Euro am Sonntag-Interview

Jens Ehrhardt: Sehnsucht nach der D-Mark

12.03.12 03:00 Uhr

Der Euro sei das gefährlichste und unnötigste Experiment der Wirtschaftsgeschichte, warnt der Münchner Vermögensverwalter und Fondsmanager Jens Ehrhardt.

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4.251,0 PKT -69,9 PKT -1,62%

von W. Ehrensberger, €uro am Sonntag

So wie in den ersten Wochen des Jahres könne es an den Aktienmärkten nicht weitergehen, sagt Jens Ehrhardt. Sein Tipp: Pulver trocken halten, bis die Kurse etwas nachgeben, dann in ausgewählte Titel einsteigen.

€uro am Sonntag: Immer mehr Privatanleger treibt der Gedanke an ein Comeback der D-Mark um. Unternehmen schreiben solche Szenarien bereits in Vertrags­abschlüsse. Drehen die Leute ­langsam durch?
Jens Ehrhardt:
Keineswegs. Der ganze Euro ist eine totale Fehlkon­struktion, er ist das unnötigste und gefährlichste Experiment der Wirtschaftsgeschichte. Das habe ich schon 1993 gesagt. Die Rückkehr zur D-Mark wäre eigentlich volkswirtschaftlich sinnvoll, sie wäre technisch machbar und hätte auf die Dauer eine Menge Vorteile für Deutschland.

Da wäre die Exportindustrie vermutlich anderer Meinung.
Welche Exportvorteile haben wir denn durch den Euro noch? Klar würde es kurzfristig Aufwertungstendenzen geben. Aber da kann man wie die Schweiz dagegenhalten und Devisen kaufen. Mit der D-Mark hat die deutsche Exportindustrie hervorragende Erfolge erzielt. Eine erstarkende Binnenwirtschaft würde den Arbeitsmarkt intakt halten. Rückläufige Importpreise würden zu steigendem Lebensstandard führen. Mit einem Schlag hätten wir zudem die leidige Transferunion vom Hals, die Europa eher entzweit.

Was wird dann aus Europa?
Ohne Deutschland würde der ganze restliche Klub erhebliche Probleme bekommen. Deswegen ist dieses Szenario auch unrealistisch. Der Euro wird bleiben. Die Politik wird eine Rückkehr der D-Mark verhindern, weil der Druck einfach zu hoch ist.

Dagegen wird ein Austritt Griechen­lands aus dem Euro immer wahrscheinlicher. Welche ­Folgen hätte das für die Märkte?
Die Börsen würden vermutlich kurzfristig einen Schreck kriegen, aber insgesamt wäre das überschaubar. Die Banken haben ihre Griechen-Forderungen ohnehin schon zu 70 Prozent abgeschrieben. Ich mache mir eher Sorgen um das Land, wenn die Drachme zurückkommt und um etwa 50 Prozent abgewertet wird. Für die Leute dort wäre das ganz schlimm. Man müsste die Griechen zumindest am Anfang über eine Art europäischen Solidaritätszuschlag unterstützen, damit das Land nicht in Anarchie versinkt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt in zwei Tranchen rund eine Billion Euro ins europäische Finanzsystem gepumpt. Wie schätzen Sie die Inflationsrisiken ein?
Zunächst mal war das eine unvermeidbare Maßnahme der EZB. Sonst hätten wir wohl keinen Euro mehr. Und wir hätten überall in Südeuropa Bankenkonkurse bekommen, da wären die 30er-Jahre wiederauferstanden. Jetzt haben wir zumindest für die nächsten zwei, drei Jahre Ruhe im Bankensystem. Dass die Deutschen und insbesondere die Bundesbank da so gebremst haben, war nicht sehr klug.

Und die Inflationsrisiken?
Von dem Geld bleibt ohnehin nur ein Teil bei den Banken. Vor allem südeuropäische Institute verwenden es auch zum Kauf ihrer Staatsanleihen. In der Realwirtschaft taucht es kaum auf, deshalb wirken diese Maßnahmen zumindest in absehbarer Zeit auch nicht inflationär. Im Übrigen sind Inflationsrisiken derzeit trotz des Ölpreisanstiegs kein Thema, auch weil die Konjunktur weltweit eher abkühlt. Ich glaube, dass das ­Inflationsthema erst 2013/2014 langsam kommen wird.

Wenn die Liquiditätsflut für Entspannung an den Kapitalmärkten sorgt — verschafft das den Börsen zusätzlichen Auftrieb?
Es wird im weiteren Verlauf 2012 ­sicher nicht weitergehen wie in den ersten Wochen des Jahres. Möglicherweise gibt es auch Korrekturen, etwa wenn negative Konjunkturmeldungen aus Amerika kommen oder die Wahlen in Griechenland und Frankreich Probleme bringen. Wir müssen uns insgesamt an den Ak­tienmärkten auf moderatere Zuwachsraten einstellen. Der enorme Aktienaufschwung seit Anfang 2012 war auch eine Korrektur der negativen Erwartungen im Dezember 2011, als man von fiskalischen und monetären Bremsmanövern in Europa ausgegangen ist.

Ist das DAX-Potenzial bei 7000 Punkten also erst mal ausgereizt?
Kurzfristig ja, wobei ich einen Wert von 7.500 bis zum Jahresende auch angesichts der EZB-Maßnahmen nicht ausschließen will. Man sollte sich aber immer die grundsätzliche Situation vor Augen halten: Eine gute Dividendenaktie bringt im Moment mehr Rendite als Anleihen, das macht die Aktie schon von der Bewertungsseite attraktiv. Auch die Kurs-Buchwert-Verhältnisse sind sehr niedrig und nahe an den Tiefstständen der zurückliegenden Jahrzehnte. Hinzu kommt, dass Investoren weltweit, speziell die großen Hedgefonds, in Aktien unterinvestiert sind, während sie in den fast renditelosen Anleihen überinvestiert sind. Das alles spricht dafür, dass die Aktienmärkte zumindest selektiv gut laufen könnten.

Man sollte also tendenziell die ­Aktienquote im Depot eher nach oben fahren?
Wir hatten im vergangenen Jahr eine relativ hohe Aktienquote propagiert. Zwischenzeitlich erschien mir das schon zu offensiv. Im Nachhinein war es jedoch richtig. Wenn man diesen Trend verpasst hat, ist es wegen der jetzt zu erwartenden Teilkorrekturen nicht mehr zwangsläufig sinnvoll, noch voll reinzugehen. Ich glaube aber nicht, dass es eine Aktienbaisse geben wird. Dazu sind die Leute einfach zu unterinvestiert, und die Liquiditätslage ist gut. Aber ein technischer Rückschlag aus einer überkauften Situation ist durchaus denkbar. Also: Erst mal Pulver trocken halten, warten, bis die Kurse wieder etwas nachgeben und dann einsteigen. Generell würde ich die Aktienquote in diesem Jahr schon etwas hochfahren.

Welche Titel favorisieren Sie?
Durchschnittlich verdient man mit gewinnstarken Dividendenaktien auf Dauer ganz gut. Pharmatitel sind in diesem Zusammenhang nicht schlecht mit ihren hohen Dividendenrenditen von teilweise über vier Prozent. Standardtitel wie SAP finde ich ebenfalls interessant — wegen des Geschäftsmodells und der Gewinnerwartungen. BASF ist ebenfalls solide mit einer guten Dividendenrendite. Auch die Bauindustrie sollte nicht vernachlässigt werden. Für Bilfinger beispielsweise sprechen nicht nur die gute Gewinnentwicklung und das niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), sondern auch die Aktionärsstruktur. Diese Papiere haben wir übrigens alle in unseren eigenen Fonds.

Halten Sie Investments in Gold ­angesichts der Preisentwicklung noch für attraktiv?
Gold ist insgesamt sehr gut gelaufen, auch auf Elfjahressicht. Es ist eines der besten Investments überhaupt. Kurzfristig sind die krisendämpfende EZB-Maßnahme und die Rettung der europäischen Banken eher kon­traproduktiv. Die Nachfrage wird sich in den westlichen Ländern eher normalisieren oder zurück­gehen. Ein Vorteil ist, dass die Chinesen und die Zentralbanken weiter Gold kaufen. Deswegen halten die Leute das Gold. Auf die Preisentwicklung bezogen, haben wir eher eine Pattsituation. Im Moment läuft der Goldpreis nicht weg, er macht eher eine Seitwärtsbewegung.

Wie viel Prozent Gold gehören ins Depot?
Ich würde Gold mit einem Depot­anteil von rund zehn Prozent halten.

Physisch oder zum Beispiel auch in Minenaktien?
Die Entwicklung der Goldminen­aktien verlief in den vergangenen Jahren frustrierend. Früher waren sie mit den Kurs-Gewinn-Verhältnissen immer wesentlich teurer wegen des Hebeleffekts. Gold ist eben etwas Besonderes. Diese Bergwerke haben einen enormen Hebel, deswegen hatten die Aktien einen hohen Aufpreis. Der KGV-Aufpreis hat sich jedoch deutlich reduziert, deshalb sind diese Aktien zuletzt so schlecht gelaufen.

Warum ist dieser Aufpreis zurückgegangen?
Die Enttäuschung erklärt sich aus dem enormen Kostenanstieg bei der Goldgewinnung, aber auch teilweise wegen zu teurer Übernahmen. Deshalb sehe ich bei Investments in Goldminenaktien auch eher Potenzial für Gewinnenttäuschungen. Aus diesem Grund sollte man im Depot nur wenige Goldaktien halten und in Gold lieber physisch investieren.

zur Person:

Jens Ehrhardt
Der gebürtige Hamburger gründete 1974 in München die gleichnamige Vermögensverwaltung. Schon in seiner Doktorarbeit befasste er sich mit dem Zusammenhang zwischen expansiver Geldpolitik und Börsenkursen. Heute betreut der 69-Jährige zehn Milliarden Euro Kundengelder und gilt als einer der bedeutendsten unabhängigen Vermögens­verwalter Deutschlands.

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