Sartorius-Chef: "Wir stehen nicht zum Verkauf!"
Joachim Kreuzburg, Chef des Medizintechnik-Konzerns Sartorius, zu Wachstums- und Übernahmeplänen, den Produktionsstandort Deutschland sowie Querschüssen aus den USA.
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von Oliver Ristau, €uro am Sonntag
Ein Teich mit Schwertlilien am Eingang zur Managementzentrale, genannt Campus, Gärten in Richtung Produktion. Der neue Standort des Medizintechnikspezialisten Sartorius am Rand von Göttingen würde wohl auch asiatischen Landschaftsarchitekten gefallen - zumindest wenn die Bauarbeiten abgeschlossen und die letzten Mitarbeiter vom innerstädtischen Traditionsstandort umgezogen sein werden.
Doch eine Garantie auf die Ewigkeit hat auch das neue Ensemble nicht, wie Vorstandsvorsitzender Joachim Kreuzburg im Gespräch mit €uro am Sonntag in seinem Büro im lichtdurchfluteten Campus durchblicken lässt. Entscheidend für den nach Innovationen suchenden Medizintechnikkonzern sei, hierzulande auch künftig genügend schlaue Köpfe zu finden.
€uro am Sonntag: Sie stehen seit 2003 an der Spitze von Sartorius und sind erst Anfang 50. Wird es Zeit für eine neue berufliche Herausforderung?
Joachim Kreuzburg: Nein, dafür gibt es keinen Grund. Sartorius ist ein stark wachsendes Unternehmen in einer sehr dynamischen Branche, da gibt es weiterhin viel zu gestalten. Mein Vertrag läuft bis 2020, dann sehen wir weiter.
Das Wachstum der Pharmabranche, Ihres wichtigsten Kunden, war in den letzten Jahren enorm. Wird das so weitergehen?
Es gibt viele Treiber im Gesundheitsmarkt, die sichtbar und kontinuierlich sind. In den sich entwickelnden Ländern haben sich große Mittelschichten herausgebildet, die sich zunehmend eine Medikamentenversorgung auf westlichem Niveau wünschen und leisten können. Dazu kommt eine alternde Bevölkerung in den Industrieländern, und bekanntermaßen steigt der Medikamentenbedarf mit dem Alter deutlich an. Zudem sind eine Reihe von Krankheiten noch gar nicht oder nur unzureichend therapierbar. Insofern gibt es viel Potenzial für weiteres Wachstum. Wir sind weit entfernt von einem gesättigten Markt.
Inwiefern sehen Sie sich davon profitieren?
Wir beliefern mit unserem Geschäftsfeld Bioprocess Solutions die biopharmazeutische Industrie mit Einwegprodukten und Geräten, die es ihr ermöglicht, Medikamente im großen Maßstab herzustellen. Das geht über die gesamte Produktionskette, der Herstellung von Zellen, der Ernte und Weiterverarbeitung bis zum fertigen Wirkstoff. Wir sind Marktführer bei Bioreaktoren, in denen solche Zellen kultiviert werden, und bei Einwegbehältern. Die biopharmazeutische Industrie wächst im Vergleich zur klassischen Pharmazie überproportional, weil ein immer größerer Anteil der Medikamente biotechnisch, das heißt zellbasiert, hergestellt wird. Das gilt zum Beispiel für alle innovativen Krebstherapien, Rheumamittel oder Impfstoffe. Unsere Produkte helfen, die Fertigung deutlich effizienter zu machen, schneller und sicherer. Zudem werden wir im Rahmen der branchentypisch strikten Zulassungsregularien quasi zum festen Bestandteil des jeweiligen Produktionsprozesses.
Das heißt, das zweistellige Wachstum hält an?
Die 15 bis 20 Prozent organisches Wachstum der letzten beiden Jahre waren überdurchschnittlich hoch, solche Raten sollte man nicht jedes Jahr erwarten. Grundsätzlich rechnen wir für unsere Bioprozesssparte für eine ganze Reihe von weiteren Jahren mit niedrig zweistelligem Wachstum, für 2017 prognostizieren wir einen Zuwachs von neun bis 13 Prozent.
In Ihrem klassischen Geschäftsfeld, der Labortechnik, geht es gemächlicher zu.
Hier dominieren in der Tat etablierte Technologien, wobei es ebenfalls Bereiche mit hohen zweistelligen Zuwachsraten gibt, zum Beispiel die Zellanalytik, in die wir vor Kurzem mit zwei Akquisitionen eingestiegen sind. Zellanalytik ist ein zentraler und wichtiger Schritt in der Biopharmazie, zugleich aber aufwendig und teuer. Wir bieten nun Automatisierungslösungen an, die diese Prozesse effizienter und günstiger machen.
75 Prozent Ihrer Produkte sind Einweglösungen, die nach der Benutzung entsorgt werden müssen. Bedroht das nicht Ihre Umweltbilanz und die Ihrer Kunden?
Unabhängige Studien zeigen, dass in der Pharmaproduktion die Verwendung von Einweg- anstelle von Mehrweglösungen nicht nur sicherer und kostengünstiger ist, sondern auch umweltschonender. Klassische Technologien wie Edelstahlbehälter und -rohre müssen nach jeder Produktionscharge gereinigt und sterilisiert werden. Das erfordert einen enormen Wasser- und Energiebedarf. Gerade Wasser ist in vielen Ländern eine knappe Ressource, nicht nur in Afrika, zum Beispiel auch in Kalifornien. Unsere Kunststoffbehälter, in denen die Reaktionen in den Bioreaktoren stattfinden, ersparen diese Reinigungsschritte und lassen den Verbrauch erheblich sinken. Die Kunststoffmaterialien werden im Anschluss gesammelt und zur Energieerzeugung verbrannt.
Die USA sind für Sartorius ein wichtiger Markt. Die neue Regierung will die von Ex-Präsident Obama eingeführte Gesundheitsversicherung für jedermann wieder aufheben. Fürchten Sie Einbußen?
Wir haben unsere Position in den USA in den letzten fünf Jahren sehr deutlich ausbauen können. Für uns sind die allgemeinen Wachstumstrends der Pharmaindustrie entscheidender als die Zukunft von Obamacare. Sollte dieses System abgelöst werden, dürfte es auf unser Geschäft keine gravierenden Auswirkungen haben. Letztendlich geht es in den USA wie in vielen Gesundheitssystemen um die Eindämmung der Kosten. Hierbei könnten wir sogar profitieren, weil wir helfen, die Herstellungskosten zu senken. Wir sehen uns als Teil der Lösung und nicht des Problems.
Sie lassen Ihre Produkte für den US-Markt in Puerto Rico produzieren. US-Präsident Trump möchte Importe aber besteuern. Sehen Sie Wettbewerbsnachteile kommen?
Puerto Rico ist ja ein assoziierter Staat der USA und mir ist nicht bekannt, dass er Gegenstand von solchen Überlegungen der US-Regierung ist. Wir produzieren dort bereits seit 35 Jahren, so wie viele US-Pharmafirmen auch. Neben den attraktiven steuerlichen Rahmenbedingungen gibt es sehr gut ausgebildetes Personal und eine gute Infrastruktur. Wir sehen nicht, dass sich an diesen Bedingungen etwas ändert.
Der größte Produktionsstandort mit 2.400 Mitarbeitern ist Deutschland. Wird der nicht zu teuer?
Unsere Produktion hier in Göttingen ist in vielen Teilen automatisiert. Damit geht es um Verfügbarkeit und Produktivität, weniger um Lohnkosten. Wir planen keine Verlagerung aus Lohnkostenüberlegungen.
Gibt es andere Faktoren, die die Zukunft des Standorts Deutschland bedrohen?
An sich bietet Deutschland hervorragende Rahmenbedingungen. Allerdings wird es immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, das könnte schon sehr bald zum limitierenden Faktor werden. Das betrifft nicht nur die promovierten Biotechnologen, sondern auch die Facharbeiter. Wir sehen schon bei den Auszubildenden, wie schwierig es ist, alle Plätze so gut zu besetzen, wie wir es uns wünschen.
Was ist, wenn Sie kein ausreichend qualifiziertes Personal finden? Wandert Sartorius dann ganz in die USA ab?
Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir dafür keinen Grund. Aber natürlich müssen wir uns zunehmend mit der Frage beschäftigen, an welchen Standorten wir unsere Aktivitäten ausbauen und wo wir investieren.
Die wachsenden Gesundheitsmärkte bieten Sartorius viel Rückenwind. Wie schaffen Sie es, als Unternehmen die Zügel nicht schleifen zu lassen und selbstgefällig zu werden?
Das ist eine Frage der Unternehmens- und der Managementkultur. Wir feiern unsere Erfolge und sind stolz darauf, was wir erreicht haben, aber wir klopfen uns nicht ständig auf die Schultern. Viele Dinge laufen noch nicht optimal, außerdem müssen wir immer wach sein und nach Innovationen Ausschau halten. Vieles Neue findet außerhalb von Sartorius statt. Davor haben wir Respekt und deshalb bleiben wir demütig.
Das Neue draußen können Sie ja auch mit Akquisitionen an sich binden. Wo planen Sie noch Zukäufe?
Wir haben in den letzten zwölf Monaten fünf Firmen erworben. Das ist schon relativ viel. Der Fokus liegt daher jetzt erst einmal auf der Integration. Es mag trotzdem sein, dass wir bei einer attraktiven Möglichkeit auch in diesem Jahr noch aktiv werden, aber es ist genauso wahrscheinlich, dass es dieses Jahr keine Akquisition mehr gibt.
Was muss denn ein attraktives Ziel mitbringen?
Dafür haben wir klare Kriterien. Das Zielunternehmen muss unser Angebot für die Pharmaindustrie noch stärker, noch relevanter machen, wir suchen also nach komplementären Ergänzungen. Weiterhin suchen wir Unternehmen mit einer sehr guten Marktposition oder mit einem innovativen Produkt, das noch kein Wettbewerber im Portfolio hat. Dann muss natürlich auch die Bewertung stimmen, und schließlich müssen wir die notwendige Managementkapazität für die Integration verfügbar haben.
Zuletzt haben Sie eher kleinere Firmen zugekauft. Könnten Sie sich auch eine größere Akquisition vorstellen?
Ja, wenn die Kriterien erfüllt sind.
Sie haben aber nur eine begrenzt gefüllte Kasse, und das Eigenkapital ist letztes Jahr gesunken.
Wir haben vielfältige Finanzierungsoptionen. Neben der Fremdfinanzierung können wir eigene Aktien einsetzen. Wir halten neun Prozent eigene Aktien bei Stämmen und Vorzügen. Eine weitere Option wäre eine Kapitalerhöhung unserer Biotechtochter Sartorius Stedim Biotech, an der wir 74 Prozent halten. In Summe haben wir Finanzierungspotenziale von über einer Milliarde Euro.
Eine andere Option, sich Kapital für Übernahmen zu beschaffen, ist, analog zum Biotechgeschäft auch die Labortechniksparte an die Börse zu bringen.
Das ist keine Überlegung. Eine Konzernstruktur, bei der man eine börsennotierte Mutter mit zwei börsennotierten Töchtern und sonst nur eine Holding hätte, hat keinen Sinn und wäre für den Aktionär weniger interessant als die aktuelle Struktur.
Ihre Wettbewerber sind Großkonzerne wie General Electric, Thermo Fisher oder Merck. Wären Sie offen für eine Übernahme?
Wir führen solche Gespräche nicht. Sartorius steht nicht zum Verkauf.
Wie lässt sich das ausschließen?
50,1 Prozent der Stammaktien werden über eine Testamentsvollstreckung verwaltet. Der Wille des Erblassers bestimmt, dass das Mehrheitspaket zusammengehalten wird. Insofern steht eine Übernahme nicht zur Debatte.
Müssen Sie nach den jüngsten Akquisitionen Ihre Mittelfristplanung von zwei Milliarden Euro bis 2020 bei einer operativen Marge von 26 bis 27 Prozent anpassen?
Nein. Unsere Planung sieht vor, dass ein Viertel des Umsatzzuwachses aus Akquisitionen kommt. Dafür müssten wir nur noch kleine Zukäufe tätigen. Wir werden aber in den nächsten Monaten, vielleicht Anfang 2018, neue Mittelfristziele definieren, die dann über 2020 hinausreichen.
Sie zahlen zwar Dividende, doch die Ausschüttungsquote ist mit zuletzt 23,5 Prozent überschaubar. Werden Sie die Quote erhöhen?
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo wir sehr intensiv in Wachstum investieren - sei es organisch, sei es über Akquisitionen -, halten wir eine Ausschüttungsquote in dieser Größenordnung für richtig und angemessen. Falls wir zu einem späteren Zeitpunkt in einer anderen Entwicklungsphase sein und in geringerem Maße investieren sollten, kann ich mir auch höhere Quoten vorstellen.
Kurzvita
Der Vorstandschef
Joachim Kreuzburg in Göttingen zu treffen, ist nicht einfach. Der Vorstandsvorsitzende der Sartorius AG ist beruflich viel auf Achse, neben Europa sind vor allem Nordamerika und Asien die Ziele. Der studierte Maschinenbauer und promovierte Volkswirt arbeitet seit 18 Jahren im Unternehmen. Als er damals als Innovations-Controller einstieg, hatte ihn vor allem die Schnittstelle von Technologie und Wirtschaft interessiert. Schon vier Jahre später stand er an der Spitze des Unternehmens. Viele Worte macht der agile 51-Jährige darum nicht. Lieber treibt er Sport, besucht Konzerte und liest, wenn die Zeit es erlaubt, ein gutes Buch.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Sartorius AG, Sartorius
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13.01.2012 | Sartorius buy | Commerzbank Corp. & Markets | |
01.12.2011 | Sartorius buy | WestLB AG | |
25.07.2011 | Sartorius buy | Société Générale Group S.A. (SG) | |
18.02.2008 | Sartorius kaufen | Die Actien-Börse | |
25.01.2007 | Sartorius akkumulieren | AC Research |
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