Grüne Energie-Aktien: Wie heißer Dampf zu Geld wird
Erdwärme ist eine unerschöpfliche Wärmequelle. Sie wird immer wichtiger, um Häuser künftig regenerativ zu beheizen und Kohle zu ersetzen. Auch für Anleger wird sie behaglich.
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von Oliver Ristau, €uro am Sonntag
Der weiße Dampf steigt wie Wattewolken auf. In der Ferne grasen Antilopen und Zebras. Die Tiere leben im kenianischen Nationalpark Hell’s Gate, drei Autostunden von der Hauptstadt Nairobi entfernt. Ihre Heimat ist zugleich Afrikas größter Standort für die Gewinnung von Erdwärme. Auf dem 200 Quadratkilometer großen Areal fördern mehrere Hundert Bohrlöcher heißen Dampf aus der Tiefe. Grün bestrichene Pipelines transportieren ihn zu den vier Kraftwerken, die daraus rund um die Uhr Elektrizität gewinnen. Drei sind im Besitz des halbstaatlichen Stromerzeugers Kengen, eines wird vom US-Spezialisten Ormat Technologies betrieben.
Mit mehr als 600 Megawatt Leistung, so viel wie ein Kernkraftreaktor, ist die Erdwärme nach der Wasserkraft die wichtigste Stromquelle des ostafrikanischen Landes - und zugleich die mit der größten Zukunft. Die Regierung setzt zunehmend auf die Energie aus der Tiefe, die Geothermie. In den kommenden Jahren soll sich deren Leistung durch den Bau neuer Kraftwerke mindestens verdreifachen.
Kenia verfügt über beste Bedingungen dafür. Der Nationalpark ist Teil des Afrikanischen Grabenbruchs. Dort führt die Bewegung der Erdplatten dazu, dass die Erdkruste auf mehreren Tausend Kilometern auseinanderbricht und heißes Magmagestein aufsteigen kann. "Deshalb können wir hier in einer relativ geringen Tiefe von 1.000 bis 2.000 Metern 300 Grad heißen Dampf fördern", sagt Kengen-Ingenieur Reuben Langat. Das macht die Kraftwerke wettbewerbsfähig. Die Erzeugungskosten liegen bei neun Eurocent je Kilowattstunde. "In vielen anderen Regionen sind solche Temperaturen in gleicher Tiefe nicht anzutreffen", weiß Langat.
Beispiel Deutschland: In Landau in der Pfalz wird 160 Grad heißes Wasser aus 3.000 Meter Tiefe zur geothermischen Energiegewinnung genutzt. Die Stadtwerke Schwerin wollen dafür Wasser aus 1.300 Metern mit gerade mal 53 Grad fördern. Und doch macht auch das hierzulande Sinn. Weniger wegen des Stroms, sondern wegen der Wärme. Denn die entsteht in Deutschland vor allem durch Öl, Gas und Kohle.
Das Erdinnere ist dagegen eine unerschöpfliche Ressource an Öko-Wärme. Ohne solche Alternativen kann Deutschland das Ziel nicht erreichen, seine Kohlekraftwerke in den kommenden zwei Jahrzehnten abzuschalten. Denn die produzieren nicht nur Strom, sondern auch wichtige Fernwärme. Um diese künftig grün zu machen, dringen deshalb mehr und mehr Großstädte in die Tiefe vor. In München soll unterirdisches Thermalwasser einen großen Teil der Fernwärme liefern. Hamburg plant, Warmwasser mehrere Hundert Meter unter der Elbe zu speichern, um ein altes Kohlekraftwerk abzuschalten. Und in Berlin wird den Abgeordneten des Bundestags bereits seit mehreren Jahren dank der molligen Temperaturen in der Tiefe warm.
"Wir werden künftig zehn Prozent der Wärme mit Geothermie gewinnen", sagt René Tilsen von den Stadtwerken Schwerin, die ihre Fernwärme bisher zu über 90 Prozent mit fossilem Gas erzeugen. Das werde im Jahr mehr als eine halbe Million Euro an Brennstoffkosten sparen. Wird Gas teurer, wie von den Schwerinern erwartet, steigt auch die Wirtschaftlichkeit. "Wir reagieren frühzeitig auf eine Verteuerung von CO2-Emissionen", sagt der Manager.
Was im Großen langsam Fahrt aufnimmt, nutzen im Kleinen schon viele Privathaushalte und Gewerbetreibende. Nach Auskunft des Bundesverbands Geothermie sind aktuell rund 400.000 Erdwärmepumpen in Deutschland in Betrieb. Das Ausbaupotenzial ist enorm. Laut Verband könnten mit den heute bekannten Quellen knapp 60 Prozent des Wärmebedarfs gedeckt werden. So schnell wird das zwar nicht gehen. Aber auch das Bundeswirtschaftsministerium rechnet bis 2030 mit einer Verfünffachung der Erdwärmeproduktion, die bisher erst rund ein Prozent der deutschen Wärme liefert.
Andere Länder sind schon weiter, allen voran China, die USA, die Türkei, Schweden und Island. Nach Jahren der Stagnation erlebte die Technologie zuletzt einen regelrechten Boom. Laut World Energy Council hat sich die installierte Leistung zur Wärmeerzeugung weltweit von 10,9 Gigawatt (2011) auf 83,4 (2016) vervielfacht. Grund sind gesunkene Kosten. Bohrungen in Tausenden Meter Tiefe sind in der Öl- und Gasindustrie mittlerweile gang und gäbe. Auch geologische Untersuchungen werden mit moderner Datentechnik und Sensoren einfacher. Und Stromproduktion über Dampfturbinen ist ein etabliertes klassisches Industrieverfahren.
Neue Projekte schießen entsprechend wie Pilze aus dem Boden. Das Analysehaus Global Market Insights erwartet, dass das weltweite Marktvolumen von rund 30 Milliarden Euro 2016 auf 50 Milliarden Euro 2024 ansteigen wird. Viele Industrieunternehmen wärmen sich mittlerweile an dem Wachstumsmarkt. Dazu zählen Stromerzeuger wie die italienische Enel, die US-amerikanische Calpine und Warren Buffetts Berkshire Hathaway, die in Kalifornien zehn Geothermie-Kraftwerke betreibt.
In der Technologieentwicklung vorn ist die international operierende Ormat. Auch die auf Öl- und Gasbohrungen spezialisierte Halliburton hat das Geschäftsfeld entdeckt. In Europa ist die deutsche Daldrup & Söhne ein führender Spezialist. Die japanischen Firmen Mitsubishi Heavy Industries und Toshiba liefern Maschinenhäuser und Turbinen. So wie in Kenias Nationalpark Hell’s Gate, wo das nächste Geothermie-Kraftwerk bereits im Bau ist.
Investor-Info
Ormat Technologies
Amerikanische Techniker
Die US-amerikanische Ormat Technologies ist auf Geothermie spezialisiert, entwickelt als einziges Unternehmen dafür eigene Technologien, ganze Projekte und betreibt diese teilweise selbst - insgesamt 2200 Megawatt weltweit. Wichtigste Erlösquelle Ormats sind regelmäßig fließende Stromerträge, was die Aktie für Anleger sicher macht. Zuletzt konnte die Firma auch steigende Gewinne vermelden - eine Entwicklung, die sich mit wachsendem Markt fortsetzen dürfte. Könnte mittelfristig ein Übernahmekandidat werden.
Daldrup & Söhne
Deutsche Bohrer
Das Geothermieunternehmen ist vor allem auf Bohrungen spezialisiert, beteiligt sich aber auch an Kraftwerken. Mit dem Wachstum der Nachfrage steht der Mittelständler vor einer aussichtsreichen Zukunft.
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