Historiker warnt Investoren: Die 2020er könnten schlimmer werden als die 1970er
Die geo- und wirtschaftspolitische Lage lässt Investoren zunehmend nervös werden. Laut dem Historiker Niall Ferguson ist diese Sorge berechtigt.
• Historiker sieht angespannte geo- und wirtschaftspolitische Lage
• 2020er könnten schlimmer sein als die 1970er
• Anleger zu unbesorgt?
Im Rahmen des Ambrosetti Forum in Italien gab der Historiker Niall Ferguson gegenüber CNBC seine Einschätzung zur aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage ab. Für Investoren sind seine Ausführungen ein Warnzeichen.
Katalytische Ereignisse bereits eingetreten
Die 1970er Jahre waren nicht nur durch soziale Unruhen und geopolitische Verwerfungen geprägt, auch die Wirtschaft hat in dieser Zeit einen empfindlichen Dämpfer erlitten. Umbrüche und Krisen bestimmten diese Zeit. Verglichen mit dem aktuellen Wirtschafts- und politischen Umfeld hat Ferguson aber keine gute Nachrichten im Gepäck, denn er sieht deutliche Parallelen zwischen den beiden Epochen. "Die Zutaten der 1970er Jahre sind bereits vorhanden", so Ferguson, der Senior Fellow der Milbank Family an der Hoover Institution der Stanford University ist, gegenüber Steve Sedgwick von CNBC.
Tatsächlich seien die Inflationsauslöser, die der Historiker in Fehlern auf geld- und fiskalpolitischer Ebene verortet, "denen der 1960er sehr ähnlich", die jüngsten Preisschocks seien eine Wiederholung der hartnäckig hohen Inflation der 1970er Jahre, so der Experte.
Darüber hinaus gebe es noch eine weitere Parallele zwischen den 1970ern und heute, nämlich einen Krieg. Während 1973 der Jom-Kippur-Krieg zwischen Israel und einer von Ägypten und Syrien geführten Koalition arabischer Staaten die Weltgemeinschaft erschütterte, ist es heute Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, der eine Energiekrise eingeleitet hat. Einen Unterschied sieht Ferguson aber doch: Damals habe der Konflikt nur 20 Tage gedauert, Russlands Krieg gegen das Nachbarland gehe nun aber bereits in den sechsten Monat, was sich insbesondere mit Blick auf die Energiemärkte massiv auswirken dürfte: "Dieser Krieg dauert viel länger als der Krieg von 1973, daher wird der Energieschock, den er verursacht, tatsächlich nachhaltiger sein", sagte Ferguson.
Warnung an Investoren
Angesichts dieser Gemengelage zeigt sich der Historiker wenig überzeugt, dass die aktuelle Krise durch Maßnahmen von politischer Seite oder von Seiten der Zentralbanken abgemildert werden könnte. "Warum sollte es nicht so schlimm sein wie in den 1970er-Jahren?" sagte er. "Lassen Sie uns die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die 2020er tatsächlich schlimmer sein könnten als die 1970er."
Konkret nannte der Experte in diesem Zusammenhang geringeres Produktionswachstum , höhere Schuldenstände aber auch ungünstige demografische Entwicklungen. Denn während es in den 1970ern zu einer Entspannung zwischen den Supermächten gekommen sei, sei aktuell davon wenig zu spüren. Bezogen auf die politische Lage zwischen den USA und China betonte er im CNBC-Interview: "Tatsächlich sehe ich das Gegenteil".
Globale Schocks seien nicht vorhersagbar, was dazu führe, dass viele Menschen weitgehend unvorbereitet in eine solche Krise schlittern. "Sie beginnen mit einer Seuche - oder etwas, das wir nicht sehr oft sehen, einer wirklich großen globalen Pandemie - die Millionen von Menschen tötet und die Wirtschaft auf alle möglichen Arten stört. Dann trifft man ihn mit einem großen geld- und fiskalpolitischen Schock. Und dann kommt noch der geopolitische Schock hinzu", fasst Ferguson die Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre zusammen.
Vor diesem Hintergrund warnt der Historiker vor all zu viel Optimismus auf Anlegerseite: "Dies ist ein Land, das auf eine Rezession zusteuert", betonte er mit Blick auf die Vereinigten Staaten.
Redaktion finanzen.net
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