Deutsche Bank-Aufsichtsratschef Achleitner übt Selbstkritik: "Überhöhtes Selbstbild" - Renditeziel bestätigt
Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner übt anlässlich seines Abtritts nach zehn Jahren auf dem Posten Selbstkritik.
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"Auch ich habe die Startvoraussetzungen 2012 anders eingeschätzt, als sie sich heute in der Rückschau darstellen", sagt der Chefkontrolleur laut dem am Mittwoch veröffentlichten Redetext auf der Hauptversammlung des größten deutschen Kreditinstituts, die am Donnerstag kommender Woche (19. Mai) online stattfindet. Das "überhöhte Selbstbild" der Bank habe dem erforderlichen Wandel im Weg gestanden. Inzwischen befinde sich die Bank jedoch wieder auf dem richtigen Gleis und habe die allerbesten Voraussetzungen, dass dies so bleibe.
"Wer hätte damals denn gedacht, dass wir über die Jahre Milliardenbeträge für Rechtskosten, Strafen und Vergleichszahlungen aufwenden müssten - für Fälle, deren Ursache zum allergrößten Teil in der Vergangenheit lagen?", sagte Achleitner.
Der scheidende Chefkontrolleur lobt in diesem Zusammenhang die Erfolge des Vorstandschefs Christian Sewing, der das Institut seit April 2018 führt. Sewing hatte der Bank nach schwierigen Jahren einen radikalen Umbau verordnet und sie 2021 wieder zu einem Milliardengewinn geführt.
Auch dem 2015 als Sanierer angetretenen John Cryan attestiert der Aufsichtsratschef "sehr gute Arbeit". Er werde aber weiterhin davon absehen, frühere Managergenerationen zu kritisieren, sagt Achleitner. Frühere Vorstandschefs wie Anshu Jain, Jürgen Fitschen oder Josef Ackermann erwähnt er mit keinem Wort.
Nach zweimal fünf Jahren an der Aufsichtsratsspitze tritt der 65-jährige Achleitner nicht mehr an. Nachfolger soll Alexander Wynaendts werden, der langjährige Vorstandschef des niederländischen Finanzkonzerns Aegon.
Deutsche-Bank-Chefkontrolleur Achleitner wirbt für seinen Nachfolger
Der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank macht sich für seinen designierten Nachfolger Alexander Wynaendts stark. Wynaendts bringe "Expertise in der Finanzwirtschaft" ebenso wie einen "Fokus auf Technologie und Innovation, Erfahrung mit Aufsichtsbehörden und Kontrollsystemen sowie ein Verständnis für die internationalen Finanzmärkte" mit, sagte Paul Achleitner laut Redemanuskript für seine letzte Hauptversammlung der Deutschen Bank als Aufsichtsratschef, die in der kommenden Woche Donnerstag in virtueller Form stattfindet.
"Der langjährige Vorstandsvorsitzende des niederländischen Finanzkonzerns Aegon ist ein ganz und gar überzeugter Europäer mit globaler Perspektive", so Achleitner über Wynaendts. Das zeigten auch seine Mitgliedschaften bei internationalen Unternehmen wie Salesforce, Uber, Airfrance-KLM oder Citigroup.
Bei der US-Bank hat er sein Mandat nach der Nominierung durch die Deutsche Bank zwar niedergelegt. Einige Anleger kritisieren allerdings die "Ämterhäufung" Wynaendts'. So kündigte Union Investment an, gegen seine Wahl in das Kontrollgremium zu stimmen. "Der Grund dafür ist Ämterhäufung, er hat aus unserer Sicht zu viele Mandate", sagte Alexandra Annecke von Union Investment dem Handelsblatt. "Der Aufsichtsratsvorsitz der Deutschen Bank erfordert besonders hohen Einsatz", sagte sie. "Wir reden hier von der Deutschen Bank, die noch längst nicht auf Autopilot läuft."
Neben Wynaendts stellt sich Yngve Slyngstad, früherer Chef des norwegischen Staatsfonds zur Wahl in den Aufsichtsrat. Er folgt auf Gerhard Eschelbeck, der sein Mandat aufgibt.
Achleitner stellt sich nach zehn Jahren im Amt nicht mehr zur Wiederwahl. Beim Rückblick auf seine Amtszeit wählte er auch selbstkritische Worte, schließlich hatte er es zu Beginn seiner Amtszeit versäumt, die nötige Sanierung anzustoßen, wie er selbst anmerkt. "Wir wussten, dass wir uns im Nachgang zur Finanzmarktkrise verändern mussten", heißt es in dem Manuskript. "Aber wir wussten nicht, dass es am Ende eine grundlegende Sanierung und nicht nur eine Modernisierung sein würde."
In Achleitners Amtszeit fielen zwei Vorstandswechsel und Milliardenverluste. 2015 wurde die Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen nach drei Jahren abberufen. Der Brite John Cryan wurde zum Vorstandschef ernannt, wobei Fitschen noch bis 2016 als Co-Vorstandsvorsitzender agierte. Cryan wurde 2018 durch Christian Sewing ersetzt. Dieser leitete ein Jahr später ein hartes Restrukturierungsprogramm ein, das bis Ende 2022 läuft und eine Eigenkapitalrendite von 8 Prozent vorsieht.
Achleitner sah sich während seiner Amtszeit immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt, mittlerweile ist die Deutsche Bank in den Augen vieler Anleger und Analysten dank des Umbauprogramms jedoch auf einem guten Weg.
Deutsche-Bank-Chef Sewing bekräftigt Renditeziel
Die Deutsche Bank hält trotz des höheren Kostendrucks an ihrer Renditeerwartung von 8 Prozent für 2022 fest. "Wir sind weiterhin zuversichtlich, dieses Ziel auch am Jahresende zu erreichen", sagte Sewing laut Redemanuskript für die Hauptversammlung am kommenden Donnerstag. "Darauf liegt unser voller Fokus. Das bedingt auch, dass wir bei unserer Kostendisziplin nicht nachlassen, zumal wir einen zunehmenden Kostendruck spüren."
Auch bestätigte er das Ziel, bis Jahresende eine Aufwand-Ertrags-Relation von 70 Prozent zu erreichen. Das bedeutet, dass die Bank für einen Euro Ertrag nur noch 70 Cent aufwenden müsste. Dieses Ziel sei aber "im aktuellen Umfeld herausfordernder geworden". Im ersten Quartal betrug die Quote 73,4 Prozent. Die Rendite lag bei 8,1 Prozent.
Mit diesem Jahr endet das mehrjährige, tiefgreifende Umbauprogramm der Deutschen Bank, das mit einer deutlichen Senkung der Kosten, dem Rückzug aus volatilen Geschäften und einem massiven Stellenabbau einherging. Über dieses Jahr hinaus will die Bank die Rendite bis 2025 auf über 10 Prozent steigern und die Kostenquote auf 62,5 Prozent drücken. Für die Jahre 2021 bis 2025 will die Bank insgesamt 8 Milliarden Euro an die Anleger ausschütten, angefangen mit einer Dividende von 20 Cent für 2021 und Aktienrückkäufen in dreistelliger Millionenhöhe.
Im höheren Kostendruck machten sich "die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine mit Lieferengpässen, Währungsschwankungen und deutlich höheren Inflationsraten bemerkbar", warnte Sewing. Er sieht die Bank aber gut aufgestellt, um in den kommenden Jahren schneller zu wachsen als der Bankenmarkt insgesamt.
Sewing beklagt Wettbewerbsverzerrung gegenüber Asien und USA
An die Politik gerichtet forderte Sewing abermals eine stärkere Banken- und Kapitalmarktintegration in Europa und sieht in der geschlossenen Reaktion des Westens auf den Ukraine-Krieg Chancen. "Die Ukraine-Krise hat Europa politisch näher zusammengebracht", sagte er. "Das wird dabei helfen, nun auch die wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit voranzutreiben, inklusive einer gemeinsamen europäischen Rohstoff- und Energiestrategie, einer Kapitalmarkt- und einer Bankenunion."
Es brauche aber einen "klaren Willen" der Politik, die europäische Einheit voranzubringen. Er beklagte einmal mehr die regulatorischen Zusatzbelastungen der europäischen Banken im Vergleich zu den Konkurrenten aus den USA und Asien. "Das gilt für die steigenden Beiträge zum europäischen Abwicklungsfonds ebenso wie für höhere Kapitalpuffer für deutsche Banken, die einem wirtschaftlichen Aufschwung Rechnung tragen sollen - obwohl sich das Umfeld durch den Krieg in der Ukraine erheblich verschlechtert hat." Das sei ökonomisch kontraproduktiv und beschränke den Spielraum der Banken, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen. "Dadurch drohen wir Chancen zu verspielen."
Die Hauptversammlung der Deutschen Bank findet am 19. Mai in virtueller Form statt.
FRANKFURT (dpa-AFX) / FRANKFURT (Dow Jones)
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