghai). Bis 2025 wird schließlich noch New York in den Top 5 durch Mumbai ersetzt — die Verschiebung in Richtung Emerging Markets setzt sich fort.

Vorreiter in Sachen Urbanisierung ist China. Fünf der rund 25 Mega­citys weltweit liegen im Reich der Mitte. Extremstes Beispiel ist Shen­zhen. Der heutige Moloch mit elf Millionen Menschen war vor gut 30 Jahren eine Kleinstadt mit 58.000 Einwohnern. Keine andere Stadt wuchs in schnellerem Tempo.

Wachstum schafft Probleme
Es ist dieses gewaltige, teils un­kon­trollierte Wachstum, das die Zig-Millionen-Städte vor große Probleme stellt. Jeden Tag aufs Neue erleben Riesenstädte einen Verkehrs­infarkt, der auf zunehmendem Individualverkehr genauso beruht wie auf unablässigem Lieferverkehr. Die Umweltverschmutzung nimmt beängstigende Ausmaße an. Sei es, weil Kanalisation fehlt, sei es, weil unglaubliche Mengen Müll anfallen. Auch die Kriminalitätsraten steigen. Das rasante Wachstum der Städte führt zu teils katastrophalen Lebensbedingungen. Das trifft insbesondere auf die Riesenstädte in Afrika und Lateinamerika und einige Staaten Asiens zu, die mit ausgedehnten Slumgebieten zu kämpfen haben.

Die Urbanisierung zu verteufeln wäre aber der falsche Ansatz. In der Mehrheit sind die Folgen für die Regionen positiv. „Ohne Urbanisierung wäre ein solcher wirtschaftlicher Aufschwung, wie wir ihn gerade in den Schwellenländern erleben, nicht möglich“, sagt Gerhard Heilig, ehemaliger Chef der Population Estimates and Projections Section der UN Population Division in New York. Die Agglomerationen profitieren von der großen Ansammlung an Unternehmen und Arbeitskräften.

Beschäftigte erhalten in den Städten im Durchschnitt ein deutlich höheres Gehalt als auf dem Land, was zu einem wachsenden Lebensstandard führt. Das kurbelt den Konsum an, sorgt für höhere Bildung und steigert die Aufwendungen für die Gesundheitsfürsorge.

Chancen für Anleger
In jedem Fall bietet die Verstädterung in den Schwellenländern neue Möglichkeiten. Für die Städte und Länder selbst, aber auch für Investoren, die an dem rasanten Wachstum teilhaben wollen. „Gerade die kritischen Punkte der Urbanisierung bieten Potenzial und eröffnen gute Anlagegelegenheiten“, sagt Heilig.

An erster Stelle steht hier die Beteiligung an Infrastruktur-Unter­nehmen. „Sie sind die naheliegendsten Profiteure des Urbanisierungstrends“, sagt Tilmann Galler, Emerging-Markets-Experte von JP Morgan Asset Management. Megacitys sind auf funktionierende Infrastrukturen wie Verkehrssysteme und Energieversorgung angewiesen. Jährlich geben die Städte weltweit rund 1,7 Billionen Euro für entsprechende Maßnahmen aus — Potenzial genug für Unternehmen, die in diesem Segment tätig sind. Vom Ausbau der Infrastruktur profitiert eine Vielzahl von Konzernen. „Grundsätzlich treibt die Urbanisierung die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich Infrastruktur an“, sagt Galler. Diese beginnt bei den Lieferanten der erforderlichen Rohstoffe, etwa Zementherstellern. Sie setzt sich fort bei Firmen, die sich mit der Errichtung von Gebäuden, Straßen, Stromnetzen oder Wasserleitungen beschäftigen. Und sie endet bei den Betreibern der Anlagen, zu denen Versorger genauso zählen wie Mautstraßenbetreiber.

Dennoch lassen sich nicht alle ­Gesellschaften und Untersektoren über einen Kamm scheren. „Der Infrastrukturtrend ist keinesfalls ein warmer Regen, der über alle Firmen dieser Welt niedergeht“, warnt der JP-Morgan-Experte. Ein sorgfältiger Blick auf die Konzerne und die Länder, in denen sie tätig sind, sei erforderlich, um zu ermitteln, welche Beteiligungen sich lohnen.

Wandel des Lebensstils
„Ein Blick auf das große Ganze zeigt aber noch mehr Gewinner des Ur­banisierungstrends“, sagt Vincent Lagger, Schwellenländerprofi bei Swiss & Global Asset Management. Damit spricht der Fondsmanager des JB Chindonesia den Wandel des Lebensstils an, den die Verstädterung mit sich bringt.

Zu den urbanen Verhaltensmustern zählen die Nutzung von Kinos, Theatern und Hotels oder veränderte Essgewohnheiten. Letztere beruhen darauf, dass die Städter mehr Geld zur Verfügung haben und demzufolge andere Nahrung zu sich ­nehmen und öfter auswärts speisen gehen. „Auch Firmen, die Dinge zur Verschönerung der Wohnung herstellen, Autoproduzenten und nicht zuletzt Banken zählen zu den Profiteuren“, sagt Lagger.
Viele Gesellschaften aus den Industrieländern haben Verstädterung längst als Megachance erkannt und ihre Geschäftstätigkeit darauf ausgerichtet. Siemens beispielsweise engagiert sich schon seit ­Längerem in den riesigen Ballungs­zentren.

Kein Wunder, beziffert doch der Vorstand das jährliche Marktvolumen, an dem Siemens partizipieren könnte, auf 300 Milliarden Euro. Dass die Münchner diesen Bereich ernst nehmen, zeigt sich daran, dass im Oktober 2011 zu den drei bis­herigen Geschäftsfeldern Energie, Gesundheit und Industrie eine neue Sparte „Infrastruktur & Städte“ hinzugefügt wurde.
Doch nicht alle Firmen und Branchen jubeln über die zunehmende Verstädterung. Urbanisierung kann sich auf einige Branchen auch negativ auswirken. Da sie in den Schwellen- und Entwicklungsländern vor allem die Inlandsnachfrage ankurbelt, haben ausfuhrorientierte Unternehmen zunächst nichts davon. Firmen, die im Niedriglohnsektor tätig sind, leiden sogar darunter.

Urbanisierung führt regelmäßig zu höheren Löhnen, wodurch die Konkurrenzfähigkeit von Low-End-Exporteuren stark sinkt. Auch Schwerindustrie — in kleineren Orten oft noch geduldet — muss immer öfter vor der Ausdehnung der Städte weichen. „In China stellt die Regierung immer höhere Anforderungen an den Umweltschutz, was der Schwerindustrie Probleme bereitet“, sagt Jian Shi Cortesi, Co-Managerin des JB Chindonesia.

Die Kaltfront als Retter
Doch diese Bemühungen reichen in Chinas Millionenstädten längst nicht aus, um das Problem der dicken Luft in den Griff zu bekommen. Im Fall des jüngsten Smogalarms in Peking half schließlich eine ge­änderte Wetterlage: Eine arktische Kaltfront brachte am 1.  Februar genügend Wind mit sich, um die giftige Luft zu vertreiben. Das Problem ist damit kurzfristig gelöst. Langfristig wird Peking — wie die anderen Megacitys auch — weiter in den umweltschonenden Ausbau des Verkehrsnetzes und der Energieversorgung investieren müssen.

Investor-Info

JPM EM Infrastructure Fund
Adern der Städte

Auf Infrastrukturunternehmen, die in Schwellen­ländern beheimatet sind, konzentriert sich der JP Morgan Emerging Markets Infrastructure Fund. 35 Prozent des Vermögens werden in Industriebetriebe investiert, die sich unmittelbar mit dem Aufbau der Infrastruktur befassen. Aktien aus Brasilien machen mit einem Anteil von 24 Prozent das Gros des Portfolios aus. Nach starker Performance bis Ende 2010 tendiert er seitdem seitwärts.

Stahlbasketzertifikat
Gewinner des Baubooms

Menschen, die in die Stadt ziehen, brauchen Wohnungen. Das führt zu erhöhter Bautätigkeit und großem Stahlbedarf. Daran verdienen Stahlhersteller und Erzproduzenten. Der Stahlbasket der Raiffeisen Centrobank umfasst zehn der global wichtigsten Branchenvertreter. Dazu zählen ThyssenKrupp, Arcelor Mittal, China Steel, Posco aus Korea oder der Erzförderer Vale aus Brasilien. Die Dividenden werden nicht ausgeschüttet. Nur zur Beimischung.

China-Urbanisation-Zertifikat
Auf Chinas Landflucht setzen

Die Profiteure der Verstädterung im Reich der Mitte erwerben Anleger mit dem China-Urbanisation-Zertifikat von Vontobel. Es enthält die 20 größten und liquidesten chinesischen Firmen aus den Sektoren Auto, Bau, Infrastruktur/Transport, Immobilien und Energieversorgung. Alle Unternehmen sind in Hongkong gelistet. Die Zusammensetzung wird jährlich überprüft. Die Dividenden werden reinvestiert. Sehr gute Entwicklung, Basisinvestment.

World Water ETF
Lebenselixier der Stadt

Die Wasserver- und Abwasserentsorgung ist ein zentraler Bestandteil jeder Stadtplanung. Mit dem Indexfonds von Lyxor auf den World-Water-Index investieren Anleger in die größten privaten Wasser­unternehmen weltweit, die auch in Emerging Markets tätig sind. Sie stammen vorwiegend aus den USA, Schweiz, Großbritannien, Brasilien, Frankreich, Japan, Hongkong und Südkorea. Aussichtsreich. 

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