Euro am Sonntag-Interview

Allianz-Ethik-Chef: Ich mag keinen Spagat

aktualisiert 04.11.12 19:20 Uhr

Jay Ralph, der oberste Ethikbeauftragte der Allianz über Selbstbeschränkung bei der Aktienanlage, Spekulation mit Nahrungsmitteln — und Initiativen, mehr Anstand in den Versicherungsvertrieb zu bringen.

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von Martin Reim, Euro am Sonntag

In Jay Ralphs Büro gibt es zwei Sorten Apfelsaft: bio und normal. Ebenso variabel hält es die Allianz mit ihrer Selbstdarstellung. Mal präsentiert sich der Finanzkonzern als knallharter Gewinnmaximierer, mal als verantwortungsbewusster Akteur, der nur das Wohl der Menschheit im Sinn hat. Grund genug nachzufragen, wie der oberste Ethikbeauftragte — er trank während des Gesprächs übrigens Mineralwasser — mit diesem ­Dilemma umgeht.

€uro am Sonntag: Herr Ralph, machen Sie gern Gymnastik?
Jay Ralph:
Nein, ich halte mich eher durch Wandern fit. Warum fragen Sie?

Weil Sie sehr gut im Spagat sein müssen. Die Allianz will einerseits ein moralisch anspruchsvolles Unternehmen sein und spekuliert andererseits in großem Umfang mit Nahrungsmitteln. Die Entwicklungsorganisation Oxfam hat gemahnt, dass Sie mit solchen Geschäften möglicherweise den Hunger in der Welt vergrößern.
Ich mag Spagat weder in meinem privaten noch im beruflichen Umfeld. Und bei diesem Thema muss ich wirklich keinen machen. Wir haben die Vorwürfe von Oxfam ernsthaft geprüft. Und wir haben genau das Gegenteil dessen festgestellt, was uns vorgeworfen wird.

Da sind wir aber gespannt.
Fakt ist: Wir legen langfristig an und reagieren nicht auf kurzfristige Preissignale. Wir entziehen dem Markt keine Rohstoffe, wir sind nicht abhängig von steigenden Preisen, sondern erwirtschaften Erträge für unsere Kunden auch bei fallenden Preisen. Wir investieren nicht im Liefermonat und agieren eher antizyklisch. Die Folge ist: Wir verringern Preisausschläge und helfen mit, Spitzen zu glätten.

Wenn es schon hier keine generellen Beschränkungen gibt, existieren dann wenigstens andere Restriktionen bei Ihren Investments? Immerhin leiten Sie die zweitgrößte Vermögensverwaltung der Welt.
Ausgeschlossen sind Hersteller von biologischen und chemischen Waffen, von Antipersonenminen und Streumunition. Außerdem alle Firmen, die Geschäfte im Zusammenhang mit Waffen in kritischen Regionen betreiben. Hinzu kommen Einschränkungen oder die Auflage zu Einzelfallprüfungen in einzelnen Ländern.

Diese Liste ist nicht sehr umfassend. Investoren, die sich explizit zu Nachhaltigkeitskriterien be­kennen, schließen umstrittene Branchen oft komplett aus — beispielsweise Öl oder Nuklear­energie. ­Warum tun Sie das nicht?
Für Anbieter, die ausschließlich Nachhaltigkeit anbieten, ist das möglicherweise sinnvoll. Als einer der größeren Anbieter gehen wir einen anderen Weg. Wir haben Kunden in vielen Regionen der Welt, die uns ihr Vermögen anvertrauen und auf deren Wünsche und kulturelle Vorstellungen wir achten. Wir haben dennoch mehr Themen auf der Agenda, als unsere Ausschlussliste vermuten lässt. Wir beachten sie bei dem Geld unserer Versicherungskunden, das wir ebenfalls verwalten.

Das hätten wir gern genauer.
Wir gewichten Unternehmen stärker, die nachhaltig sind und dies von neutralen Ratingagenturen bestätigt bekommen. Solch ein Verhalten ist im Übrigen auch gut für die Performance. Das hat erst vor Kurzem eine Studie unserer Tochtergesellschaft RCM gezeigt.

Angenommen, ein Unternehmen in Ihrem Portfolio ist in einen ­großen Umweltskandal verwickelt. Verkaufen Sie dann die Aktie?
Nicht, wenn wir als Investor mehr erreichen können, indem wir unseren Einfluss nutzen. Denn nur als Anteilseigner können wir dann dem Management klar sagen, was wir erwarten — entweder in Einzelgesprächen oder auf der Hauptversammlung, auch in dortigen Abstimmungen. Dieser Weg des sogenannten Engagements wird auch von den Vereinten Nationen favorisiert. Unsere nachhaltige Ausrichtung erschöpft sich übrigens keineswegs in solchen Aktionen.

Was meinen Sie damit?
Wir haben drei weltweite Probleme identifiziert, bei denen wir als Allianz etwas mehr zu Lösungen beitragen können als manch andere. Das erste ist der Klimawandel. Hier leisten wir einen Beitrag zur Debatte, engagieren uns federführend in internationalen Klimaschutzprojekten und bieten immer mehr entsprechende Finanzlösungen an. So sind wir einer der größten und innovativsten Investoren und können eine Schlüsselrolle einnehmen beim Bemühen, den CO2-Ausstoß überall auf der Welt zu reduzieren. Das zweite ist die Lage in den Entwicklungsländern. Wir sind ein führender Anbieter von Mikroversicherungen ...
... die es den Ärmsten der Armen ermöglichen sollen, ihre Existenz zu sichern. Wo betrachten Sie sich noch als besonders kompetent?
Bei der Demografie. Die Alterung der Gesellschaften in den Industrieländern schafft Schwierigkeiten, die ohne private Versicherer und Vermögensmanager kaum zu lösen sind.

Letzteres klingt eher nach einträglichen Geschäften für die Allianz als nach selbstloser Hilfe.
Beides schließt sich nicht aus, und das ist gut so. Unsere Aktivitäten in den drei Kernpunkten sollen sich rechnen. Das sind wir unseren Anteilseignern schuldig, und nur so können wir das dauerhaft für alle Kunden leisten.

Auch im Kerngeschäft Versicherungen tun sich moralische Pro­bleme auf. Die Branche — und auch die Allianz selbst — hat nicht gerade den besten Ruf. Die Vertriebe gelten vielen als eine Art Drückerkolonne.
Es gibt keinen Versicherer in Deutschland, der sich intensiver von den Kunden beurteilen lässt als die Allianz. Wenn es um unseren Ruf geht, können wir uns ein sehr genaues Bild machen, und das zeigt, dass die Mehrheit unserer Kunden zufrieden ist mit ihrer Allianz. Noch wichtiger ist, dass wir aus diesen Befragungen lernen, wo wir uns verbessern können und müssen. Eine besondere Bedeutung haben dabei vorbildliche Verkaufspraktiken, die von allen unseren Vertretern und ebenso von Maklern und anderen Vertriebspartnern umgesetzt werden müssen. Deshalb haben wir gerade weltweit neue Richtlinien eingeführt, die in Deutschland bereits gelten.

Was heißt das konkret?
Wir wollen sicherstellen, dass die Interessen unserer Kunden im Mittelpunkt der Beratung stehen und Vorrang vor allem anderen haben. In diesem Sinne regeln wir Produktentwicklung, Beschwerdemanagement und Incentivierung ...
... also die Schaffung von Anreizen im Vertrieb. Das ändert aber nichts am Grundproblem: Je höher die Provision, die ein Produkt bringt, desto lieber wird es üblicherweise verkauft.
In der Tat kann es Interessenkonflikte durch falsche Anreize geben. Wir wollen deshalb die Steuerung durch Provisionen verändern — hin zur Steuerung über Kundenzufriedenheit. Das heißt: Der Vermittler bekommt umso mehr Geld, je besser er nachweislich den Kunden berät. Da läuft bereits ein Pilotprojekt bei ausgewählten Agenturen in Deutschland.

Und was soll bei der Produkt­entwicklung anders werden?
Indem wir Produkte zuerst danach beurteilen, wie sie dem Kunden dienen. Zum Beispiel bei Lebensversicherungen in Deutschland. Einige in der Branche propagieren ausschließlich fondsgebundene Lösungen. Sie bieten Chancen, aber auch Anlagerisiken, die im Wesentlichen die Kunden tragen, was ihnen möglicherweise nicht so richtig klar ist. Wir betrachten es als Teil unserer Verantwortung, ehrlich zu beraten und je nach Kundenbedürfnis die traditionelle Lebensversicherung mit gesetzlichem Garantiezins zu empfehlen. Damit erwerben die Kunden eine sichere Versorgung auch bei der stark steigenden Lebenserwartung.

So weit der Werbeblock. Verbraucherschützer sind sich weitgehend einig, dass Lebensversicherungen teuer und unflexibel sind. Seien Sie doch ehrlich: Die Allianz will ein einträgliches Produkt einfach nicht aufgeben.
Vor- und Nachteile kommen ganz auf den individuellen Bedarf des Kunden an. Und unser Angebot muss für den Kunden funktionieren und gleichzeitig im Einklang mit dem Anspruch der Allianz stehen, als wirtschaftlich gesundes Unternehmen die langfristigen Garantien schultern zu können. Und zwar über viele Jahrzehnte, sonst hätte alle Nachhaltigkeit keinen Sinn. Vielleicht ist es tatsächlich ein strategischer Vorteil, dass unser Geschäft nur dann langfristig funktioniert, wenn Kunde und Unternehmen gleichermaßen gewinnen.

Zur Person:

Moral als
Nebentätigkeit

Die Allianz hat (nach eigenen Angaben als weltweit erster Konzern) ein eigenes, aus Vorstandsmitgliedern zusammengesetztes Ethikkomitee geschaffen. Das Gremium kümmert sich um Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung. Chef ist Jay Ralph (53), dessen zweite Aufgabe die Leitung der 1700 Milliarden Euro schweren Vermögensverwaltungssparte ist. Der US-Amerikaner arbeitet seit 1997 bei der Allianz, vornehmlich im Versicherungsgeschäft.

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