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Paypal-Gründer Thiel: Der König der Krise

19.09.16 20:15 Uhr

Paypal-Gründer Thiel: Der König der Krise | finanzen.net

Der Investor hat es dank Paypal und ­Facebook zum Milliardär ­gebracht. Heute vergibt er ­Stipendien an Studien­abbrecher und unterstützt Donald Trump. Sein Ziel: das verhasste System zu stürzen.

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von Peter Balsiger, Euro am Sonntag

Im kalifornischen Hightech-Zentrum Silicon Valley, von dem aus milliardenschwere Unternehmen die Welt erobert haben, hat man eine klare Meinung über den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. "Trump wäre ein Desaster", heißt es in ­einem offenen Brief, der von über 100 Managern aus dem Valley unterschrieben wurde.



Mit seinen Forderungen zur Beschränkung der Einwanderung (74 Prozent der Angestellten zwischen 25 und 44, die im Valley im Computerbusiness arbeiten, sind im Ausland geboren), mit seinen Angriffen auf Apple ("unpatriotisch"), Amazon-CEO Jeff Bezos ("Betrüger") und Facebook-Chef Mark Zuckerberg ("diskriminierend") sowie seinen rassistischen Entgleisungen stehe er im Gegensatz zu allem, wofür die Technologiebranche stehe.

Nur einer schert aus der Phalanx der Trump-Gegner aus: Peter Thiel. Der 49-jährige Gründer von Paypal, den eine frühe Investition in Facebook zum Multimilliardär gemacht hatte, wirbt offen für Donald Trump. Auf dem Parteitag der Re­publikaner, Trumps "Krönungsmesse", hielt er zur besten TV-Sendezeit sogar die Hauptrede. Und Thiel ist nicht irgendwer im Silicon Valley. Er hat einen Universitäts­abschluss in Philosophie, er war Rechtsanwalt, Anleihehändler, Hedgefondsmanager, er ist Wagniskapitalgeber, Mäzen, Buchautor und libertärer Querdenker.

Träumer und Provokateur

Was bringt einen Menschen wie Thiel dazu, einen Demagogen wie Donald Trump zu unterstützen? Was verbindet sie?


Wie Trump liebt Peter Thiel die Provokation. "Beide mögen Worte und Ideen, die an Größenwahn grenzen, und verachten bestehende Strukturen und Konventionen gleichermaßen", schrieb "Die Zeit". In einem umstrittenen Essay für die einflussreiche rechte Denkfabrik Cato Institute schrieb Thiel: "Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind."

Seit den 1920er-Jahren sei der Kapitalismus aufgrund der "enormen Zunahme von Sozialhilfeempfängern und der Ausweitung des Wahlrechts auf Frauen" nicht mehr mehrheitsfähig. Thiel ist ein bekennender Anhänger eines libertären Gedankenguts, einer politischen Richtung, die auf der Annahme basiert, dass Menschen quasi uneingeschränkt befähigt sind, Verantwortung zu übernehmen. Wichtigste Idee des Libertarismus ist die Freiheit von Einschränkungen durch andere und den Staat. Thiel will, dass sich der Staat so weit wie möglich aus dem Leben der Menschen heraushält und sich auch nicht in die Wirtschaft einmischt. Globalisierung ist für ihn kein Fortschritt, Konkurrenz sei schädlich, und nur Monopole seien nachhaltig erfolgreich, denn im freien Wettbewerb gedeihe nur Mittelmaß.


Er ist gegen eine Vermögensteuer, er investierte Millionen in ein Unternehmen, das schwimmende Städte vor der Küste errichten und eine Art libertäres Paradies fern des Zugriffs aller Steuerbehörden gründen wollte. Er verachtet das politische Washington, das heutige Amerika sei "ein extrem großer, quasi-sozialistischer Staat, nur ohne Fünfjahresplan", er lehnt Hillary Clinton ab ("ihre Inkompetenz ist deutlich zu sehen"), er hasst die Medien, er träumt von einer Besiedelung des Weltraums ("weil die Weite des Alls eine grenzenlose Möglichkeit darstellt, der Weltpolitik zu entfliehen"). Er prangert die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in den USA an, sie sei "so groß wie 1913 oder 1928", kritisiert den nachlassenden technologischen Fortschritt in den USA ("wir verlieren allmählich unseren Vorsprung, es gibt zu wenig Innovation") und wollte - vergeblich - mit Paypal ei­ne neue Weltwährung einführen.

In Trump sieht Thiel eine Chance, seiner utopischen Vision ein Stück näher zu kommen. Denn sein Kandidat habe versprochen, "uns zurück zu dem Punkt zu führen, an dem wir noch eine großartige Zukunft hatten", sagte Thiel in seiner Rede vor den republikanischen Delegierten. Dass er als bekennender Homosexueller in Konflikt mit dem Parteiprogramm steht, scheint Thiel nicht zu stören. Trumps Partei lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab, sie unterstützt Therapien, die Schwule "heilen" sollen, und will die Bundesstaaten ermächtigen, Transsexuellen vorzuschreiben, welche Toilette sie benutzen dürfen.

Thiel kam 1967 in Frankfurt am Main zur Welt. Sein Vater, der für mehrere große Ingenieursfirmen arbeitete, zog bereits ein Jahr später mit der Familie über Südafrika und Namibia nach Cleveland und San Francisco. Die Folge: Peter wurde in insgesamt sieben verschiedenen Grundschulen unterrichtet. Er spricht heute zwar immer noch etwas Deutsch - "allerdings auf dem Niveau eines Zwölfjährigen".

Vom Schachtalent zum Milliardär

Thiel war ein herausragender Schüler. Er hatte ein fast grenzen­loses Selbstvertrauen und den Ehrgeiz des brillanten Einzelgängers. Er galt als Mathe-Wunderkind und wurde einer der besten Schachspieler in den USA. Er ist heute noch mit dem ehemaligen Schachgroßmeister Garri Kasparow befreundet. Die Hülle seines Schachbretts hatte er mit dem Sticker "Born to win" dekoriert. Wenn er trotzdem ein Spiel verlor, dann fegte er wütend die Figuren vom Brett und sagte: "Zeige mir einen guten Verlierer, und ich zeige dir einen Verlierer."

"Der Herr der Ringe" war sein Lieblingsbuch als Teenager. Später las er den russischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn ("Der Archipel Gulag") und vor allem Ayn Rand, die rechtskonservative amerikanische Philosophin, enge Freundin von Alan Greenspan, deren Roman "Atlas Shrugged" als eines der einflussreichsten politischen Bücher des 20. Jahrhunderts gilt.

Thiel studierte an der kalifornischen Eliteuniversität Stanford Philosophie und Rechtswissenschaften, heuerte anschließend bei einer vornehmen New Yorker Anwaltskanzlei und später bei einer Investmentbank an der Wall Street an.

Im Sommer des Jahres 1998 sollte sein Leben eine entscheidende Wende nehmen. In Stanford, wo er gerade einen Vortrag über das Thema Devisenhandel gehalten hatte, sprach ihn ein 23-jähriger Computerprogrammierer an, der kurz zuvor aus der Ukraine nach San Francisco gezogen war. Max ­Levchin versuchte ihn für die Idee ­eines elektronischen Bezahlsystems zu begeistern, das den Geschäftsverkehr leichter und sicherer machen würde. Es war eine schicksalhafte Begegnung - und die Geburtsstunde von Paypal: Thiel beteiligte sich mit 280.000 Dollar an dem Start­-up und wurde CEO des Unternehmens.

Paypal wuchs schnell. 2002 ging das Unternehmen an die Börse und kurz darauf wurde es für eineinhalb Milliarden Dollar von Ebay übernommen. Thiel, gerade 35 Jahre alt, war nun um 55 Millionen Dollar reicher. Mit dem Geld gründete er den Hedgefonds Clarium Capital Management, den er mit zehn Millionen Dollar alimentierte, und die Wagniskapitalgesellschaft Founders Fund.

Im Sommer 2004 stellte ihm ein Studienfreund aus Stanford den 20-jährigen Harvard-Aussteiger Mark Zuckerberg vor. Dieser suchte für seine Idee einer Network-Plattform, die er Facebook nannte, einen Investor. Eine Idee, die ihn später zum jüngsten Milliardär der Geschichte machen sollte. Thiel ließ sich vom Konzept überzeugen, investierte 500.000 Dollar und übernahm einen Vorstandssitz im Unternehmen. Das ­Kapital wandelte er später in einen Sieben-Prozent-Anteil an Facebook um.

Thiels Rolle als Investor wurde im Streifen "The Social Network" - ein unautorisiertes filmisches Porträt des Facebook-Gründers Zuckerberg - in einer 34-Sekunden-Sequenz "verewigt". Er sehe in dem Film zu alt aus, befand Thiel, und außerdem komme er rüber wie ein Investmentbanker. In Wahrheit trägt Thiel am liebsten T-Shirts und Turnschuhe und hängt meist in den Coffeeshops in San Francisco ab und nicht in den elitären Klubs der Superreichen.

Beim Facebook-Börsengang im Mai 2012 verkaufte Thiel Aktien im Wert von 640 Millionen Dollar, nach dem Ende der Haltefrist stieß er weitere Anteile ab und erlöste dafür rund 400 Millionen Dollar.

2004 hatte Thiel sich mit 30 Millionen Dollar an Palantir Technologies in Palo Alto beteiligt. Die Firma, benannt nach den hellseherischen Steinen in Tolkiens "Herr der Ringe", entwickelte in den ehema­ligen Räumen von Facebook eine Software, die es erlaubt, subtile Muster aus einer großen Menge an Daten herauszufiltern. Dies gibt ­Regierungsorganisationen und der CIA - und damit dem Überwachungsstaat - die Möglichkeit, Terroristen, Betrüger und andere Kriminelle leichter zu orten.

Die Firma hat heute einen Wert von rund drei Milliarden Dollar. Thiel rechtfertigte sein Engagement bei Palantir damit, dass eine konventionelle Sicherheitspolitik heute zum Scheitern ver­urteilt sei: "Ein verbessertes Überwachungssystem ist der Schlüssel für ein 21. Jahrhundert, in dem der Terrorismus nicht gewinnt", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" den Investor.

Schon jetzt gilt Thiel im Silicon Valley als Investorenlegende. Sein Credo: "Wir investieren nur in Start-ups, die wirklich einzigartig sind und die Welt verändern können. Diese Firmen müssen nachhaltig sein, dann haben sie den größten Wert. Nicht wer als Erster auf dem Markt ist, gewinnt, sondern wer als Letzter ­übrig bleibt." Und: "Wir investieren in keine Firma, die Gewinne macht. Denn wer nicht jeden Cent investiert, hat keine Ideen mehr. Gewinne sind ein schlechtes Zeichen." Erst müsse ein Unternehmen aufgebaut werden. An die Börse könne es dann später gehen, wenn die Wachstumsphase abgeschlossen sei.

2011 startete er sein inzwischen berühmtes "20 under 20"-Projekt. Er vergibt Stipendien in der Höhe von 100.000 Dollar an 20 junge Leute unter 20, die für jeweils zwei Jahre das College oder die Universität schmeißen, um eine Start-up-Idee verwirk­lichen zu können. Bedingung: Während dieser Zeit dürfen sie keine Universität besuchen. Denn eine Hochschulausbildung sei reine Zeit- und Geldverschwendung, sagt der Mann, der an einer Eliteuniversität studiert hat. Offensichtlich funktioniert Thiels These: Die beiden ersten Jahrgänge dieser hochbegabten Überflieger haben mehr als 30 Start-ups gegründet und über 34 Milliarden Dollar umgesetzt.

Der König der Krise

Mit seinem Hedgefonds Clarium Capital erzielte Thiel anfänglich spektakuläre Erfolge. Er sah die Finanzkrise voraus, die "Süddeutsche Zeitung" nannte ihn den "König der Krise" und staunte über eine Fondsnettorendite von 90 Prozent. Das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" adelte ihn sogar mit dem Titel "Meteor der Hedgefondswelt". Thiel, ganz der Contrarian, kaufte japanische Regierungsanleihen, als andere Inves­toren verkauften, er ahnte, dass Öl knapp werden würde, und spekulierte mit Energietiteln - und er sah bereits die Übertreibungen am US-­Immobilienmarkt.

Im Sommer 2008 verwaltete Clarium Capital über sieben Milliarden Dollar. Nur logisch, dass er im September in den Olymp des US-Kapitalismus zog. Er verlegte die Fondsverwaltung nach New York und bezog in Manhattan mondäne Büroräume. Aber kurz darauf kam es zum Crash an den Finanzmärkten. Nach schweren Verlusten zogen die Anleger mehrere Milliarden aus dem Fonds ab. Mitte 2010 waren kaum noch 1,5 Milliarden übrig. Er habe zu wenig Risikovorsorge getroffen und zu lange gehofft, dass sich die Weltwirtschaft dank einer koordinierten internationalen Aktion beruhigen würde, monierten seine ­Kritiker.

Mitte 2010 räumte Thiel seine Büros in New York und zog wieder zurück nach Kalifornien. Dort residieren seine Firmen im vierten Stock eines eleganten Gebäudes aus Backstein und Glas mit Blick auf die Golden Gate Bridge und die Gefängnisinsel Alcatraz. Seine Büro­etage fühle sich so vornehm an wie eine jener New Yorker Anwaltskanzleien, die 1.000 Dollar pro Stunde nehmen, befand die "Süddeutsche Zeitung": "Auf weichen Teppichen, vorbei an Kinoplakaten und Tischen mit Schachbrettern, die auf die Leidenschaft des Hausherrn ­anspielen, wird man in ein getäfeltes Konferenzzimmer geleitet."

Im Oktober 2011 gründete Thiel Break­out Labs, ein Förderprogramm für Forscher, die "radikalste Ideen verfolgen und an den Grenzen von Wissenschaft und Technik rütteln". Und er investierte konsequenterweise dreieinhalb Millionen Dollar in ein Biotech- Start-up, das den Alterungsprozess und schlussendlich auch den Tod überwinden will. Er selbst erwartet, dass er 120 Jahre alt wird.

Thiel, der einen dunkelblauen Mercedes-Sportwagen vom Typ SL 500 fährt, besitzt laut dem Magazin "The New Yorker" eine Sieben-Millionen-Dollar-Villa in San Francisco und ein 27-Millionen-Dollar-Strandgrundstück auf der Hawaii-Insel Maui. "Forbes" schätzte 2016 sein Vermögen auf 2,7 Milliarden Dollar. Wie sieht er sein weiteres Leben? "Ich habe keinen 20-Jahres-Plan für mein Privatleben", gibt er zu. "Auch wenn ich manchmal denke, ich hätte besser einen genaueren Plan. Aber wahrscheinlich war mir das noch nicht wichtig ­genug."

Kurzvita

Glorreicher Investor

Peter Thiel kam 1967 in Frankfurt am Main zur Welt. Sein deutscher Vater zog mit ihm ein Jahr später in die USA. Nach seinem Studium gehörte Peter Thiel zu den Gründern des Online-Bezahldienstes Paypal. Thiel war zudem Kapitalgeber von Facebook. Er ist heute Partner des Risikokapitalunternehmens Founders Fund sowie Präsident des Hedgefonds ­Clarium Capital. Nach Angaben von "Forbes" verfügt der 49-Jährige über 2,7 Milliarden US-Dollar Privatvermögen. Für Aufsehen sorgt auch, dass Thiel Donald Trump beim Kampf ums Weiße Haus offen unterstützt.

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Bildquellen: Steve Jennings/Getty Images for TechCrunch, www.BillionPhotos.com / Shutterstock.com

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12.02.2021PayPal OutperformCredit Suisse Group
25.06.2020PayPal buyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
31.01.2019PayPal OutperformOppenheimer & Co. Inc.
07.01.2019PayPal OverweightBarclays Capital
19.10.2018PayPal OutperformBMO Capital Markets
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10.01.2017PayPal HoldLoop Capital
19.09.2016PayPal HoldCanaccord Adams
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