Börse Frankfurt-News: "Über richtige und voreilige Rückschlüsse"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters, der sich die Unternehmensergebnisse genau anschaut, sieht hinter den meist guten Zahlen einige Hürden wie teurere knappe Beschaffung.
9. August 2021. FRANKFURT (pfp Adisory). Die Berichtssaison zum Abschluss des zweiten Quartals respektive des ersten Halbjahrs läuft auf vollen Touren und enthält in mehrerer Hinsicht bemerkenswerte Aspekte, wie sich schon jetzt feststellen lässt. Auf Basis von einer Vielzahl von studierten Berichten nebst Teilnahme an einer zweistelligen Anzahl von Conference Calls wage ich schon vor Abschluss der Saison einige Rückschlüsse. Auch wenn wir bei pfp Advisory "nur" den deutschen Markt beobachten, lässt sich sicher der eine oder andere Gedanke auch auf andere Regionen übertragen, schließlich sind wir von Corona bis zur ultraexpansiven Geldpolitik mit vielen globalen Themen konfrontiert.
Ein wichtiger Leitfaden vorab: In der ganz überwiegenden Anzahl der Unternehmen laufen die Geschäfte mindestens gut. Wie auch an dieser Stelle in diesem Jahr schon herausgearbeitet, weisen die stark gelaufenen Aktienmärkte sicher einige Gefahren auf, die sie zurückwerfen können, die Unternehmensentwicklungen zähle ich jedoch aktuell mit nur geringerer Wahrscheinlichkeit dazu. Die Auftragsbücher sind in etlichen Branchen prall gefüllt. Auch das Q2 war vielerorts von stabilem bis hohem Wachstum und sogar oftmals angehobenen Prognosen für das Gesamtjahr geprägt.
Beides - so viel Wasser darf in den Wein gegossen werden - sind auch keine echten Überraschungen. Denn das Wachstum hat als Ausgangsgröße ja das Corona- und Lockdownbedingt ausgesprochen schwache zweite Quartal 2020 als Vergleichswert, das sich schnell spürbar übertreffen ließ. Auch die Vielzahl an Prognoseerhöhungen hat erstmal eine nachvollziehbare Ursache. Beim Aufstellen der Forecasts für 2021, üblicherweise im März oder April auf Basis der testierten 2020er Abschlüsse, war das Umfeld in mancher Hinsicht sehr brüchig. Firmenlenker sahen sich damit konfrontiert, dass die Nation gerade schon fast nahtlos von der zweiten in die dritte Welle der Pandemie taumelte, vielerorts erhoffte und erwartete Lockerungen der Restriktionen rückten gefühlt in weite Ferne. Da war es unangebracht, seinen Aktionären starkes Wachstum zu verheißen.
Doch auch aufgrund der Impfkampagnen mangelte es nicht an Nachfrage und auch die Zuversicht vieler Verbraucher und gewerblicher Einkäufer kehrte mit den Frühlingstemperaturen zurück. Ähnlich schnell wie die Inzidenzen im Mai regelrecht eingebrochen sind, wichen auch die Sorgen vieler Konsumenten und Entscheider in den Chefetagen. Und spätestens seitdem rückten andere Sorgen in den Vordergrund, die momentan an vielen Stellen als das wesentliche Problem wahrgenommen werden: Viele Vorprodukte von Mikrochips über verarbeiteten Stahl oder Holz bis zu etlichen Öl-basierten Kunststoffen sind ob der globalen Nachfrage nur sehr schwer verfügbar und wenn man sie auftreiben kann, dann wird es teuer, auch durch die unfassbar teuren Frachtraten.
Die Inflation, längst nicht nur in den Köpfen zurück, wird natürlich auch durch die bereits erwähnte sehr brachiale Vorgehensweise der Notenbanken mit angefeuert. Nahezu jedes Gespräch mit Firmenlenkern enthält zurzeit längere Austausche über Lösungen zu den angespannten Beschaffungswegen und der Frage, inwieweit es der jeweiligen Unternehmung gelingt, selbst erlebte Verteuerungen an den Kunden weiterzugeben.
Und diese jüngeren Trends sind massiv und stoppen meiner Einschätzung nach sicher nicht am 30. Juni. Es ist somit durchaus ein wichtiger Aspekt in der laufenden Unternehmensbeobachtung, die Sensitivität hinsichtlich dieser Thematiken abzuklopfen. Wer keine steigenden Beschaffungspreise weiterreichen kann oder im Wettlauf um rare Vorprodukte den Kürzeren zieht, wird kaum mit abermals erhöhten Prognosen glänzen können.
Gleichwohl wäre es ebenso kein guter Gedanke, diese Entwicklungen einfach immer weiter fortzuschreiben. Manchen Engpässen bei Vorprodukten wird beispielsweise mit Kapazitätsausweitungen begegnet. Wie verhängnisvoll ein unreflektiertes Vorgehen sein kann, lehrt übrigens auch noch mal der Blick über die Schulter hin zum beschriebenen schlechten Vergleichsquartal in 2020, von dem sich jetzt viele abheben: Die seinerzeit maue Entwicklung setzte sich bekanntermaßen überhaupt nicht fort. Und wer am 30. Juni 2020 dachte, die damals schon wahrscheinlich ab dem dritten Quartal folgende Erholung sei doch in den bereits erholten Aktienkursen genug eingepreist, verpasste im DAX beispielsweise rund 3.000 Punkte Anstieg binnen zwölf Monaten.
von: Roger Peeters, 09. August 2021, © pfp Advisory
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)