Siemens: Joe Kaesers Nachrichten von der Brücke
Am Donnerstag stellt Siemens-Chef Joe Kaeser die nächste Stufe seiner Konzern-Strategie vor. Das Ziel: ein Flottenverband, der Manöver wendig meistert und höhere Rendite bringt.
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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
Revolutionär wird die Veranstaltung wohl nicht. Kommenden Donnerstag geht es in der Siemens-Zentrale um das Quartal von April bis Juni. Das Geschäftsjahr der Münchner endet bereits im September, Beobachter, etwa die angereisten Analysten aus London, New York oder Frankfurt, dürften gespannt sein, ob der DAX-Konzern nach neun Monaten auf Kurs ist und seine Jahresprognose erfüllt. Neun bis 13 Prozent Gewinnplus gegenüber dem Vorjahr sind nach der Prognoseerhöhung vom Mai für das Geschäftsjahr angesagt, die Marge soll zwischen elf und zwölf Prozent liegen.
Am Wittelsbacher Platz in München, wo die neue luftige Konzernzentrale steht, flüstert man recht vernehmlich, dass es gut aussehe. Nicht nur dort. "Wir erwarten ein gutes Quartal", sagt etwa Andreas Willi, Industrieanalyst der US-Bank JP Morgan. Außer in der Energietechnik. Die steckt wegen der Umbrüche in der Branche mitten in einem Jobabbau- und Umbauprogramm, das viel Geld kostet. Das Neugeschäft mit Gasturbinen liefert dicke Verluste, im Gesamtjahr soll das Minus hier im hohen dreistelligen Millionenbereich liegen.
Die im Mai gesetzten Jahresziele dürften dennoch so fest stehen, wie der Vorstandschef im Sattel sitzt. "Es wird das dritte Rekordjahr in Folge", heißt es in Industriekreisen. Eine Enttäuschung der Finanzgemeinde wäre auch so ziemlich das Letzte, was Joe Kaeser an diesem Tag gebrauchen könnte.
Vision des Industriekapitäns
Schließlich will der Chef die nächste Stufe seiner Konzernstrategie vorstellen. "Vision 2020+" heißt der Plan, der schon über Kaesers Amtszeit hinausweisen soll. Sein Vertrag läuft Ende 2021 aus, wie man hört, soll das auch wirklich das Ende seiner Amtszeit werden. Kernstück der Ära des Niederbayern war das Programm "Vision 2020", das er im Mai 2014 präsentierte. Hier ging es zunächst um Effizienz und saubere Projektabwicklung, um die Vermeidung der berüchtigten Milliardenpannen, die die Siemens-Bilanzen jahrelang verhagelt hatten. Und es ging um die Verselbstständigung und Abspaltung von Sparten. Die Lichttechniktochter Osram war damals bereits an der Börse. Die Medizintechnik sollte folgen. Die Börsenpremiere von Siemens Healthineers ging im März über die Bühne.
"Es wird eher eine Evolution als eine Revolution", lässt der Chef diverse Kanäle flüstern. Viele leitende Manager kennen den Plus-Plan schon, auch deshalb kursieren etliche Details. Der Kern: Siemens wird mehr zur Holding, die Zentrale soll schlanker werden, die Zahl der Sparten sinken, die Rendite steigen und der Konzern schlagfertiger im sich rasant ändernden Umfeld werden.
Vom Stapel gelassen
Dahinter steht Kaesers Konzept vom "Flottenverband", das er im Februar 2017 im Interview mit €uro am Sonntag skizzierte. Die Idee: Geschäfte, die nicht genug Synergien mit dem Kerngeschäft bieten, werden verselbstständigt und an die Börse gebracht. Um im Bild zu bleiben: als wendige Beiboote zu Wasser gelassen. Kaeser will Werte heben, aber auch die Siemens-typischen, teils bürokratisch-umständlichen Organisationsprozesse kurzschließen und zu einer Struktur kommen, die schnelle, unternehmerische Entscheidungen erlaubt.
"Wir wollen uns so aufstellen, dass wir viele Optionen haben, und wir sehen uns dabei nicht nur der Kapitalseite verpflichtet", heißt es von involvierten Managern. Die Botschaft richtet sich also auch an die Belegschaft: Wir sorgen vor, indem wir den Konzern fit machen. Der wochenlang intensiv geführte Kampf mit Arbeitnehmervertretern um die Zukunft des Gasturbinenwerks in Görlitz wirkt da offenbar nach.
Was aber dürfte sich ändern? Neben der Medizintechnik und der Windkraftsparte Siemens Gamesa kommt bald auch die Verkehrstechnik an die Börse. Dies geschieht mit Abschluss der Fusion der Siemens-Sparte mit der französischen Alstom zu einem Joint Venture, das unter Siemens-Flagge läuft. Die angekündigte intensive Prüfung der EU-Kartellbehörden sei keine Überraschung gewesen. Das Ganze sei auf der Schiene, heißt es aus Industriekreisen.
Berichten zufolge plant der Konzern eine weitere Konzentration des industriellen Kerngeschäfts von fünf auf drei Sparten. Die Energieübertragung solle die bisherige Energietechnik Power & Gas (PG) verstärken. Laut Analyst Willi entspräche dies der Aufstellung des US-Wettbewerbers GE. Die Verteilnetze würden demnach zur Gebäudetechnik Building Technologies stoßen, was ebenfalls sinnvoll erscheint, weil sich hier etwa intelligente Netz- und Gebäudetechnologien ergänzen könnten.
Kern konzentriert
Die Automatisierungstechniken aus dem Minikonglomerat Process Industries & Drives (PD), das auch Bereiche wie E-Motoren enthält, soll der Automatisierungsparte Digitale Fabrik zufallen. Es entstünden laut JP Morgan drei Sparten mit 20 Milliarden (Digitale Fabrik), 17 Milliarden (Energie) und 14 Milliarden Euro Umsatz (Gebäudetechnik). Während Analysten mäkeln, dass dies die Transparenz und auch den Börsen
wert mindern könnte, versichert das Management, dass es bei der Rendite aufwärtsgehen soll. "Wir sind immer noch siemens.com und nicht siemens.org", so ein ranghoher Manager.
Die Zielkorridore für die meisten Sparten dürften angehoben werden. Die Bereiche lagen zuletzt, bis auf PG sowie PD, alle im Korridor, einzelne darüber. Auch das Margenziel für das gesamte industrielle Geschäft von Siemens dürfte erhöht werden. Die Digitale Fabrik ist mit gut 20 Prozent Marge das Sahnestück. Hier bündelt Siemens die Automatisierungskompetenz, die Sparte wurde durch milliardenteure Zukäufe vor allem im Bereich Software gestärkt. Die Bayern besitzen mit ihrer Plattform "Mindsphere" das weltweit führende Betriebssystem für das Internet der Dinge. Es liefert Simulationen von der Produktionsplanung über die Entwicklung bis zur Fertigung und taugt zur Steuerung hochkomplexer Abläufe.
Die Sparte läuft auf Hochtouren. Und sie ist, so raunt man am Wittelsbacher Platz, allein schon die Hälfte der gut 80 Milliarden Euro wert, die Siemens derzeit auf die Börsenwaage bringt. Noch ist sie aber wohl zu eng im Siemens-Kern eingebunden, um sie auf See zu schicken. Der Superkreuzer muss wohl noch eine ganze Weile auf Dock liegen, bis ein Stapellauf erfolgen kann.
Investor-Info
Siemens
Agiles Mutterschiff
Siemens steht beim Gewinn vor dem dritten Rekordjahr in Folge. Der Konzern ist auf Wachstumskurs, der Auftragsbestand von 135 Milliarden Euro schiebt an. Siemens löst gerade die Strukturprobleme in der Energiesparte, was belastet. Die Industrieautomatisierung läuft auf Hochtouren, die Verkehrs- und Gebäudetechnik sind ebenfalls gut in Form. Höhere Renditeziele sind wahrscheinlich. Für 2019 wird ein Gewinnplus von acht Prozent erwartet. Quartalszahlen und neue Strategie dürften auch kurzfristig beflügeln.
Siemens Healthineers
Stabiles Geschäft
Der Börsengang der Medizintechnik war ein Erfolg, Zeichner erzielten Gewinne, das Papier läuft seither im Aufwärtstrend. Siemens ist bei Großgeräten wie Kernspins weltweit führend. Das Hauptgeschäft hat eine große installierte Basis und margenstarken Service. Langjährige Baustelle ist die Diagnosesparte, Siemens hat viel in die neue Plattform Atellica investiert. Noch ist nicht ganz klar, wie das System ankommt. Insgesamt aber sehr stabiles, cashstarkes Geschäft.
Siemens Gamesa
Start mit Gegenwind
Nach dem Start im April 2017 ging es steil bergab mit der Aktie des Windanlagenherstellers. Ein Grund: starker Preisdruck, aber auch interne Reibungen. Im jüngsten Quartal sank der Umsatz. Allmählich sollen sich die Preise aber stabilisieren. Siemens Gamesa
soll die dänische Vestas von der Marktspitze verdrängt haben. Ein Plus ist die breite installierte Basis und das Servicegeschäft. Der Gewinn wird laut Analysten 2019 um gut
30 Prozent zulegen. Umsatzwende abwarten.
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Bildquellen: Sean Gallup/Getty Images for Siemens AG, CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images
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