Bilfinger-Aktie im Fokus: Schwache Energiebranche lastet auf Industriedienstleister
Der Industriedienstleister Bilfinger bekommt die Wucht der Corona-Krise zu spüren.
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Insbesondere die schwierige Lage in der Ölindustrie belastet den Mannheimer Konzern. Dabei hatte Chef Tom Blades eigentlich nach langen Jahren des Umbaus den Hebel umlegen wollen. Der Aktienkurs ist ein Trauerspiel. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
LAGE BEI BILFINGER:
Die Coronavirus-Pandemie und der massive Ölpreisverfall machen Bilfinger SE derzeit stark zu schaffen. Wie viele andere Unternehmen auch musste der Industriedienstleister im Frühjahr Dividende und Ausblick kappen. Im ersten Quartal ging der Umsatz im Jahresvergleich um neun Prozent auf 915 Millionen Euro zurück. Nach einem positiven Jahresauftakt seien die Erlöse in einigen Geschäftsteilen im März erheblich geschrumpft, gestand Bilfinger ein. Dies betrifft vor allem das Wartungsgeschäft von Öl- und Gasanlagen in der Nordsee sowie Aktivitäten in Ländern, die wegen des Coronavirus einen Lockdown verhängt hatten, so in Österreich, Frankreich, Belgien und Polen. Unter dem Strich schrieb das Unternehmen rote Zahlen.
Bilfinger ist dabei stark abhängig von der Energieindustrie. Rund ein Drittel ihres Geschäfts machen die Mannheimer mit Kunden aus der Öl- und Gasbranche. Der Vorstand rechnet mit den größten Belastungen durch die Krise im gerade abgelaufenen zweiten Quartal. In der zweiten Jahreshälfte soll es eine allmähliche Erholung geben. Der Auftragseingang stieg im ersten Quartal zwar um neun Prozent auf 1,06 Milliarden Euro. Allerdings seien Aufträge in erheblichem Umfang auf das nächste Jahr verschoben worden, hieß es. Sie sollen dann 2021 zu einem deutlichem Umsatzwachstum beitragen.
Für das laufende Jahr erwartet Bilfinger allerdings erst einmal einen Umsatzrückgang von rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 4,3 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) dürfte erheblich sinken, jedoch noch positiv bleiben. Netto dürfte jedoch ein Verlust zu Buche stehen.
Mitte Februar hatte Blades noch optimistischer geklungen. Bei einem Kapitalmarkttag kündigte der Konzernchef einen neuen Wachstumsplan an, nachdem der Umsatz bis 2024 auf mehr als 5 Milliarden Euro klettern soll. Der Zufluss an liquiden Mitteln aus dem laufenden Betrieb (Free Cashflow) soll sich bis 2024 auf über 200 Millionen Euro erhöhen. Damit könne das Unternehmen 40 bis 60 Prozent des bereinigten Konzernergebnisses nachhaltig an die Aktionäre ausschütten, so der Plan.
Mit Hilfe geringerer Kosten bei Vertrieb und Verwaltung soll Bilfinger zudem wieder profitabler werden. Bereits ab 2021 soll die um Sondereffekte bereinigte operative Marge des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Firmenwertabschreibungen (Ebita-Marge) 5 Prozent betragen und in den Folgejahren auch auf berichteter Basis diesen Wert erreichen. 2019 betrugen die bereinigte operative Marge 2,4 Prozent und die berichtete Marge 0,7 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte Bilfinger das erste Mal seit einer längeren Durststrecke wieder schwarze Zahlen geschrieben.
Der seit Mitte 2016 an der Bilfinger-Spitze stehende Brite Blades hatte nach dem Verkauf des Tafelsilbers, den Immobiliendienstleistungen, einen tiefgreifenden Umbau eingeläutet. Seitdem konzentriert sich der Konzern auf zwei Geschäftsbereiche und trennte sich von verlustbringenden Geschäften.
In diesem Jahr konnte Bilfinger zudem zwei Altlasten endlich zu den Akten legen. So einigte sich das Unternehmen im Streit um Schadenersatz mit früheren Vorständen, darunter dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, auf die Zahlung von fast 17 Millionen Euro. Der Aufsichtsrat hatte grundsätzlich allen Vorstandsmitgliedern, die zwischen 2006 und 2015 amtierten, aber vor 2015 in das Gremium eintraten, Pflichtverletzungen vorgeworfen.
Zudem schloss Bilfinger mit der Stadt Köln einen Vergleich im Zusammenhang mit dem Einsturz des Stadtarchives aus dem Jahr 2009 während des Baus einer U-Bahn, an dem die Mannheimer beteiligt waren. Bilfinger zahlt dabei 200 Millionen Euro, die voll durch die Versicherer abgedeckt werden.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Experten sehen die Schwäche bei Bilfinger insbesondere in der hohen Abhängigkeit vom Energiesektor. Der Einbruch in der Öl- und Gasindustrie bedeute einen erheblichen Gegenwind für Bilfinger, schrieb UBS-Analyst Gregor Kuglitsch jüngst in einer Studie. Wichtige Projekte in der Öl- sowie der petrochemischen Industrie seien abgesagt oder verschoben worden. Er verhält sich dabei neutral zu der Aktie und hat ein Kursziel von 17 Euro aufgerufen.
Auch Markus Armer von Independent Research betrachtet Bilfinger eher neutral und stuft das Papier mit "Halten" ein. Dabei moniert auch er die hohe Abhängigkeit des Konzerns vom Energiesektor. Als ein Risiko sieht er daher dauerhaft niedrige Energiepreise, die zu einer geringen Investitionsbereitschaft der Kunden führen könnten. Angesichts des starken Ölpreisverfalls stellt der Analyst zudem die neuen Mittelfristziele in Frage. Diese erschienen ihm "zunehmend ambitioniert".
Ebenfalls an der Seitenlinie bleibt die LBBW, die Anlegern ebenfalls zum Halten ihrer Papiere rät. Belasteten derzeit der Ölpreiseinbruch und die Corona-Pandemie die Geschäftsentwicklung, so sieht Jens Münstermann jedoch längerfristig Potenzial. So dürfte der Industriedienstleister von einer strukturell steigenden Zahl reifer Industrieanlagen bei sich gleichzeitig verschärfenden Umweltstandards profitieren.
Die DZ Bank schert dagegen aus diesem Reigen aus und empfiehlt das Papier weiter zum Kauf. Der Baudienstleister leide in diesem Jahr zwar unter der Coronavirus-Krise und im Projektgeschäft auch unter dem massiven Ölpreisverfall, schrieb Analyst Thorsten Reigber. Die Bilanz sei aber solide, die Liquidität gut und die Bewertung der Papiere schon deutlich gesunken.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Aktionäre hatten in den vergangenen Jahren wenig Freude mit ihren Papieren. Die langjährigen Probleme zehrten am Kurs. Die Corona-Pandemie ließ die Aktie dann nochmals richtig abstürzen. Von diesem Crash hat sich der Kurs bislang kaum erholt. In den rund vier Wochen vom 21. Februar an fiel der Kurs auf weniger als die Hälfte, sein Tief erreichte er dabei mit 12,64 Euro.
Die Glanzzeiten hatte die im Nebenwerteindex SDax notierte Aktie dabei schon längst hinter sich. Noch zu Beginn des Jahres 2014, als der frühere Vorstandschef Koch die Zukunft des Konzerns in rosigen Farben ausmalte, wurden mehr als 90 Euro aufgerufen. In dem Jahr begann aber auch der Absturz, nach mehreren Gewinnwarnungen musste Koch seinen Posten räumen.
Seine zu Amtsbeginn 2011 ausgelobten ehrgeizigen Ziele erreichte Bilfinger nie. Stattdessen hatte sich der Konzern mit einer ganzen Reihe von Übernahmen verzettelt, die die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnten - im Gegenteil. Bilfinger wurde zu einem schwer durchschaubaren Dickicht aus nebeneinander her arbeitenden und wenig kontrollierten Geschäften.
Seit dem Scheitern Kochs nach nur dreijähriger Amtszeit ging es mit dem Kurs stetig bergab - bitter vor allem für den Großaktionär des Konzerns: der Finanzinvestor Cevian, der knapp 27 Prozent der Anteile hält. Seit dem Tief Ende März hat sich die Aktie dabei nur leicht erholt, aktuell notiert sie bei rund 17 Euro. Auf Jahressicht kommt sie dabei auf ein Minus von rund 50 Prozent.
Die Marktkapitalisierung beträgt aktuell gerade noch rund 750 Millionen Euro. Das reicht nur noch für einen Platz im hinteren Drittel es SDAX.
/nas/men/mis
MANNHEIM (dpa-AFX)
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